Rede von Präsidentin von der Leyen zur Lage der Union
Üblicherweise hält die Präsidentin der EU-Kommission im September vor dem Europäischen Parlament eine Rede zur Lage der Union. Neben einem Rückblick auf vergangene Errungenschaften und Fortschritte wird die Vision für die Zukunft geteilt. Auch neue Initiativen werden angekündigt. Aus rechtspolitischer Sicht bedeutend sind die Ausführungen zum Binnenmarkt und zum sog. 28. Regime, mit dem aus Sicht der EU-Kommission Unternehmen das Agieren im Binnenmarkt vereinfacht werden soll.
Im Binnenmarkt sieht die Kommissionspräsidentin den größten Wert der Union. Dennoch sei er noch immer unvollendet. Die Hindernisse und Barrieren im Binnenmarkt kämen nach Schätzungen des Internationalen Währungsfonds einem Zoll von 45 % bei Gütern sowie einem Zoll von 110 % bei Dienstleistungen gleich. Mit Verweis auf den Bericht Enrico Lettas zur Lage des Binnenmarktes von 2024 seien vor allem die Bereiche Finanzen, Energie und Telekommunikation weit von einer Vollendung entfernt. Daher beabsichtige die EU-Kommission einen Fahrplan für den Binnenmarkt bis 2028 vorzulegen. Die „Single Market Roadmap“ solle sich insbesondere auf die Bereiche Kapital, Dienstleistungen, Energie, Telekommunikation, das 28. Regime und eine sog. fünfte Grundfreiheit für Wissen und Innovation fokussieren.
Auch aus Sicht der gewerblichen Wirtschaft ist der Binnenmarkt nach mehr als drei Jahrzehnten noch immer nicht vollendet. In der DIHK-Umfrage zu Binnenmarkthindernissen 2024: Dienstleistungen, Waren und Investitionen berichten viele Unternehmen von unverhältnismäßigen bürokratischen Lasten, von einer hohen Regulierungsdichte und rechtlichen Unsicherheiten. Gerade KMU werden so von der Wahrnehmung ihrer Grundfreiheiten vielfach abgeschreckt. Grundlegende Reformen des EU-Binnenmarktes sind geboten, damit sein volles Potential ausgeschöpft werden kann. Aber: Unvollendet ist der Binnenmarkt vor allem im klassischen Bereich der vier Grundfreiheiten: dem freien Verkehr von Waren, Personen, Kapital. Und insbesondere die Dienstleistungsfreiheit ist stark von Barrieren und Hindernissen betroffen.
Darüber hinaus erarbeite die EU-Kommission nach Angaben der EU-Kommissionspräsidentin für sog. innovative Unternehmen ein sog. 28. Regime. Dieses wurde bereits in der am 21.05.2025 vorgestellten Binnenmarktstrategie als Antwort der EU-Kommission auf komplizierte Unternehmensgründungen und Operationen angekündigt. Denn diese zählen nach Angaben der EU-Kommission zu den zehn schädlichsten Hindernissen im EU-Binnenmarkt. Aus DIHK-Sicht wichtig ist, dass die Nutzung eines 28. Regimes im Gesellschaftsrecht grundsätzlich für alle Unternehmen, auch für KMU, möglich sein sollte und es nicht auf sog. innovative Unternehmen bzw. auf sog. „Start-ups and Scale-ups“ beschränkt wird.