Arbeitsrecht: Mitarbeiterentsendung ins Ausland

Im Rahmen der fortschreitenden Globalisierung gewinnt die Entsendung von Arbeitnehmern in das Ausland immer mehr an Bedeutung. Oftmals kann nur durch eine Entsendung einem Mangel an qualifizierten Arbeitnehmern im Zielland begegnet und eine über die Grenzen hinausgehende einheitliche Unternehmenspolitik verwirklicht werden. Mit einer Entsendung ins Ausland sind darüber hinaus auch Vorteile für den Arbeitnehmer verbunden. Neben der Förderung des internationalen Erfahrungsaustauschs und der Verbesserung von Sprachkenntnissen, können so auch vielfältige Auslandserfahrungen gesammelt werden.
Bei der Vorbereitung der Auslandsentsendung und der Betreuung vor Ort sind eine Vielzahl arbeitsrechtlicher Aspekte und insbesondere auch steuer- und sozialversicherungsrechtliche Besonderheiten zu berücksichtigen.

I. Grundlegendes zur Mitarbeiterentsendung ins Ausland

Eine Arbeitnehmerentsendung liegt grundsätzlich dann vor, wenn ein Arbeitnehmer auf Weisung seines inländischen Arbeitgebers (entsendendes Unternehmen) im Ausland eine Beschäftigung für ihn ausübt. Ebenso ist eine Entsendung anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer zuvor im Inland für die Ausübung einer Tätigkeit im Ausland eingestellt wird.
Lebt der Arbeitnehmer jedoch bereits im Ausland bzw. ist dort beschäftigt und nimmt von dort aus eine Beschäftigung für einen inländischen Arbeitgeber auf, handelt es sich um eine Ortskraft. Ein Fall der Entsendung liegt nicht vor. Eine Entsendung setzt weiterhin voraus, dass die Ausübung der Tätigkeit im Ausland von vornherein zeitlich begrenzt ist. Diese zeitliche Begrenzung kann sich aus der Art der Beschäftigung, aber auch aus einer vertraglichen Vereinbarung ergeben. Eine vorgeschriebene Grenze gibt es für die Dauer der Entsendung nicht, der Zeitraum muss allerdings “überschaubar” sein.

