IHKplus 1.2025 | Titelthema

Neustart! So kommt unsere Wirtschaft wieder in Schwung

Auf die Plätze, fertig, los! Der Staat muss die Unternehmen endlich wieder machen lassen.
Text: Uwe Vetterlein, Willi Haentjes
„Bundesrepublik vor längster Rezession der Geschichte" –„Strompreis erreicht höchsten Wert seit der Energiekrise" – „Kurzarbeit und Jobabbau: Krise kommt bei den Unternehmen an." – „Insolvenzen auf höchstem Stand seit zehn Jahren“ – „Zweites Jahr in Folge: Deutsche Wirtschaft schrumpft weiter“
Hätten Sie vor fünf Jahren gedacht, dass diese Schlagzeilen einmal das Land beschreiben, in dem Sie leben, jeden Tag aufstehen und zur Arbeit gehen?
Das sind die nachrichtlich-nüchternen Überschriften von Handelsblatt, FAZ, Welt & Co. der letzten Wochen und Monate. Es ist die Chronik eines Landes, in dem die Wirtschaft eine Art Dauer-November erlebt. Es will einfach nicht Frühling werden. Muss es aber. Und zwar dringend.
Deutschland braucht einen Neustart! Liebe neue Bundesregierung, als IHK Köln sagen wir im Namen unserer 150.000 Mitgliedsunternehmen: Wir alle sind hoch motiviert! Wir wollen das Rennen gewinnen! Wir brauchen keinen staatlichen Trainingsplan, der uns den Weg zum Sieg weist! Nach der Bundestagswahl muss gelten: Auf die Plätze, fertig, los! Die nächste Regierung muss den Startschuss für eine Aufholjagd der Wirtschaftsmacht Deutschland geben. Um im Bild zu bleiben: Natürlich muss der Staat Regeln festlegen, wie lang die Strecke ist und wer auf welcher Bahn rennen darf. Aber er darf auf keinen Fall mitten im Rennen neue Hürden aufstellen oder spontan entscheiden, dass jetzt gefälligst alle barfuß laufen müssen, während der Rest der Welt neue Schuhe ausprobiert. Dopingprobe – ja, bitte. Staatlichen Ernährungsplan – nein, danke!
Denn genau so fühlt sich der Wirtschaftsstandort Deutschland gerade an: Immer häufiger sind wir im internationalen Vergleich nicht mehr wettbewerbsfähig, weil bei uns Spielregeln herrschen, über die der Rest der Welt den Kopf schüttelt. Und einfach an uns vorbei läuft. Während die Weltwirtschaft stabil wächst, kommt Deutschland nicht vom Fleck. Der Internationale Währungsfonds IWF sieht Deutschland als Wachstums-Schlusslicht unter den westlichen Industriestaaten G7. Auch unsere Nachbarländer haben sich von der Corona-Pandemie erholt. Was wir also erleben, ist keine saisonale, sondern eine hausgemachte strukturelle Krise.
Energiepreise, überbordende Bürokratie, Fachkräftemangel – die Probleme, die unsere Wirtschaft lähmen, sind breit diskutiert. Es gibt dazu Lösungsansätze in den Wahlprogrammen der Parteien, die teilweise große Unterschiede aufweisen, teilweise nur in Nuancen voneinander unterscheidbar sind. Nur: Es fehlt das Vertrauen der Wirtschaft in die staatlichen Institutionen, diese Probleme auch lösen zu können.

Die Politik als Risikofaktor

Eine aktuelle Umfrage unter den Unternehmen im Bezirk der IHK Köln zeigt: 56 Prozent der Firmen empfinden die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen im Land als Risiko für ihre Aktivitäten. Heißt: Mehr als die Hälfte unserer Firmen sehen Politik und Regierung nicht als verlässlichen Partner, sondern als Risikofaktor. Die ganze Konjunkturumfrage finden Sie im aktuellen Konjunkturbericht der IHK Köln.
Das Ergebnis dieser Umfrage ist das Ergebnis einer Politik, die der Wirtschaft misstraut. Die lieber reguliert oder Berichtspflichten schafft, als auf die Kräfte des Marktes zu vertrauen. Hier braucht es den wohl dringendsten Neustart: Wir brauchen wieder eine Kultur des gegenseitigen Vertrauens. Und hier ist die Politik am Zug: Sie muss sich das Vertrauen der Unternehmerinnen und Unternehmer wieder zurückerobern! Sie muss den Wettbewerb um die besten Ideen ermöglichen – und nicht verhindern.
Dass sich diese Kraftanstrengung lohnt, steht außer Frage: Nicht die Politik hat dafür gesorgt, dass ein Land mit 83,6 Millionen Einwohnern immer noch die drittgrößte Volkswirtschaft auf einem Planeten stellt, der mehr als 8 Milliarden Bewohner hat. Das ist die Leistung von fleißigen und mutigen Unternehmern, die an ihre Ideen und Produkte geglaubt haben (und es immer noch tun!), die in ihren Betrieben, Firmen und Konzernen Millionen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern am Wohlstand teilhaben lassen. Man muss sie nur machen lassen …
Machen lassen, das heißt auch: Technologieoffenheit zulassen und im besten Fall fördern und auf keinen Fall verbieten. Ein unternehmerisches Risiko einzugehen, bedeutet, sich darauf einzulassen, dass sich im Wettbewerb die beste Idee durchsetzt. Gemessen an unseren Verbraucherwünschen, nicht an von der Regierung vorgegebenen Wünschen. Was sich durchsetzt und was nicht, das entscheidet der Markt, nicht der Staat. Alles andere ist Planwirtschaft.

