Titelthema

„Der Nutzen übersteigt ganz wesentlich den Aufwand!“

Elisabeth Hintermann
© Hintermann Fotografie
Die IHK-Wahl bietet Raum für echte Mitbestimmung. Doch was genau bedeutet das in der Praxis? Einblicke gibt IHK-Vizepräsidentin Elisabeth Hintermann, die mit Schwester Maximiliana Pangerl und Sohn Anselm Hintermann an der Spitze der Mühldorfer GmbH & Co. KG mit Sitz in Haidmühle steht. Sie engagiert sich seit Jahrzehnten ehrenamtlich für die IHK.

Frau Hintermann, dank Ihrer langjährigen Erfahrung können Sie aus erster Hand schildern, wie sich die IHK-Arbeit im Ehrenamt beschreiben lässt.

Die IHK ist das größte Unternehmensnetzwerk in Niederbayern, getragen von der starken Säule des unternehmerischen Ehrenamtes und wesentlich gestützt vom IHK-Hauptamt. Das Hauptamt ist die organisatorische Zentrale und übernimmt unter anderem hoheitliche Aufgaben anstelle des Staates wie zum Beispiel Ursprungszeugnisse, Beglaubigungen oder bei der beruflichen Ausbildung. Es gibt auch ein umfangreiches Beratungsangebot für die Betriebe. Das Ehrenamt besteht aus aktiven Unternehmern, die sich in den einzelnen Gremien zusammenschließen und ihre Vertreter in die Vollversammlung entsenden. Die Vollversammlung an sich ist das größte und wichtigste Entscheidungsgremium der IHK. Hier wird abgestimmt über Organisation, Finanzen, verschiedene Verordnungen wie beispielsweise Prüfungsordnungen oder Positionspapiere. Die Vorschläge entstehen teils aus dem DIHK, der Dachorganisation, wenn es bundesweite Themen betrifft, aber auch in den einzelnen Gremien. Derzeit bin ich Gremiumsvorsitzende in Freyung-Grafenau sowie gleichzeitig Vollversammlungsmitglied und Präsidiumsmitglied.
Auch an der Spitze der IHK steht ein Team: derzeit Präsident Thomas Leebmann aus dem Ehrenamt und Alexander Schreiner als Hauptgeschäftsführer aus dem Hauptamt. Dieses Zusammenspiel der Trägerorganisation Ehrenamt und der Ausführungsorganisation, dem Hauptamt, ist die Vertretung der gewerblichen Wirtschaft und ermöglicht die direkte Einflussnahme auf politische Entscheidungen in wirtschaftlichen Belangen.

Verkürzt lässt sich feststellen: Es geht um die aktive Mitgestaltung wichtiger Rahmenbedingungen. Im Rückblick auf vergangene Jahre haben Sie sicher ein Beispiel parat, was gemeinsam bewegt werden konnte?

In der vergangenen Vollversammlungssitzung wurde über ein Positionspapier abgestimmt zum Thema Energiekrise. Dieses Positionspapier wurde unter anderem aus den Gremien heraus mitentwickelt, birgt die Nöte und Belange der einzelnen Betriebe, die an die Politik herangetragen werden sollen. Das Positionspapier kann jeder Unternehmer in Händen halten und in allen politischen Ebenen somit eine einheitliche klare Aussage an die Politik richten. Ein zweites Beispiel, das sich etwas kleiner vermuten lässt, aber eine große Auswirkung hatte, stammt aus der Corona-Krise: Hier gab es einige Schnellschüsse der Politik, was der Wirtschaft zugutekommen sollte, wie zum Beispiel die Kurzarbeiter-Lösung. Jetzt gibt es aber auf der anderen Seite für Betriebsübergaben eine zehnjährige Verschonungsregelung bei der Schenkungssteuer. Hier muss die durchschnittliche Lohnsumme der letzten zehn Jahre eingehalten werden. Zwei Jahre Kurzarbeitergeld hätte dies für viele Betriebe nicht mehr ermöglicht und es wären Millionen-Summen an Schenkungssteuerbeträgen auf die Betriebe zugekommen. Sowas wird erkannt in den einzelnen Gremien, von den betroffenen Betrieben, und kann sofort weitergeleitet werden an die richtige Stelle in der Politik, was auch in diesem Fall passiert ist.

Wenn es gelingt, so ein Thema anzustoßen und man den Erfolg der Anregung miterlebt, ist das sicher ein gutes Gefühl …

Es ist wichtig, die Möglichkeit zu haben, Themen herantragen zu können. Umgekehrt hat aber auch der einzelne Unternehmer im Ehrenamt die besondere Chance, alle Neuheiten der Gesetzgebung schnellstens aus erster Hand zu erfahren und diese wiederum sofort in die Betriebsplanung einbauen zu können. Des Weiteren erhält man bei den zahlreichen Veranstaltungen der IHK viele brauchbare Informationen, die man im Betrieb umsetzen kann, und das stellt eine enorme Win-Win-Situation dar.