II. Arbeitsrechtliche Besonderheiten

Bevor ein Mitarbeiter ins Ausland entsendet werden kann, bedarf es oftmals einer Anpassung des Arbeitsvertrages. Außerdem muss der Arbeitnehmer seine Zustimmung zur Entsendung erteilen.
1. Regelungen im Arbeitsvertrag
Sollte die Entsendung des Arbeitnehmers zeitlich über die Dauer von vier Wochen hinausgehen, so sind auch das Land oder die Länder, in dem oder in denen die Arbeit im Ausland geleistet werden soll, die Dauer der Auslandstätigkeit, die Währung, in der das Arbeitsentgelt ausgezahlt wird, zusätzliche Entgeltleistungen sowie die Bedingungen für die Rückkehr des Arbeitnehmers im Arbeitsvertrag zu regeln. Sieht der ursprüngliche Arbeitsvertrag keine die Entsendung ausschließende Regelung ausdrücklich oder konkludent vor oder handelt es sich um eine sehr kurze Entsendung mit Dienstreisecharakter, so ist die Entsendung des Arbeitnehmers ins Ausland laut Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 30.11.2022 – 5 AZR 336/21) vom Direktionsrecht des Arbeitgebers umfasst – allerdings begrenzt durch eine Billigkeitskontrolle. Anderenfalls muss der Arbeitgeber dem Mitarbeiter vor der Entsendung einen entsprechend geänderten Arbeitsvertrag aushändigen. Dabei handelt es sich nicht um ein bloßes Aushändigen, sondern um eine Abänderung des Arbeitsvertrages mit beidseitiger Zustimmung (Ergänzungsvereinbarung).
Folgende Punkte sollten bei der vertraglichen Gestaltung zusätzlich geregelt werden:
  • Dauer der Entsendung
  • Verantwortungsbereich und Beschreibung der Tätigkeit im Ausland
  • Arbeitszeit
  • Feiertage
  • Urlaubsanspruch
  • Zulagen, wie bspw. Mobilitäts- oder Erschwerniszulagen
  • Arbeitsentgelt (Währung und Auszahlung)
  • Ausgleich von Mehraufwendungen (wie Reisekosten, Umzugskosten, Unterkunft, Heimreisen)
  • Zusatzversicherungen
  • Betriebliche Altersvorsorge
  • Rückkehrbedingungen
  • Geltungsdauer der Zusatzvereinbarung / des Ergänzungsvertrages
  • Kostentragung bei vorzeitiger Rückkehr
  • Anwendbares Recht
  • einen den Anforderungen des § 2 Abs. 3 Nr. 2 NachwG entsprechenden offiziellen Link
2. Beteiligung des Betriebsrats
Grundsätzlich erstreckt sich der Anwendungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVerfG) aufgrund des geltenden Territorialprinzips nur auf in Deutschland gelegene Unternehmen. Da die im Ausland tätigen Arbeitnehmer aber auch weiterhin dem inländischen Betrieb zugeordnet sein können, kann das Betriebsverfassungsgesetz auch die ins Ausland entsandten Mitarbeiter erreichen. Dann muss der Betriebsrat nicht nur bei geplanten Auslandseinsätzen und die Personalauswahl für die entsprechende Stelle, sondern auch bei personellen Maßnahmen während des Auslandseinsatzes (z.B. Umgruppierungen der entsandten Mitarbeiter) beteiligt werden.
3. Ende des Auslandseinsatzes
Normalerweise endet ein Auslandseinsatz nach Ablauf der im Entsendevertrag vereinbarten Aufenthaltsdauer oder wenn der vereinbarte Zweck der Entsendung, wie die Beendigung eines Projektes, erfüllt ist.
Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmer im Rahmen seines Direktionsrechts jedoch grundsätzlich jederzeit aus dem Ausland zurückrufen. In diesem Fall muss eine Billigkeitskontrolle im Sinne einer Interessenabwägung des ausgeübten Rückrufes erfolgen. Dabei muss der Arbeitgeber auch die Auswirkungen auf die Lebensführung des Arbeitnehmers berücksichtigen. Daher empfiehlt es sich, eine Rückrufklausel im Entsendevertrag zu vereinbaren, die den Arbeitgeber berechtigt, unter Wahrung einer angemessenen Frist, den Arbeitnehmer auch vorzeitig zurückzurufen.
Tritt im Gastland eine Krisensituation auf, sollten im Entsendevertrag zuvor detaillierte Vereinbarungen über eine Ausreise im Krisenfall, eine Wiederbeschäftigung im Stammunternehmen und die Behandlung des Vergütungsanspruchs gemacht werden.
Wurde die Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung im Entsendevertrag nicht ausgeschlossen, so sind fristgerechte Kündigungen durch beide Parteien möglich. Die Vorschriften des deutschen Kündigungsrechts kommen grundsätzlich zur Anwendung, wenn nichts anderes vereinbart wird.
4. Anwendbarkeit des deutschen Rechts
In der Regel bleibt das deutsche Recht auf den Arbeitsvertrag anwendbar, wenn es sich eindeutig aus den Bestimmungen des Vertrages ergibt. Arbeitgeber und Arbeitnehmer können durch den Grundsatz der freien Rechtswahl auch wählen, welches Recht auf den Arbeitsvertrag anwendbar sein soll. Fehlt eine derartige Vereinbarung, richtet sich das Recht in erster Linie nach dem gewöhnlichen Arbeitsort. Der gewöhnliche Arbeitsort ist bei vorübergehender Entsendung ins Ausland der inländische Arbeitsort.
Dennoch sind auch bei der Rechtswahl Grenzen gesetzt. Zum einen gibt es bestimmte Mindestschutzbestimmungen des deutschen Arbeitsrechts (z.B. bei Kündigungen), die auch nicht durch Rechtswahl umgangen werden können. Zum anderen kann das ausländische Recht des Gastlandes dazu führen, dass das deutsche Recht begrenzt wird. So ist der Ausschluss des Aufenthalts-, Arbeitserlaubnis-, Steuer-, Sozialversicherungs- und Feiertagsrechts in einzelnen Ländern nicht durch die Wahl des deutschen Rechts möglich. Im Zweifelsfall muss ein Vergleich zwischen den betreffenden Vorschriften der verschiedenen Rechtsordnungen wegen des so genannten Günstigkeitsprinzips zeigen, ob der Arbeitnehmer durch die Rechtswahl schlechter gestellt ist.
Bei Entsendungen innerhalb der EU gelten wiederum bestimmte Mindestarbeitsbedingungen, die den nationalen Regelungen vorgehen und daher auch für entsandte deutsche Arbeitnehmer anzuwenden sind. Gem. der EU-Entsenderichtlinie (Richtlinie 96/71/EG) dürfen dem Arbeitnehmer für ihn günstigere Regelungen des Arbeitsortes nicht versagt werden. Dies gilt in den Bereichen Höchstarbeitszeit und Mindestruhezeiten, bezahlter Mindestjahresurlaub, Mindestlohnsätze (einschließlich Überstundensätze), Sicherheit, Gesundheitsschutz und Hygiene am Arbeitsplatz, Schutzmaßnahmen für Schwangere und anderes. Die Auslandshandelskammern sind hierfür im Vorfeld geeignete Ansprechpartner.

