EU-Kommission stellt Binnenmarktstrategie vor: Abbau der schädlichsten Binnenmarkthindernisse als Priorität

In Zeiten angespannter internationaler Handelsbeziehungen sind deutsche Unternehmen vielfältigen Unsicherheiten ausgesetzt. Ein reibungslos funktionierender EU-Binnenmarkt besitzt das Potential, viele dieser Unwägbarkeiten abzufangen. Dafür muss er jedoch reformiert werden. Diese Priorität hat die EU-Kommission in ihrer am 21.05.2025 vorgestellten Binnenmarktstrategie „Der Binnenmarkt: Unser europäischer Heimatmarkt in einer unsicheren Welt: Eine Strategie für einen einfachen, nahtlosen und starken Binnenmarkt“ erkannt.
Modernisiert und gestärkt werden soll der EU-Binnenmarkt mittels einer klaren Priorisierung und nicht durch eine neue Schicht von Regeln. Zu den wichtigsten Maßnahmen gehören u. a.
  1. der Abbau der schädlichsten Barrieren und Hindernisse im Binnenmarkt,
  2. die Förderung des europäischen Dienstleistungsbinnenmarktes durch sektorspezifische Initiativen, z. B. im Bereich der Baudienstleistungen,
  3. die Unterstützung von grenzüberschreitend tätigen KMU, u. a. durch die Beachtung des „Think Small First“-Prinzips beim Entwurf neuer Regulierungen,
  4. die effektive Digitalisierung des Binnenmarktes,
  5. Vereinfachungen im Binnenmarkt, insbesondere durch den Abbau von Bürokratie sowie
  6. die bessere rechtliche Durchsetzung der Binnenmarktregeln.
    In der DIHK-Umfrage zu Binnenmarkthindernissen 2024 wurden vielfältige Barrieren und Hindernisse für grenzüberschreitend tätige Unternehmen identifiziert. Viele Punkte hat die EU-Kommission in ihrer Liste der „Terrible Ten“, den zehn schädlichsten Markthindernissen, aufgegriffen. Darunter fallen die unverhältnismäßigen bürokratischen Belastungen bei der vorübergehenden Entsendung von Arbeitnehmern im Bereich der Dienstleistungsfreiheit. Zu Recht werden auch die unterschiedlichen Regeln hinsichtlich Verpackungen und Labelling von Produkten adressiert, die gerade vielfach KMU überfordern. Nahezu überfällig ist die von der EU-Kommission vorgesehene Stärkung der Digitalisierung des Binnenmarktes zu einem datenbasierten Binnenmarkt mit digital zugänglichen Verfahren.
Gänzlich offen sind die tatsächlichen und rechtlichen Auswirkungen, welche die von der EU-Kommission angekündigte Einführung eines sogenannten "28. Regimes" auf europäischer Ebene für Unternehmen mit sich bringen wird. Mit der Einführung eines 28. Gesellschaftsrechtsrahmens mit teilweiser Neuregelung im Insolvenz-, Arbeits- und Steuerrecht, welcher neben den 27 nationalen Rechtsordnungen der EU-Mitgliedstaaten stehen soll, könnten aus Sicht der EU-Kommission die vielen Regeln vereinfacht und z. B. die Kosten eines Scheiterns reduziert werden.
Im Zusammenhang mit der EU-Binnenmarktstrategie wurde am 21.05.2025 zugleich das vierte Omnibus-Paket zur Vereinfachung des Binnenmarktes von der EU-Kommission präsentiert, mit einem Fokus auf die neu einzuführende Kategorie von „small-mid-caps“. U. a. sollen mit dem vierten Omnibus-Paket einige der für KMU geltenden Ausnahmen auf mittelgroße Unternehmen, die sogenannten „small mid-caps“ (SMCs), ausgeweitet werden. Von den „small-mid-caps“ würden Unternehmen zwischen 250 bis 749 Mitarbeitern erfasst. Von praktischer Bedeutung soll die small-mid-caps Kategorie beispielsweise im Zusammenhang mit der DSGVO werden. U. a. soll die in Artikel 30 Absatz 5 DSGVO statuierte Ausnahme von der Pflicht zum Führen eines Verzeichnisses aller Verarbeitungstätigkeiten auf Unternehmen mit weniger als 750 Mitarbeitern ausgeweitet werden, sofern es sich nicht um eine Datenverarbeitung mit hohem Risiko handelt.