Mobilität

Umfrage zu den Folgen der Sperrung der Talbrücke Rahmede

Die IHK Köln hat Unternehmen in ihrem Bezirk zu den Auswirkungen der Brückensperrung auf der A45 befragt.

Erhebliche direkte und indirekte Folgen

Deutlich höhere Anreisezeiten zu Kunden, längere Strecken, mehr Fahrzeit, verspätete Lieferungen – das ist nicht das, was Unternehmen ihren Kunden und Geschäftspartnern gerne sagen. Leider ist es für viele Betriebe in den Wirtschaftsräumen Rhein-Ruhr und Rhein-Main seit vielen Wochen Realität. Denn seit dem 2. Dezember 2021 ist die Talbrücke Rahmede wegen schwerer Schäden am Tragwerk gesperrt und damit die Nord-Süd-Verkehrsachse A45 nachhaltig unterbrochen.
Die Brücke wird wegen der Schwere der Schäden in naher Zukunft gesprengt, die Planungen für einen Ersatzneubau laufen auf Hochtouren. Gegenwärtig gibt es aber noch kein sicheres Datum für die Fertigstellung der neuen Brücke.
Die direkten Folgen sind erheblich: Die Fahrzeiten zwischen den Großräumen Rhein-Ruhr und Rhein-Main verlängern sich beträchtlich, außerdem sind die gesamte Region Südwestfalen sowie der Oberbergische Kreis im IHK-Bezirk Köln viel schlechter zu erreichen als bisher.
Darüber hinaus hat die Autobahnsperrung in Sachen Verkehrs- und Umweltbelastung indirekte Folgen für den gesamten IHK-Bezirk Köln. Seit Anfang Dezember wird im Rahmen einer großräumigen Umleitung der Fernverkehr zwischen den Großräumen Rhein-Ruhr und Rhein-Main in Teilen über den bereits jetzt schon überlasteten Kölner Autobahnring gelenkt.
Um zu erfahren, wie die Unternehmen in ihrem Bezirk konkret von der Situation betroffen sind, führte die IHK Köln vom 9. bis 20. Februar 2022 eine Umfrage durch. Sie befragte Unternehmen aus Logistik und Industrie, Groß- und Einzelhandel, Baugewerbe und ausgewählte Dienstleistungen. Rund 750 Betriebe beteiligten sich, knapp 600 Antwortbögen konnten ausgewertet werden, 187 stammten aus dem besonders betroffenen Oberbergischen Kreis.

Die Ergebnisse im Einzelnen

Zwei Drittel der teilnehmenden Unternehmen aus dem IHK-Bezirk Köln sind von der Sperrung der Talbrücke Rahmede betroffen, immerhin ein Drittel sehr stark oder stark.
Noch schwerer als die teilnehmenden Unternehmen selbst sind offenbar ihre Zulieferer betroffen. Fast 70 Prozent berichten von Störungen in vorgelagerten Stufen der Wertschöpfungskette, 43 Prozent sagen sogar, ihre Zulieferer seien stark oder sehr stark betroffen.
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Problematisch ist die Brückensperrung auch für Pendlerinnen und Pendler. Immerhin knapp jedes zweite teilnehmende Unternehmen gibt an, dass seine pendelnden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betroffen sind. Jedes zehnte sogar sehr stark, weitere 14 Prozent stark.

Besonders betroffen: Unternehmen im Oberbergischen Kreis

Der Oberbergische Kreis ist von der Sperrung der Talbrücke Rahmede besonders stark betroffen. Die Brücke befindet sich etwas nördlich von Lüdenscheid, nur knapp 30 Kilometer etwa von Radevormwald, Wipperfürth oder Marienheide entfernt. Viele Unternehmen dort sind auf die A45 angewiesen, die den Landkreis mit dem Ballungsraum Ruhrgebiet und den Nordseehäfen verbindet. Die IHK-Umfrage zeigt, dass annähernd neun von zehn teilnehmenden Betrieben von der Brückensperrung betroffen sind. Über die Hälfte sieht sich sehr stark oder stark betroffen.
Die teilnehmenden Unternehmen in Oberberg geben zudem an, dass 85 Prozent ihrer Zulieferer von der Brückensperrung betroffen sind. 25 Prozent seien sehr stark, 37 Prozent stark betroffen. Lediglich 15 Prozent der Zulieferer seien dadurch nicht beeinträchtigt.
Im Oberbergischen Kreis sind offenbar auch deutlich mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von der Brückensperrung betroffen. Fast zwei Drittel der teilnehmenden Betriebe geben an, dass pendelnde Beschäftigte in ihrer Belegschaft von der Sperrung betroffen sind. 13 Prozent der Betriebe sind diesbezüglich sogar sehr stark und weitere 19 Prozent stark betroffen.