III. Steuerrechtliche Besonderheiten

Fraglich ist, ob ein Arbeitnehmer, der für seinen Arbeitgeber im Ausland tätig wird, sein Einkommen weiterhin im Inland oder aber im jeweiligen Zielland zu versteuern hat.
1. Maßgeblichkeit des Wohnsitzes
Gemäß § 1 Einkommensteuergesetz (EStG) sind natürliche Personen in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, wenn sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Maßgeblich ist also der Ort an dem der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz hat. Wird daher die Wohnung während der Entsendung ins Ausland beibehalten und ist deren Benutzung regelmäßig möglich, so unterliegt der Arbeitnehmer mit seinem Arbeitseinkommen der deutschen Steuerpflicht. Gleiches gilt auch dann, wenn die Wohnung während der Abwesenheit für eine Dauer von bis zu sechs Monaten zwischenvermietet wird. Bei einer Kündigung oder einem Verkauf der Wohnung ist jedoch von einer Aufgabe des inländischen Wohnsitzes auszugehen. Darüber hinaus gilt bei Eheleuten, dass ein Ehegatte – sofern die Ehegatten nicht dauernd getrennt leben – dieser seinen Wohnsitz prinzipiell dort hat, wo seine Familie lebt.
2. Doppelbesteuerungsabkommen
Gemäß dem Grundsatz des „Welteinkommensprinzips“ sind sowohl die inländischen als auch ausländischen Einkünfte in Deutschland zu versteuern.
Darüber hinaus ist im Falle einer Tätigkeit im Ausland auch das Zielland einkommensteuer-berechtigt. Um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, hat Deutschland mit einer Vielzahl von Staaten so genannte Doppelbesteuerungsabkommen geschlossen, welche verschiedene Anrechnungsmöglichkeiten vorsehen können.
In Bezug auf die Arbeitnehmereinkünfte wird das Besteuerungsrecht in der Regel dem Staat zugewiesen, in dem der Arbeitnehmer seine Tätigkeit ausübt.
Im Rahmen der Freistellungsmethode werden die entsprechenden Einkünfte dann in Deutschland von der Einkommensteuer regelmäßig freigestellt. Allerdings werden diese Einkünfte bspw. bei der Bemessung des Steuersatzes für die Kapitalerträge oder aber für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt. Das jeweilige Doppelbesteuerungsabkommen kann jedoch auch eine Anrechnungsmethode vorsehen. Hierbei werden die Einkünfte des Arbeitnehmers sowohl durch den Tätigkeits- als auch durch den Wohnsitzstaat besteuert. Die im Ausland abgeführten Steuern werden dann allerdings im Wohnsitzstaat auf die dort zu entrichtende Steuer angerechnet.
Arbeitet ein Mitarbeiter in einem Staat, mit dem kein Doppelbesteuerungsabkommen besteht, kann der Steuerpflichtige die im Ausland festgesetzte, entrichtete und keinem Ermäßigungsanspruch unterliegende Steuer grundsätzlich auf die deutsche Einkommensteuer anrechnen. Die Anrechung ausländischer Steuern ist nicht im Lohnsteuerabzugsverfahren, sondern nur im Rahmen der Veranlagung des Arbeitnehmers möglich. Der Arbeitnehmer muss gegebenenfalls zur Anrechung ausländischer Steuern eine Veranlagung beantragen.
3. 183-Tage-Regelung
Eine wichtige Ausnahme zum Grundsatz der Besteuerung durch den Tätigkeitsstaat ergibt sich aus der so genannten 183-Tage-Regelung. Danach werden die Einkünfte davon abweichend im Wohnsitzstaat des Arbeitnehmers besteuert, wenn der Arbeitnehmer sich nicht länger als 183 Tage im Jahr im Tätigkeitsstaat aufhält und der Arbeitgeber, der die Vergütung zahlt, nicht im Tätigkeitsstaat ansässig ist sowie der Arbeitslohn nicht von einer im Tätigkeitsstaat gelegenen Betriebstätte des Arbeitgebers getragen wird. Im Rahmen dieser Regelung sind die 183 Tage grundsätzlich für jedes Steuerjahr (Kalenderjahr) zu ermitteln, wobei nicht die Dauer der Tätigkeit, sondern die körperliche Anwesenheit maßgeblich ist.