Keine falschen Anreize mehr!

Unternehmerisches Risiko, das bedeutet auch: Scheitern ist erlaubt. Aktuell entwickelt sich Deutschland, das so hohe Steuereinnahmen hat wie nie zuvor, in eine Art mentalen Vollkaskostaat. Der mit Abstand größte Posten im Bundeshaushalt ist der Topf für das Ministerium für Arbeit und Soziales. 180 Milliarden Euro bedeuten 36 Prozent am Gesamthaushalt. Doch stetig wachsende Ausgaben für Bürgergeld oder auch der jetzt wieder gestiegene Mindestlohn schaffen keinen einzigen Job, sondern setzen nur falsche Anreize auf dem Arbeitsmarkt.
Anstatt immer mehr Geld in die Sozialsysteme zu stecken, braucht es Investitionen in Infrastruktur, in unsere Straßen, Schienen, Schulen, Krankenhäuser und in alles, was für die Zukunft dieser Gesellschaft notwendig ist.

Mehr Ludwig Erhard wagen!

Die Vollversammlung der IHK Köln hat im März 2021 eine Resolution verabschiedet, in der es heißt: „Die Soziale Marktwirtschaft lebt von der unternehmerischen Freiheit, Entscheidungen eigenverantwortlich zu treffen. Der aus den Entscheidungen resultierende Erfolg Einzelner sichert den Wohlstand aller.“ Diese Erinnerung an das Erbe von Ludwig Erhard ist aktueller denn je: Der Staat muss aufhören, utopische Ziele vorzugeben und Unternehmen vorzuschreiben, was sie tun sollen. Erfolgreiche unternehmerische Visionen bedeuten Wohlstand für alle. Politische Wirtschaftsvisionen das Gegenteil: Sie führen in ideologische Sackgassen, verklären den Blick und orientieren sich nicht an der Realität.
Das gilt auch für manche Debatten, die gerade in der Arbeitswelt geführt werden, zum Beispiel die Vier-Tage-Woche. Marcel de Groot, Deutschland-Chef des Mobilfunk-Unternehmens Vodafone, sagte dazu in der FAZ: „In diesen Zeiten? Das ist, wie eine Weltmeisterschaft vor sich zu haben – und dann weniger zu trainieren. Deutschland braucht wieder die Anpacker-Mentalität, die das Land immer so stark gemacht hat: aufräumen und nach vorne schauen, investieren und machen. So habt ihr euch aus allen Krisen wieder rausgearbeitet. Und Made in
Germany erschaffen. Die Menschen in diesem Land wissen, wie es geht.“ Dem ist nichts mehr hinzuzufügen!

Schluss mit Bevormundung!

Einen Neustart braucht es auch beim Selbstverständnis der Verwaltung als Akteur und Arbeitgeber. Ein Beispiel: Das Stammpersonal der Stadt Köln ist seit 2012 von 16.556 Menschen auf 21.461 im Jahr 2023 gewachsen (+ 29,6 Prozent). Diese Entwicklung beschreibt nachdrücklich einen Apparat, der sich immer weiter ausdehnt – während die wirtschaftlichen Kennziffern, aus denen sich das Verwaltungssystem mit Steuern und Abgaben finanziert, immer tiefer abrutschen.
Wir brauchen nicht mehr Behörden, die das Land verwalten. Sondern mehr Vertrauen in Unternehmen, die auf eigenes Risiko ohne staatliche Betreuung und Bevormundung durchstarten wollen. Einen echten Neustart eben.
Auf die Plätze, fertig, los! +

Dr. Uwe Vetterlein
Hauptgeschäftsführer
Chefredakteur | Kommunikation