Sonderbeitrag: Ergebnisse der Justizministerkonferenz
Die Frühjahrskonferenz der Justizministerinnen und Justizminister von Bund und Ländern fand am 5. und 6. Juni im sächsischen Bad Schandau statt. Wesentlicher, auch für die Wirtschaft relevanter Bestandteil der Konferenz war der Bund-Länder-Digitalgipfel. Kern der Konferenz waren die Vorstellung des Abschlussberichts der Reformkommission „Zivilprozess der Zukunft“, eine gemeinsame Erklärung zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Justiz sowie Beschlüsse zur Fortführung und Ergänzung des Pakts für den Rechtsstaat.
Zivilprozess der Zukunft
Der Abschlussbericht der Reformkommission „Zivilprozess der Zukunft“, veröffentlicht im Januar 2025, enthält umfassende Empfehlungen zur Modernisierung des Zivilprozesses in Deutschland. Ziel des Modernisierungsprozesses müsse es sein, digitale Werkzeuge systematisch in den Zivilprozess zu integrieren, um Verfahren für die Parteien schneller, transparenter und einfacher zugänglich zu machen.
Dazu bedürfe es in erster Linie klare Verfahrensregeln und eine einheitliche digitale Infrastruktur.
Kernempfehlungen der Kommission sind:
- Digitale Kommunikationsplattform:
Einführung einer bundesweit einheitlichen Plattform für die Kommunikation zwischen Gerichten, Anwälten und Parteien mit dem Ziel einer medienbruchfreien Kommunikation und effizienteren Abläufen.
- Digitales Justizportal:
Der Aufbau eines gemeinsamen Bund-Länder-Portals soll den Zugang zu Gerichten, Akten und Verfahren erleichtern. Bürger sollen Verfahren online einleiten und verfolgen können.
- Digitaler Parteienvortrag und Beweisverzeichnis:
Es sollen standardisierte Formate für Schriftsätze und Beweismittel eingeführt werden. Einheitliche Beweisverzeichnisse sollen die Übersichtlichkeit erhöhen.
- Verfahrensvereinfachung:
Klarere Regeln und mehr Möglichkeiten zur außergerichtlichen Streitbeilegung sollen die Gerichtsverfahren entlasten.
- Pilotprojekte und Evaluierung:
Es wird empfohlen, neue digitale Verfahren in Modellprojekten zu erproben. Diese sollen wissenschaftlich begleitet und ihre Wirksamkeit evaluiert werden. Die Kommission setzte sich aus Vertreterinnen und Vertretern des Bundesjustizministeriums, der Landesjustizverwaltungen, der Anwaltschaft, Wissenschaft und Praxis zusammen. Sie tagte viermal zwischen Juli und Dezember 2024 und legte im Januar 2025 ihren Abschlussbericht vor.
Gemeinsame Erklärung zum Einsatz von KI in der Justiz
Die Justizministerinnen und -minister haben in einer gemeinsamen Erklärung Rahmenbedingungen für den Einsatz von KI in der Justiz festgehalten. Dazu gehört das Bekenntnis zu einem „menschenzentrierten, verantwortungsvollen und transparenten“ Einsatz von KI-Systemen. Richterliche und staatsanwaltliche Entscheidungen müssten immer von einem Menschen getroffen werden – KI dürfe hier allenfalls unterstützend bei routinemäßigen Vorbereitungshandlungen eingesetzt werden, wie z. B. der Aktenführung oder der Bürgerkommunikation. Hingewiesen wird auf die neue KI-Verordnung der EU, die es zu beachten gelte. Zudem enthält die Erklärung die Ankündigung, eine KI-Plattform für die Justiz aufzubauen und ein Reallabor für KI-Test in der Justiz einzurichten.