Können Sie ein konkretes Beispiel nennen, inwiefern Sie selbst und Ihr Betrieb durch Ihr Engagement bei der IHK profitierten konnten?

Vor rund 25 Jahren hat uns die IHK beim Aufbau des Exportgeschäftes sehr geholfen. Es wurden viele Veranstaltungen zum Thema Export angeboten, wir hatten über die IHK und die Auslandshandelskammern Möglichkeiten, an Delegationsreisen teilnehmen zu können. Speziell haben wir aber auch viel über die rechtliche Abwicklung für die Ausfuhren bei der IHK erfahren.

Wenn es um den wechselseitigen Nutzen geht, sprechen Sie gerne auch von einem „Flow-Effekt“.

Ja, richtig. Und hier möchte ich in diesem Zusammenhang auch junge selbständige Unternehmer motivieren, sich bei der Wahl aufstellen zu lassen, denn dieser „Flow-Effekt“ oder „Push“, der sich durch die Mitarbeit im Ehrenamt ergibt, indem man die Power aus dem Betrieb ins Ehrenamt einbringt, aber einen vielfachen Nutzen und Erfahrung wieder zurück in den Betrieb transportieren kann, ist eine automatische Spirale zum Erfolg.

Nun denken sich manche Unternehmer vielleicht: Inmitten des stressigen Tagesgeschäftes müssen sowieso schon unzählige Herausforderungen bewältigt werden. Da bleibt fürs Ehrenamt kaum Zeit …

Dazu kann ich nur sagen: Der Nutzen übersteigt ganz wesentlich den Aufwand! Grundsätzlich zählen zu den Aktivitäten vordergründig das Netzwerken und das Herantragen der Themen. Beispielsweise gibt es beim Verfassen von Positionen Unterstützung vom Hauptamt.

Sie haben entschieden, bei der IHK-Wahl 2023 nicht erneut anzutreten. Warum?

Rechne ich die Wirtschaftsjunioren-Zeit hinzu, bin ich nun seit über 30 Jahren im Ehrenamt für die IHK tätig, in Gremium, Vollversammlung, Präsidium, Außenhandelsausschuss und als Vizepräsidentin der AHK in Österreich. Bei der nächsten Wahlperiode käme ich dann schon fast in ein durchschnittliches Rentenalter. Für mich ist aber die IHK-Arbeit eine dynamische Arbeit. Sie funktioniert nur 100-prozentig, wenn die Belange aktiver Unternehmer, womöglich auch noch im Aufbau befindlich, in die Arbeit eingebaut werden. Auch wenn ich gerne noch mein Amt ausführen würde, so möchte ich nicht davon predigen, dass wir eine junge dynamische IHK brauchen, ich selbst aber meinen Platz nicht freimache. Personen, die nicht mehr vollumfänglich im Tagesgeschäft eingebunden sind, können meines Erachtens die aktuellen Themen, die sich ja auch schnell verändern und entwickeln, nicht mehr erkennen. Hier braucht es ehrenamtliche Kämpfer, die im Tagesgeschäft mit diesen neuen, komplexen Themen wie beispielsweise IT und Cyber-Sicherheit, Umwelt-Themen wie die neue Verpackungsverordnung oder der Zertifizierung der ESG-Richtlinie zu tun haben.

Stellt sich die Frage: Wie können junge Unternehmer motiviert werden, sich bei der IHK-Wahl aufstellen zu lassen?

Bei dieser Frage möchte ich allem voran darauf hinweisen, dass sich auch das Hauptamt verjüngt und die Kammer eine Neuausrichtung erfahren hat, durch die richtig Schwung drin ist. Wir können beispielsweise mit unserem Magazin „Niederbayerische Wirtschaft“ und den sozialen Medien an die Unternehmer herantreten, zusammenarbeiten und Wirkung in alle Richtungen erzielen. Zudem möchte ich an bereits Engagierte appellieren, gute Unternehmer aktiv anzusprechen und sie aufzufordern: Macht mit! Seid dabei!

Neben Menschen, die sich zur Wahl stellen, sind bei jeder Wahl auch jene entscheidend, die ihr Wahlrecht in Anspruch nehmen.

Ganz genau. Ich bitte die Unternehmen darum, ihr Wahlrecht zu nutzen und die Kammer als ihre wichtigste Lobby anzusehen für ihre betrieblichen Belange. Jede abgegebene Stimme stärkt die Einflussnahme der Wirtschaft auf die Politik.

Abschließend in einem Satz: Welchen Stellenwert hat die IHK-Wahl aus Ihrer Sicht?

Die Wahl hat für Unternehmen mindestens den Stellenwert einer politischen Wahl, in der ein Wirtschaftsminister bestimmt wird.