IHKplus 1.2025 | Einblick

Kammer-Klartext für den Kanzler

Der IHK-Neujahrsempfang 2025. Ein unvergesslicher Abend mit Wirtschaft, Politik, Verwaltung – und vielen anregenden Debatten!
Text: Willi Haentjes
Fotos: Christian Knieps, Jürgen Kura, Meike Schrömbgens

Was für ein unvergesslicher Abend in der Kölner Flora!

Beim Neujahrsempfang der IHK Köln kamen 400 Gäste aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung zusammen, um gemeinsam über die anstehenden Herausforderungen zu diskutieren. Und der Abend ist ein echtes Dankeschön: Für alle, die sich das Jahr über ehrenamtlich in der Kammer engagieren und damit unermüdlich in der Vollversammlung und in Ausschüssen für die Wirtschaft einsetzen. Ehrengast und Keynote-Speaker des Abends: Bundeskanzler Olaf Scholz, der im Amts-Endspurt seinen Smoking aus Hamburger Zeiten aus dem Schrank gezaubert hat. Er passt noch!
Aber der Reihe nach. Nach dem Eintrag ins Gästebuch (drei feine Füller-Linien als Unterschrift) wurde es kontrovers. Denn die Begrüßungsrede von IHK-Präsidentin Nicole Grünewald war kein Kuschelprogramm, sondern eine Klartext-Ansage. „Deindustrialisierung und Überbürokratisierung sind keine zufälligen Naturereignisse. Sondern das Ergebnis von politischen Entscheidungen. Die dringend korrigiert werden müssen.“ Vor allem die Energiepolitik bräuchte zeitnah eine Korrektur: „Der Kohleausstieg 2030 wird nicht zu halten sein.“ Und: „In meinem Deutschland war es vor einem Jahr noch 5 vor 12. Heute ist es Viertel nach 12.“ Die Botschaft kam an! Und wurde auch an den Tischen eifrig debattiert, wo Vertreter aus Politik und Wirtschaft bunt gemischt zusammensaßen.
Grünewald weiter in ihrer Rede: „Wir sind alle Unternehmer. Das heißt: Wir müssen alle Verantwortung tragen und Entscheidungen treffen. Jeden einzelnen Tag. Und wir müssen mit den Konsequenzen dieser Entscheidungen leben. Dieses Mindset und diese Entscheidungskraft wünschen wir uns auch von der Politik. Und das haben wir in den vergangenen Jahren zu oft vermisst.“
Mit Blick auf die Finanzpolitik sagte sie: „Deutschland hat hohe Einnahmen. Höher als jemals zuvor. Doch Erhöhungen des Bürgergelds und des Mindestlohns schaffen keine Jobs, sondern falsche Anreize, und sie setzen die Lohn-Preis-Spirale und damit die Inflation in Gang. Deshalb sind wir für eine Schuldenbremse. Und gegen Wahlgeschenke. Aber für Investitionen in Infrastruktur, also Straßen, Schienen, Netze und Gebäude wie Schulen, Hochschulen, Krankenhäuser – und damit in unsere Zukunft.“
Grünewalds Appell an den Kanzler: Die Politik müsse sich neues Vertrauen erarbeiten und ihrerseits der Wirtschaft endlich wieder mehr zutrauen. Das Zauberwort der Stunde sei Mut. Die Schlussworte: „Ich wünsche uns allen für das Jahr 2025 den Mut, die richtigen Dinge zu tun. Und die falschen abzuschaffen.“ Es folgten Standing Ovations.
© IHK Köln
Der Kanzler wusste bei seinem Gang ans Mikrofon also sehr genau, dass die Stimmung in der Wirtschaft schon einmal besser war. Und trifft bei seiner Deutschland-Analyse einen Nerv: „Wir sehen an allen möglichen Ecken und Enden, dass zu lange zu viel liegengeblieben ist. Manches über Jahrzehnte hinweg. Die WDR-Staunachrichten klingen zum Teil wie eine Aufzählung aller Kölner Stadtteile samt Vororten.“ Dann erläuterte Scholz seinen Vorschlag vom „Made in Germany“-Bonus: „Ähnlich wie in den USA möchte ich, dass der Staat sich an jeder Zukunftsinvestition mit 10 Prozent beteiligt – schnell und unkompliziert, per Steuererstattung.“
Mit Blick auf die vielfach kritisierte Entwicklung des Strompreises sagte er: „Der Entwurf für die weitere Entlastung bei der Stromsteuer liegt im Bundestag. Er kann noch vor der Wahl beschlossen werden. Und dazu fordere ich alle ausdrücklich auf. Das können wir jetzt noch umsetzen!“ Ein kurioser Moment: Da steht der Kanzler auf der Bühne und klingt wie der Oppositionsführer …
Wie gut Scholz sich auf das rheinische Publikum vorbereitet hat, zeigt er zum Schluss: Der Kanzler setzte zur Büttenrede an (siehe unten)! Eine echt hanseatisch-kölnische Einlage. Für diesen Teil der Rede gab es dann auch Standing Ovations.
Im Anschluss ließ Scholz sich löchern: Auf acht Fragen aus dem Publikum antwortete der Regierungschef ausführlich. Wie die Antworten waren – entscheiden Sie selbst, wir haben den Dialog dokumentiert.