Erneuerung des Pakts für den Rechtsstaat
Die Justizministerinnen und -minister haben ausdrücklich die im Koalitionsvertrag angekündigte Neuauflage des „Pakts für den Rechtsstaat“ begrüßt, der auf drei wesentlichen Säulen fußen soll:
- Personeller Ausbau der Justiz
Der Bund solle sich an der Finanzierung von mind. 2.000 weiteren Stellen im richterlichen und staatsanwaltlichen Dienst sowie den dazugehörigen Stellen an Justizangestellten beteiligen.
- Digitalisierung der Justiz
Die Ende 2026 auslaufende Digitalisierungsinitiative solle ebenso fortgeführt werden wie die Arbeit des E-Justice-Rates und die jährliche Durchführung des Digitalgipfels von Bund und Ländern. Auch die Forderungen der Reformkommission „Zivilprozess der Zukunft“ sollten umgesetzt werden, v. a. Einrichtung und Betrieb einer bundeseinheitlichen Justizcloud, einer Kommunikationsplattform inklusive digitalem Parteivortrag und unterstützender KI-Anwendungen. Gefordert wird eine Beteiligung des Bundes i. H. v. mind. 200 Mio. Euro, gegebenenfalls unter Rückgriff auf das neue Sondervermögen „Infrastrukturinvestitionen“.
- Verschlankung und Beschleunigung von Verfahrensabläufen
Verfahrensabläufe, so die Ministerinnen und Minister, sollten verschlankt und beschleunigt werden, wobei auch insoweit auf die Vorschläge der Reformkommission Bezug genommen wird.
Sonstige Beschlüsse der JuMiKo mit Relevanz für die Wirtschaft
- Effizienzsteigerung in der Justiz: Echtdaten-Tests und Verfahrens-E-Akte
Die Ministerinnen und Minister sprechen sich für die Nutzung von Echtdaten in der Justiz zu Testzwecken aus, z. B. bei der Erprobung von KI-Tools für die Justiz. Sie haben zudem den E-Justice-Rat gebeten, auf der nächsten Frühjahrs-JuMiKo 2026 über den Zwischenstand der Arbeiten an einer gemeinsamen elektronischen Verfahrensakte und einem digitalen Ökosystem für die Justiz zu berichten.
- Beschlussmängelrecht der GmbH
Die Ministerinnen und Minister fordern die Regelung eines gesonderten Beschlussmängelrechts für die GmbH.
- Kommanditistenhaftung
Die 2024 in Kraft getretene Regelung zur Haftung des Kommanditisten nach Eintritt in die Gesellschaft, aber vor Eintragung ins Handelsregister (§ 176 Abs. 2 HGB), soll in Hinblick auf Teilübertragungen in diesem Stadium präzisiert werden.
- Gesellschaft mit gebundenem Vermögen
Die Ministerinnen und Minister haben die Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz dazu aufgefordert, einen Gesetzesvorschlag für eine neue Rechtsform „Gesellschaft mit verbundenem Vermögen“ vorzulegen.
- KI und Urheberrecht
Die Ministerinnen und Minister haben die Einrichtung einer Arbeitsgruppe beschlossen, die den gesetzgeberischen Handlungsbedarf im Hinblick auf urheberrechtliche Fragen bei der Nutzung von KI ausloten soll.
- Reform der Kammer für Handelssachen
Beschlossen wurde die Einrichtung einer Arbeitsgruppe zur Erarbeitung von Lösungsvorschlägen für eine Reform der Kammer für Handelssachen in gerichtsverfassungsrechtlicher, organisatorischer und personeller Hinsicht.
- No-Show-Klauseln in AGBs
Die Ministerinnen und Minister haben das BMJV um Prüfung einer gesetzlichen Regelung für die Verwendung von No-Show-Klauseln in AGB gebeten. Gemeint sind Klauseln, durch die der Kunde zur Zahlung einer Gebühr verpflichtet wird, wenn er die Buchung eines Termins oder die Reservierung eines Tisches ohne vorherige Absage nicht wahrnimmt. -
Unternehmenssanktionsrecht
Die Ministerinnen und Minister haben die Bundesjustizministerin zur Vorlage eines Gesetzesentwurfs über die Einführung eines Unternehmenssanktionsrechts aufgefordert.