Zahlreiche direkte und indirekte Folgen

Die Sperrung der Talbrücke Rahmede hat zahlreiche direkte und indirekte Folgen für die Wirtschaft.
So gaben gut 45 Prozent der betroffenen Unternehmen im gesamten IHK-Bezirk Köln an, direkt betroffen zu sein, also keine Verkehre mehr über die Brücke führen zu können. Knapp 55 Prozent sind durch die stark gestiegenen Umleitungsverkehre indirekt betroffen. Zwei Drittel der betroffenen Unternehmen im gesamten IHK-Bezirk Köln sehen sich deswegen mit zeitlichen Mehraufwänden konfrontiert. Die geschätzten durchschnittlichen Verzögerungen pro Tag gaben die Firmen je Lkw-Fahrt mit 77,5 Minuten und je pendelndem Beschäftigten mit 52,4 Minuten an.
Unabhängig davon, ob sie über zeitliche Mehraufwände klagen oder nicht, gaben 60 Prozent an, einen erhöhten Planungs- und Koordinationsbedarf zu haben, 41 Prozent meldeten einen höheren Bedarf an Ressourcen, wie Lkws oder Fahrpersonal.
Über finanzielle Schäden klagen immerhin nahezu 62 Prozent aller von der Sperrung betroffenen Unternehmen aus dem IHK-Bezirk Köln. Zusätzlich gefährden die Folgen der Sperrung geplante Investitionen am Standort bei immerhin gut 18 Prozent der betroffenen Unternehmen im IHK-Bezirk Köln.

Oberberg: Mehr als die Hälfte der Betriebe direkt betroffen

Wie zu erwarten spüren im Oberbergischen Kreis mehr Unternehmen die genannten Folgen der Brückensperrung. Von allen teilnehmenden Unternehmen, die grundsätzlich betroffen sind (87 Prozent; s. oben), sind gut 53 Prozent direkt betroffen, knapp 47 Prozent indirekt. Hier kommt die geografische Nähe zur Brücke zum Tragen.
77 Prozent der von der Brückensperrung betroffenen oberbergischen Unternehmen geben an, zeitliche Mehraufwände zu haben. Im Mittel sind das gut anderthalb Stunden je Lkw-Fahrt und eine knappe Stunde je Pendlerin oder Pendler.
Zudem zieht die Sperrung für fast 70 Prozent betroffenen Unternehmen aus dem Oberbergischen Kreis einen erhöhten Planungs- und Koordinationsbedarf nach sich. Für über 40 Prozent bedeutet sie einen höheren Bedarf an Ressourcen, beispielsweise Lkws und Fahrpersonal. Nur knapp 17 Prozent haben keine weiteren Mehraufwände.
Von den betroffenen Firmen im Oberbergischen Kreis erleiden zudem 69 Prozent einen finanziellen Schaden und 27,3% sehen geplante Investitionen in Gefahr, wieder deutlich mehr als im gesamten IHK-Bezirk.

