IHKplus 04/2022

Ein Symbol der Misere

Die Sperrung der maroden Talbrücke Rahmede hat Folgen für die Unternehmen der Region, wie eine Umfrage bestätigt – dabei ist die A45 nur eines von vielen Negativbeispielen.
Text: Werner Grosch
Ein schwerer Schlag, auch für die Wirtschaft! Der Verlust tausender Arbeitsplätze droht! Mit diesen deutlichen Worten hat Marco Voge, Landrat des Märkischen Kreises, die Sperrung der 45 aufgrund der maroden Talbrücke Rahmede bezeichnet. Von einem „Worst-Case-Szenario“ für die gesamte Region spricht derweil Prof. Dr. Roman Suthold vom ADAC: „Es ist zu befürchten, dass Auto- und Lkw-Fahrer sich auf den ohnehin stark belasteten Autobahnen A1, A3, A4 und A46 in den kommenden Jahren auf noch mehr Staus einstellen müssen.“
Die Zunahme des Verkehrsaufkommens auf diesen Strecken ist bereits messbar. Das Desaster um die marode Rahmede-Brücke der A45 lenkt also einmal mehr den Blick auf die kritische Situation im Fernverkehr unserer Region. Der Verkehr rund um den Kölner Ring sei jetzt schon durch Baustellen und Sperrungen am Limit, nun komme noch der umgeleitete Verkehr der gesperrten A45 hinzu, sagt der ADAC-Experte. Vor der Sperrung passierten täglich 64.000 Fahrzeuge die A45-Talbrücke, davon 13.000 Lkw. „Das bedeutet deutlich vollere Autobahnen ab dem Westhofener Kreuz in Richtung Süden. Und ab dem Kreuz Olpe-Süd in Richtung Westen und ab Köln-Ost in Richtung Norden.“
Die Rahmede-Brücke ist nur ein Symptom von vielen für die Misere im Fernverkehr. Allein der Zustand vieler Rheinbrücken spricht für sich. Die A40-Brücke in Duisburg muss komplett neu gebaut werden, ebenso die A1-Brücke zwischen dem Kölner Norden und Leverkusen. Die Fleher Brücke zwischen Düsseldorf und Neuss ist nicht mehr reparabel, für die Rheinbrücke Bonn-Nord und die Rodenkirchener Brücke im Süden Kölns sind Ersatzbauten vorgesehen.

Rheinspange schnellstens realisieren

Für die Wirtschaft in der Region sind das erhebliche Belastungen, die aus Sicht der IHK Köln klare Maßnahmen erfordern. Dazu gehören schnelle Plan- und Genehmigungsverfahren ebenso wie die Schaffung zusätzlicher Kapazitäten.
Die Realisierung der so genannten Rheinspange, also einer zusätzlichen Querung südlich von Köln, hat höchste Priorität.

Claudia Betzing, Leiterin Wirtschaft und Politik der IHK Köln

Nach jetzigem Planungsstand soll die Brücke bis zum Jahr 2030 realisiert sein. Derzeit läuft noch die Diskussion um die Gestaltung der Querung als Brücke oder Tunnel, über den genauen Trassenverlauf und die Anbindungspunkte an das bestehende Autobahnnetz. Das am Prozess beteiligte Dialogforum, in dem neben Kommunen, Verbänden, Gewerkschaften und zufällig ausgewählten Bürger:innen auch die IHK Köln vertreten ist, gibt bald sein Votum für die umweltfreundlichste Variante ab. Ende 2022 soll feststehen, welche der derzeit zwölf Varianten den Vorzug erhalten soll.

Finanzielle Nachteile für Unternehmen

Entlastung ist jedenfalls dringend notwendig. Wie sehr, zeigt die Umfrage, die die IHK Köln im Februar bei Unternehmen durchgeführt hat: Rund zwei Drittel der Befragten aus dem gesamten Kammerbezirk sind von der Sperrung der A45-Brücke Rahmede betroffen,  mehr als die Hälfte davon stark oder sogar sehr stark.
Noch viel deutlicher fallen die Zahlen für den Oberbergischen Kreis aus, wo fast neun von zehn Unternehmen Betroffenheit angeben, mehr als die Hälfte der Befragten spricht von starken bis sehr starken Auswirkungen. Und 82 Prozent gaben an, dass auch Zulieferer von der Sperrung betroffen sind. Fast zwei Drittel der Mitarbeitenden merken ebenfalls die Folgen. Und gut 60 Prozent der Unternehmen aus dem Oberbergischen Kreis spüren direkte finanzielle Auswirkungen.

Sonn- und Feiertagsverbote lockern

Kein Wunder also, dass die Wirtschaft in Oberberg sich hier besonders deutlich zu Wort meldet. Die Beratende Versammlung beschloss Ende März einstimmig eine Resolution, die klare Forderungen formuliert. Dazu gehört vor allem ein Neubau der Talbrücke Rahmede innerhalb von zwei Jahren ab dem Zeitpunkt der Sprengung. Außerdem solle die Baustellenkoordination angepasst und betroffene Unternehmen finanziell entlastet, Sonn- und Feiertagsfahrverbote gelockert werden.
Inmitten der vielen Schadensmeldungen gibt es immerhin auch Zeichen der Besserung: Anfang März wurde das erste große Stahlelement auf Pfeiler der neuen A1-Brücke zwischen Köln und Leverkusen gesetzt. Langsam wird ein Baufortschritt auch von weitem sichtbar, und Ende 2023 sollen Lastwagen wieder über die erste Hälfte der neuen Brücke rollen.

Bund will investieren

Die Bundesregierung will zusätzliche Mittel für die Sanierung der Autobahnbrücken bereitstellen. 4.000 Bauwerke sollen saniert oder neu gebaut werden, pro Jahr bis zu 400 Brücken. Die Maßnahmen werden auf strategisch wichtige Korridore priorisiert und koordiniert. Nach einer schrittweisen Erhöhung der Mittel sollen ab 2026 jährlich rund 2,5 Milliarden Euro in die Brückenmodernisierung fließen, eine Milliarde mehr als bisher.
Planungs- und Genehmigungsverfahren sollen ebenso wie Ausschreibungs- und Vergabeverfahren einfacher und schneller werden, Personal soll aufgestockt werden. Die IHK begrüßt die Pläne als einen Schritt in die richtige Richtung und wird kritisch begleiten, ob und wie schnell Maßnahmen in der Region umgesetzt werden.