„Europa muss seine Vorteile ausspielen“

Sommerfest der Industrie-Initiative mit Prof. Rupprecht
Münster. – Nicht erst seit Trumps Zollpolitik steht die Exportwirtschaft mitten in einer Zeitenwende, das deutsche Geschäftsmodell ist ins Wanken geraten. Beim Sommerfest der Initiative In|du|strie der IHK Nord Westfalen in Münster trübte Prof. Manuel Rupprecht mit seiner Zustandsbeschreibung die Stimmung der rund 80 Gäste allenfalls kurz. Der Ausblick des Dekans der Münster School of Business an der FH Münster fiel durchaus optimistisch aus: „Wir stehen viel besser da als wir denken“, unterstrich der Volkswirt in seinem Impulsvortrag. Gegenüber den USA und China sah er strategische Vorteile der Europäer: „Der Zeitpunkt ist da, diese Stärken auszuspielen.“
Von „bewegten Zeiten für die Industrie“ sprach Lars Baumgürtel zur Begrüßung. Zeiten, in denen das verarbeitende Gewerbe in Nord-Westfalen eine starke Stimme brauche – und auch weiterhin habe. Seit April ist Baumgürtel Präsident der IHK Nord Westfalen, seine Funktion als Sprecher der Industrie-Initiative hat er deshalb abgegeben: IHK-Vizepräsidentin Melanie Baum aus Marl und Steffen von Glahn, Vorsitzender des IHK-Industrieausschusses aus Ibbenbüren, sorgen mit dafür, dass die Anliegen der Industrie in der Region und darüber hinaus sichtbar bleiben. Zu den Anliegen gehören Planbarkeit und Verlässlichkeit. Doch nie sei die handelspolitische Unsicherheit so groß wie heute gewesen, erklärte Rupprecht, „nicht während der Kubakrise, nicht während des Ölpreisschocks oder während Corona.“ Für diese Zeitenwende sei nicht allein US-Präsident Trump verantwortlich, schon Obama habe damit begonnen, die Welthandelsorganisation auszuhebeln und die WTO-Gerichtsbarkeit zu lähmen. „Es gilt nicht mehr die Stärke des Rechts, sondern das Recht des Stärkeren.“ Zudem nehme seit 15 Jahren der Protektionismus weltweit zu. Es gelte das Prinzip „alles auf Abschottung“. Die Zollsätze der USA hätten ein Rekordhoch erreicht.
Das trifft auch die Wirtschaft in der Region, „jeder zweite Mittelständler ist international aktiv“, erläuterte der Volkswirt der FH Münster den Gästen auf Gut Havichhorst, darunter Josef Hovenjürgen, Parlamentarischer Staatssekretär im NRW-Ministerium für Bau und Digitales, und IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Fritz Jaeckel. Doch Deutschland und Europa hätten Chancen. „Wir können durch Reformen unsere Wettbewerbsfähigkeit sichern“, stellte Rupprecht fest. Bei den Steuern passiere schon etwas, ansetzen ließe sich auch beim Arbeitsvolumen. Das größte Potenzial liege direkt vor der Tür, in Europa. Der Binnenmarkt sei eine Erfolgsstory, ihn gelte es zu stärken. Bestehende Handelshemmnisse sollten abgebaut werden. Dazu plädierte er dafür, weitere bilaterale Handelsabkommen abzuschließen und nahm dabei den Mercosur-Raum, Indonesien oder Australien in den Blick. „Hier muss die EU-Kommission jetzt Fakten schaffen.“ Rupprecht sah viele Chancen im Vergleich zu den USA und China, zum Beispiel in der Transformation zur Klimaneutralität, in der Zivilgesellschaft und in den politischen Institutionen.
Aktuell, das wurde in der folgenden Diskussion deutlich, macht der heimischen Wirtschaft die hohe Regelungsdichte und der damit verbundene bürokratische Aufwand zu schaffen. Oft genannt wurde CBAM, der Mechanismus der CO2-Grenzausgleichsabgabe. Hier sei die IHK aktiv geworden, betonte Dr. Eckhard Göske, Leiter der Industrieabteilung. „Wir haben den Eindruck, dass man in Brüssel den Ernst der Lage verstanden hat und hoffen auf Vereinfachungen im Sinne der Wirtschaft.“ Und noch einen Tipp gab es für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Sommerfests: Die IHK Nord Westfalen hat einen Bürokratiemelder eingerichtet, um möglichst konkrete Beispiele zu sammeln und für Entlastung sorgen zu können.