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Wirtschaftsgespräche: ifo-Präsident fordert Politik zum Handeln auf

Die Wirtschaft tritt auf der Stelle, die Wachstumsraten sind niedrig. Woran das liegt und was sich ändern muss, skizzierte ifo-Präsident Clemens Fuest bei den 4. Niederbayerischen Wirtschaftsgesprächen.
Die Wirtschaftsgespräche fanden 2024 in der Stadthalle Dingolfing statt – ein bewusstes Signal für die Regionalisierungsstrategie der IHK. Knapp 450 Gäste aus Wirtschaft und Politik waren gekommen, und ifo-Präsident Fuest wandte sich mit klaren Botschaften an sie. Der Top-Ökonom ging unter anderem auf den Arbeitskräftemangel ein, der Unternehmen aller Branchen betrifft und sich wegen der demografischen Entwicklung weiter verschärft. Dabei sei die Zahl der Arbeitskräfte in Deutschland eigentlich auf einem Rekordniveau, im Vergleich zu 1991 gebe es hier ein Plus von 15 Prozent. „Die Zahl der Arbeitsstunden hat sich aber nicht erhöht. Immer mehr arbeiten in Teilzeit, immer weniger in Vollzeit“, erläuterte Fuest und forderte die Politik auf, Anreize zu schaffen, damit mehr Menschen in Vollbeschäftigung gehen. „Arbeit muss sich wieder mehr lohnen“, sagte der ifo-Präsident und verdeutlichte, dass dies aktuell nicht immer der Fall ist.
Fuest zeigte das an einem konkreten Beispiel: Ein Ehepaar mit zwei Kindern hat bei einer Gesamt-Arbeitswochenzeit von 37,5 Stunden ein Bruttoeinkommen von 3.000 Euro pro Monat. Der Elternteil, der sich aktuell voll auf die Kinderbetreuung fokussiert, überlegt nun, eine 25-Stunden-Wochenstelle anzunehmen, das gesamte Bruttoeinkommen der Familie würde damit von 3.000 auf 5.000 Euro steigen. Berechnungen des ifo-Instituts haben ergeben, dass in Gegenden mit hohen Mieten das verfügbare Einkommen der Familie aber trotzdem nur marginal steigt – um gerade einmal 32 Euro pro Monat. Fuest erklärte auch, woran das liegt: Mit höherem Einkommen fällt der Anspruch auf Sozialleistungen weg, dazu kommen höhere Abgaben. „Das ist absurd, hier muss die Politik etwas unternehmen. Der Staat sollte nicht Menschen bestrafen, die arbeiten wollen”, bekräftige Fuest und bekam dafür viel Applaus von der Zuhörerschaft.
Klar sprach sich Fuest gegen weitere Subventionen aus. „Durch Subventionen entsteht keine neue Wertschöpfung. Vielmehr muss die Politik Rahmenbedingungen schaffen, die es Unternehmen ermöglichen zu expandieren.“ Was ihm zufolge ebenfalls auf der To-do-Liste der Politik stehen muss: ein konsequenter Bürokratieabbau, eine Steigerung der öffentlichen Investitionen in Infrastruktur und Digitalisierung, eine weniger kleinteilige Klimapolitik und eine Erhöhung des Energieangebotes. So könne der Wirtschaftsstandort Deutschland wieder gestärkt werden. Kritik übte der ifo-Präsident zudem am Bundeswirtschaftsministerium. Hier werde zu oft der Klimaschutz gegen Wirtschaftswachstum ausgespielt – ein Irrweg. „Das primäre Ziel des Bundeswirtschaftsministeriums muss die undifferenzierte Ausweitung der Produktionskapazitäten sein“, sagte Fuest.

Unternehmerische Freiheit fördern

IHK-Präsident Thomas Leebmann sprach in seiner Einführung zu den Wirtschaftsgesprächen die wachsende Unzufriedenheit der Unternehmer mit der aktuellen Wirtschaftspolitik an. Der Grund? Die Politik gehe etwa den Abbau der Bürokratie nicht schnell genug an, die Genehmigungsverfahren seien nach wie vor viel zu langsam, die Energiepreise im internationalen Wettbewerb deutlich zu hoch. Die Folgen? „Unternehmen stellen ihre Investitionen zurück oder verlagern sie ins Ausland. Die hohen Kosten steigen weiter. Und unser Standort verliert international an Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit“, kritisierte Leebmann. Auch der IHK-Präsident gab der Politik klare Forderungen mit auf den Weg: „Statt den Unternehmen immer mehr finanzielle oder bürokratische Belastungen aufzuerlegen, statt ihr Geschäft mit praxisfernen Detailvorgaben und Auflagen zu blockieren, muss die Politik unternehmerische Freiheit nicht nur zulassen, sondern aktiv fördern.“
2024 fand bereits die vierte Ausgabe der Niederbayerischen Wirtschaftsgespräche statt, ifo-Präsident Fuest war dabei bisher stets der zentrale Redner. Leebmann bezeichnete die Wirtschaftsgespräche in seiner Ansprache als „unsere zentrale Veranstaltung zum Jahresauftakt, die sich an die wichtigste Zielgruppe der IHK richtet: an die niederbayerischen Unternehmerinnen und Unternehmer aus Industrie, Handel, Dienstleistungen und Tourismus“.
Nach dem Vortrag von ifo-Präsident Fuest nutzten die Gäste daher ausführlich die Gelegenheit, mit dem Ökonom in die Diskussion zu kommen sowie sich untereinander auszutauschen und damit das Netzwerk der Wirtschaft in Niederbayern zu stärken.
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