Titelthema

Was tun Chefs für sich selbst?

Die niederbayerische Wirtschaft steht unter Druck. Vor diesem Hintergrund: Was tun Unternehmer aus der Region für sich selbst? Zwei Beispiele zeigen, wie Selbstfürsorge in der Chefetage funktionieren kann.
Selbstfürsorge heißt für mich: Möglichst so leben, dass ich fit für mich selbst und einsatzfähig für das Unternehmen bleibe. Es geht am Ende um den Erhalt der geistigen und körperlichen Leistungsfähigkeit – das sagt Alexander Kaiß, Mitglied der Geschäftsführung der Kermi GmbH mit Sitz in Plattling und CEO der Division Climate bei der Arbonia AG, einem börsennotierten Schweizer Konzern, zu dem Kermi seit vielen Jahren gehört. Kaiß hat bereits vor 20 Jahren eine einfache, aber sehr wirksame Methode gefunden, um Selbstfürsorge zu betreiben: das Joggen. „Ich habe schnell festgestellt, wie gut es mir in jeder Hinsicht tut – egal ob ich allein laufe oder in Gesellschaft.“ Das liegt nicht allein nur an den Glückshormonen, die nach einem Lauf in der Natur ausgeschüttet werden. Kaiß schätzt vor allem zwei Effekte: Durch das Training bleibt die körperliche Fitness erhalten. Darüber hinaus wirkt sich das Laufen positiv auf seine psychische Stabilität aus. „Wenn ich allein laufe, höre ich dabei keine Musik. Es hilft mir, den Kopf frei zu bekommen oder auch, berufliche Herausforderungen zu lösen.“ Denn Alexander Kaiß verbannt beim Joggen die Arbeit nicht aus seinen Gedanken. „Oft komme ich mit Lösungsvorschlägen für knifflige Themenvorschläge zurück – vielleicht hilft der viele Sauerstoff“, sagt Kaiß und lacht. Doch steht das nicht in Widerspruch zur Selbstfürsorge? Für Alexander Kaiß fällt die Antwort eindeutig aus: Wenn es ihm gut damit geht, dann ist das Selbstfürsorge. „In einer Funktion wie meiner kann man Beruf und Privatleben nicht klar trennen. Mir persönlich geht es dann gut, wenn ich meine Probleme im Griff habe“, verdeutlicht er. Aktuell schnürt der 54-Jährige zwei bis drei Mal in der Woche die Laufschuhe. Pro Monat kommen etwa 100 Kilometer Laufstrecke zusammen.
Laufen ist für Alexander Kaiß, Mitglied der Geschäftsführung der Kermi GmbH, das Mittel der Wahl, wenn es um Selbstfürsorge geht.
Auch bei Wettbewerben und Firmenläufen ist Alexander Kaiß gerne dabei. Und dann möchte er schnell sein. Für seine Teilnahme an Marathon-Events in den Jahren 2011 und 2012 in Berlin hatte er sich Zielzeiten gesetzt und konsequent trainiert. „Hinsichtlich der Selbstfürsorge ist das wahrscheinlich nicht optimal – aber da kann ich nicht aus meiner Haut. Und dann freut man sich natürlich, wenn man die Ziele schafft.“ Auch auf Reisen hat er seine Ausstattung immer mit dabei. „Ein Vorteil ist, dass sich das Laufen vergleichsweise einfach in den Alltag einbinden lässt, auch wenn man viel unterwegs ist.“ Laufen kann man schließlich überall. In Dunkelheit ausgestattet mit einer Stirnlampe, bei Kälte mit Mütze auf dem Kopf. Abschließend kommt Alexander Kaiß zu einem eindeutigen Ergebnis: „Mein bestes Resilienz-Training ist das Laufen!“

Strategie: Gedankenhygiene betreiben

Auch Lothar Frank Schwarz, Geschäftsführer der INTERATIO MediTec – Medizintechnik Vertriebs GmbH in Steinach, treibt in seiner Freizeit gerne Sport. In Bewegung bleiben ist ihm wichtig – nicht nur körperlich, sondern auch geistig. „Selbstfürsorge hat für mich sehr viel mit Selbstreflexion zu tun“, sagt Schwarz. Eine essentielle Rolle spielt bei ihm die tägliche Gedankenhygiene. „Ich glaube, es ist den Wenigsten bewusst, dass sie für jeden Gedanken, den sie fassen, und jede Handlung, die sie tun, selbst die Verantwortung tragen. Das ist ein Wahrnehmungsproblem.“
Eine Ursache für Burnout sei häufig sicher auch, dass Menschen nicht rechtzeitig auf sich selbst hören würden.
Lothar Frank Schwarz, INTERATIO-Geschäftsführer, verbindet Selbstfürsorge mit Selbstreflexion. Er betreibt fortlaufend Gedankenhygiene.
In diese Falle möchte Lothar Frank Schwarz nicht tappen. Mit der Gedankenhygiene hat er eine Methodik gefunden, bei sich selbst zu bleiben. Er stellt sich Fragen wie: Was tue ich jetzt gerade und bringt das mich und mein Unternehmen weiter? Was will ich selbst? Zur Gedankenhygiene gehört aber auch, sich von negativen Schlagzeilen weitgehend fern zu halten und ihnen keinen echten Einfluss auf das eigene Tun zu erlauben. „Ich überprüfe zudem regelmäßig, mit wem ich mich treffe. Geht es mir danach gut oder schlecht? Oft tun wir Dinge aufgrund falscher Höflichkeit und fehlender Abgrenzung.“ Es geht darum, selbstwirksam zu sein. Daraus lässt sich ableiten, dass Selbstfürsorge für Lothar Frank Schwarz in engem Zusammenhang mit der eigenen Klarheit steht. Und auch „radikale Akzeptanz“ ist ein Stichwort. „Jede Zeit hat ihre Her-ausforderungen. Ich könnte auch jammern über die Situationen der Branche, aber: no pain, no gain – ohne Schmerz, kein Wachstum. Das akzeptiere ich. Die eigene Zukunft kann man nur gestalten, wenn man sie selbst in die Hand nimmt.“ Sich immer wieder mit sich selbst beschäftigen und bei sich zu bleiben als Mittel der Selbstfürsorge: eine emotionale und mentale Konditionierung, sagt er. Für Lothar Frank Schwarz funktioniert diese Strategie. Er ist davon überzeugt, dass Menschen so auch ihr wahres Potenzial heben können. Daneben setzt er auf Ehrlichkeit und Offenheit, um verschiedene Rollen zu vereinbaren. Als Inhaber und Geschäftsführer der Unternehmensgruppe „Losch healthcare Group“ ist er stark eingebunden, das kostet Kraft und Zeit. Als Ehemann und Vater von zwei kleinen Kindern möchte er aber auch genügend Zeit mit der Familie verbringen. Um nicht in Konflikt mit sich selbst und anderen zu geraten, pflegen er und seine Frau eine offene und klare Kommunikation. „Für mich stehen Familie und Beruf auf ähnlicher Ebene.“ Das sei kein Widerspruch. „Ich teile mir meine Zeit frei ein und bin dort, wo ich gerade gebraucht werde oder sein will, ohne es anderen recht machen zu müssen.“ Gemeinsam findet die Familie Wege, um alles unter einen Hut zu bringen. Lothar Frank Schwarz stellt fest: „Es ist ein Prozess, sich immer wieder in die Schleife der Selbstreflexion zu begeben und sich die richtigen Fragen zu stellen. Doch es lohnt sich.“ Am Ende müssen wir nur eine Person führen – und das sind wir selbst.

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