Unser Podcast zum Neujahrsempfang

Und wie war Scholz als Mensch an diesem Abend? Dr. Petra Mayer, als COO im Vorstand der Deutz AG für die Produktion verantwortlich, saß am Ehrentisch links vom Kanzler. Sie beschreibt den Abend mit ihm wie folgt: „Wir haben wirklich gelacht, er ist ein humorvoller Mensch. Es war sehr leicht, mit ihm das Gespräch zu führen, er ist ein sehr unkomplizierter Tischnachbar. Und neugierig. Es war wirklich ein wunderbarer Abend. Er hat jedes Foto gerne mitgemacht, ist auf jede Frage am Tisch eingegangen. Ich hatte das Gefühl, er wäre gerne noch länger geblieben.“
Aber um 21:43 Uhr war dann Schluss. Zumindest für den Kanzler. Die übrige Festgesellschaft debattierte das Erlebte und Gehörte noch bis tief in die Nacht … +
© IHK Köln

Kölle Olaaf!

Es war eine echte Weltpremiere: Der Kanzler ging in die Bütt! Zum Ende seiner Rede grinste Scholz spitzbübisch. Und sagte dann: Seine Kollegen aus dem Rheinland hätten ihm geraten, zu dieser Jahreszeit unbedingt noch etwas Gereimtes zum Besten zu geben. „Also habe ich mir ein Herz gefasst. Meine allererste Mini-Büttenrede. Haben Sie Nachsicht. Bitte sehr!“
„Die Söhne Hamburgs haben ein Lied geschrieben
und Hamburger darin wie folgt beschrieben:
Manche sagen, wir sind dröge.
Doch das ist ’ne glatte Löge!
Wir denken vor dem Sprechen nach:
Wenn’s sein muss, auch ’nen ganzen Tach.
‚Scholzomat‘, ‚Olaf der Schweiger‘ – ein Hamburger Jung.
Das trifft nicht überall auf Begeisterung.
Wenn Sie jetzt sagen:
Der Scholz taugt nicht für die Bütt.
Ich will ja auch, dass es anders kütt.
Und ich nicht Büttenreden schreibe,
sondern bei meinen Leisten bleibe.
Am 23. Februar ist klar, wer mit wem und wie –
ein dreifach Hoch auf die Demokratie!
Die erträgt viel Streit und manch groben Verriss.
Viel wichtiger bleibt aber der Mut zum Kompromiss.
Respektvoll miteinander, ehrlich und klar –
kein schlechter Vorsatz fürs neue Jahr.
Deshalb: Frohes Neues und Viva Colonia!
Chefredakteur | Kommunikation