IV. Sozialversicherungsrechtliche Besonderheiten

Im Hinblick auf die soziale Absicherung sind vier verschiedene Kategorien zu unterscheiden: Ausstrahlung, Pflichtversicherung auf Antrag, Entsendung innerhalb der EU und Sozialversicherungsabkommen.
1. Ausstrahlung
Bei einer vorübergehenden Entsendung, die eine bestimmte Dauer nicht überschreitet, bleibt der Arbeitnehmer weiterhin in Deutschland sozialversicherungspflichtig (so genannte Ausstrahlung). Besteht dagegen das Arbeitsverhältnis zu einer ausländischen Tochtergesellschaft oder liegt eine dauerhafte Auslandstätigkeit vor, so ist der Arbeitnehmer ausschließlich bei der ausländischen Sozialversicherung beitragspflichtig und leistungsberechtigt. Voraussetzungen für die Sozialversicherungspflicht in Deutschland sind das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses im Inland und eine zeitlich begrenzte Entsendung eines Mitarbeiters in Ausland (siehe I.), sowie keine vorrangigen Regelungen des über- oder zwischenstaatlichen Rechts, z.B. EG-Verordnung Nr. 883/2004 (siehe unten 3.).
2. Pflichtversicherung auf Antrag
Untersteht der Arbeitnehmer nach den o.g. Voraussetzungen nicht der deutschen Sozialversicherungspflicht, bestehen folgende Möglichkeiten, den Versicherungsschutz in Deutschland aufrechtzuerhalten:
  • Rentenversicherung
    Ist der Auslandsaufenthalt zeitlich begrenzt, kann der Arbeitgeber die so genannte Pflichtversicherung für einen Arbeitnehmer abschließen (§ 4 SGB VI). Hierzu muss er einen Antrag an die Deutsche Rentenversicherung richten.
  • Krankenversicherung
    Auch hier ist eine freiwillige Versicherung gem. § 9 SGB V möglich.
  • Pflegeversicherung
    Die Weiterversicherung in der sozialen Pflegeversicherung setzt einen Antrag gem. § 26 SGB XI voraus, der spätestens einen Monat nach dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht zu stellen ist.
  • Unfall-/Arbeitslosenversicherung
    In beiden Fällen besteht keine Möglichkeit der freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Versicherung. Einige Berufsgenossenschaften bieten jedoch einen Auslandsunfallversicherungsschutz an.
3. Entsendung innerhalb der EU
Innerhalb der EU, des EWR und der Schweiz gibt es die sogenannte A1 Bescheinigung. Die Bescheinigung dient dem Beschäftigten gegenüber dem ausländischen Versicherungsträger als Nachweis darüber, dass ein Sozialversicherungsschutz in Deutschland besteht.
Voraussetzungen für den Erhalt der Bescheinigung sind:
  • Entsendender Arbeitgeber muss gewöhnlich in Deutschland tätig sein (nicht nur reine Verwaltungstätigkeit)
  • EU-Bürger, Geflüchtete oder Staatenloser mit Wohnort in einem Mitgliedsstaat
  • Entsendung
  • Entsendungsdauer muss von vornherein auf höchstens 24 Monate (bei Entsendung in Staaten der EU, in Staaten des EWR oder in dei Schweiz) begrenzt sein
  • Entsandte Arbeitnehmer dürfen keine anderen Mitarbeiter ablösen
Der Arbeitgeber oder der Arbeitnehmer muss sie bei der gesetzlichen Krankenkasse beantragen.
Weitere Informationen finden Sie hier:
4. Sozialversicherungsabkommen
Darüber hinaus hat Deutschland mit einigen Ländern Sozialversicherungsabkommen abgeschlossen. Diese Abkommen sehen vor, dass aus Deutschland entsandte Arbeitnehmer nicht der ausländischen, sondern nur der deutschen Sozialversicherung unterliegen. Hier sollte man sich genau informieren, da die Reichweite der Abkommen unterschiedlich ist und zum Teil nur die Renten- oder Krankenversicherung betrifft. Zu beachten ist, dass die EG-Verordnungen zur Koordinierung der nationalen Sozialrechtsordnungen den zwischen den Mitgliedstaaten abgeschlossenen Sozialversicherungsabkommen grundsätzlich vorgehen.
Die einzelnen Abkommen finden Sie auf der Seite der Deutschen Rentenversicherung.
Juli 2023
Dieses Merkblatt soll - als Service Ihrer IHK - nur erste Hinweise geben und erhebt daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Obwohl es mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurde, kann eine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen werden.