Unternehmen sehen Energiewende skeptisch

IHK-Umfrage: Deutliche Mehrheit strebt Klimaneutralität an

Münsterland/Emscher-Lippe-Region. - Die Skepsis gegenüber der bisherigen Umsetzung der Energiewende ist bei Unternehmen im Münsterland und in der Emscher-Lippe größer als im Bundesdurchschnitt. Dieses Fazit zog heute (4. August) die IHK Nord Westfalen nach der regionalen Auswertung der bundesweiten Umfrage für das DIHK-Energiewende-Barometer. Während im IHK-Bezirk Nord Westfalen 43 Prozent der Unternehmen aus allen Branchen die Auswirkungen der Energiewende auf die eigene Wettbewerbsfähigkeit negativ beurteilen, sind es bundesweit 36 Prozent. Zugleich gibt es aber keinen großen Unterschied bei der insgesamt deutlichen Zustimmung zum Ziel der Energiewende: Sowohl im IHK-Bezirk als auch bundesweit halten knapp neun von zehn Unternehmen daran fest, klimaneutral zu werden (Bund: 89 Prozent; Nord-Westfalen: 87,5 Prozent).
Für die IHK Nord Westfalen ist es „nicht verwunderlich“, dass die regionale Wirtschaft die bisherige Umsetzung der Energiewende skeptischer beurteilt als im Bundesdurchschnitt. „Im IHK-Bezirk hat die energieintensive Industrie eine überdurchschnittliche Bedeutung“, erläutert Steffen von Glahn, Vorsitzender im IHK-Industrieausschuss. Entsprechend bewerten über 61 Prozent der Industrieunternehmen in der Region die Auswirkungen der Energiewende auf ihre Wettbewerbsfähigkeit als negativ oder sehr negativ. Bei über 70 Prozent ist die Wettbewerbsfähigkeit vor allem durch hohe Energiepreise gefährdet.
Von Glahn, der Geschäftsführer (COO) der Crespel & Deiters GmbH & Co. KG in Ibbenbüren ist, registriert in der regionalen Industrie „anhaltende Zweifel, ob angesichts des bisherigen Verlaufs der Energiewende die Versorgung mit Energie zu wettbewerbsfähigen Preisen gesichert ist“. Denn rund drei Viertel der Unternehmen aus dem Münsterland und der Emscher-Lippe-Region kritisieren einen Mangel an Verlässlichkeit und Planbarkeit in der Energiepolitik. „Hinzu kommen Verärgerung und Unzufriedenheit“, so der Unternehmer. Vor allem über Bürokratie (67,2 Prozent) und zu lange Planungs- und Genehmigungsverfahren (53,4 Prozent), die als Hindernisse auf dem Weg zur Klimaneutralität bewertet werden. Zudem gebe es auch Unklarheiten in europäischen Verfahren bzw. Abweichungen zwischen europäischen Ländern.
Das alles führt zu dem aus Sicht der IHK alarmierenden Ergebnis, dass über 43 Prozent der Unternehmen wichtige Investitionen zurückstellen. „Angesichts der aktuellen Herausforderungen sind Investitionen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit aber gerade jetzt dringend notwendig“, warnt der Industrieausschussvorsitzende. Für von Glahn passt es da ins Bild, dass Industrieunternehmen aus dem Münsterland und der Emscher-Lippe-Region Verlagerungen von Produktionskapazitäten ins Ausland oder Einschränkungen der Produktion im Inland planen (22 Prozent).
Die Unternehmen haben jedoch auch sehr konkrete Vorstellungen dazu, was passieren muss, damit die Energiewende in den Betrieben wieder in Schwung kommt: 82 Prozent der bundesweit befragten Unternehmen fordern weiter, die Steuern und Abgaben auf den Strompreis zu senken. Auch bessere Bedingungen für Eigenversorgung und Direktlieferverträge sind für vier von fünf Unternehmen (81 Prozent) wichtig.
„Insgesamt muss die Energiewende so umgesetzt werden, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen nicht gefährdet wird“, fordert von Glahn. „Wir müssen immer das gesamte Energieumfeld betrachten – also elektrisch und molekular – und auch die Gesamtenergiewendekosten betrachten. Es hilft nicht, nur die Ausbaukosten für die Netze zu berücksichtigen, sondern es müssen auch die Backup-Kapazitäten und Umrüstungskosten der Industrie berücksichtigt werden. All das macht uns wettbewerbsfähig oder eben auch nicht.“ Dazu gehört aus seiner Sicht vor allem Technologieoffenheit, die neue Lösungen ermögliche und den Unternehmen mehr Flexibilität bei der Erreichung der Klimaziele gebe. Für den Unternehmer zeigt deshalb das Energiewendebarometer erneut: „Wir brauchen eine neue, realistische Weichenstellung in der Energiepolitik.“