Nicht alle haben eine Ausweichstrategie

Ein weiteres Problem für viele Betriebe: Die Gegebenheiten in der Verkehrsinfrastruktur bieten für die Mehrzahl der betroffenen Unternehmen keine Möglichkeiten für Ausweichstrategien. Als primäre Ausweichstrategie nehmen viele Unternehmen Änderungen in der Tourenplanung vor, in Teilen verlagern sie auch Transport-, Umschlags- und Produktionskapazitäten an andere Standorte oder an Subunternehmen.
Dagegen sehen nur wenige Unternehmen im Wechsel von Import-Export-Häfen oder in der Verlagerung auf die Bahn eine Möglichkeit, der Situation auszuweichen. Eine Verlagerung auf das Binnenschiff wird fast gar nicht in Betracht gezogen.
Vereinzelt wurde in Freitextfeldern in der Rubrik „Sonstiges“ geäußert, dass Kunden- oder Lieferantenverhältnisse aufgegeben würden, weil sie durch die Sperrung unwirtschaftlich geworden seien. Ebenfalls vereinzelt nehmen Firmen auch Anpassungen ihres Portfolios und Geschäftszweckes vor.
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Von allen befragten Unternehmen geben zwei Drittel an, die Situation zum Beispiel durch entsprechende Anpassungen im täglichen Betrieb länger als drei Jahre bewältigen zu können. Jedes zehnte Unternehmen geht davon aus, maximal drei Jahre mit der Situation klarzukommen. Immerhin 19 Prozent dagegen fürchten, die Situation maximal ein Jahr bewältigen zu können, fünf Prozent sehen sich sogar damit konfrontiert, nur wenige Monate durchhalten zu können.
Sollten die Unternehmen die Situation nicht bewältigen können, ist die präferierte Option der teilnehmenden Unternehmen ihr Geschäftsmodell auf Leistungen anpassen werden, die nicht von der Sperrung betroffen sind. Als weitere Maßnahme wird die Verlagerung von Teilen der Produktion oder des Geschäfts auf andere, bestehende oder neue Standorte als mögliche Option genannt.  Die Schließung der Produktion oder Geschäftstätigkeit am jetzigen Standort wird ebenfalls in Betracht gezogen, wenn auch noch nur von einer Minderheit.
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Oberberg: Anpassungen in der Tourenplanung als Antwort

Unter den teilnehmenden Unternehmen im besonders betroffenen Oberbergischen sind Anpassungen in der Tourenplanung die bevorzugte Strategie, um der Situation auszuweichen. Auch die Verlagerung von Transport-, Umschlags- und Produktionskapazitäten an andere Standorte oder Subunternehmen ist für einige Unternehmen eine Option.
Nur wenige im Oberbergischen Kreis betroffene Unternehmen sehen in dem Wechsel von Import-Export-Häfen oder in der Verlagerung auf die Bahn eine Möglichkeit, der Situation auszuweichen. Eine Verlagerung auf das Binnenschiff wird hier gar nicht in Betracht gezogen. Allerdings stehen auch hier vielen Unternehmen keine Ausweichstrategien zur Verfügung.
In der Umfrage waren auch individuelle Antworten möglich. Unter dem Punkt „Sonstiges“ geben Unternehmen im Oberbergischen Kreis beispielsweise an, dass sie aktuell keine Aufträge mehr „hinter“ Lüdenscheid annehmen, große Umwege fahren oder auf andere Lieferanten ausweichen.
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Von den betroffenen Unternehmen im Oberbergischen Kreis geben 62 Prozent an, dass sie die Situation durch Anpassungen länger als drei Jahre bewältigen können. Weitere elf Prozent glauben, es bis zu drei Jahre schaffen zu können. Fast jeder vierte Betrieb (23 Prozent) geht hingegen davon aus, nur maximal ein Jahr mit der Ausnahmesituation klarzukommen, vier Prozent sogar nur wenige Monate.
Für den Fall, dass die von der Brückensperrung betroffenen Unternehmen in Oberberg die Situation nicht bewältigen können, geben erneut die Mehrzahl der teilnehmenden Unternehmen an, dass sie ihr Geschäft auf Leistungen anpassen werden, die nicht von der Sperrung betroffen sind. Zweithäufigste Reaktion ist die Standortverlagerung von Teilen der Produktion oder des Geschäfts. Für einige der betroffenen Betriebe wäre allerdings auch die komplette Schließung der Produktion oder des Geschäftsbetriebs am jetzigen Standort im Oberbergischen Kreis eine Option.
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Fazit

Die Ergebnisse der Umfrage zeigen, dass die Sperrung der Talbrücke Rahmede negative wirtschaftliche Folgen für Unternehmen im gesamten IHK-Bezirk und vor allem im Oberbergischen Kreis hat. Längere Fahrzeiten für Lkw und pendelnde Fachkräfte sorgen bei vielen Unternehmen für Mehraufwände und Kosten, gefährden dadurch Investitionen und sind eine potenzielle Bedrohung für die Standortsicherheit vieler Betriebe.
Um diese Folgen so gering wie möglich zu halten, müssen der Abriss der alten Brücke und im Anschluss die Fertigstellung eines Ersatzneubaus so schnell wie möglich erfolgen. Baustellen auf Ausweichrouten müssen so weit wie möglich vermieden werden. In der Zwischenzeit benötigen betroffene Unternehmen Erleichterungen im täglichen Betrieb, zum Beispiel durch Lockerungen beim Sonn- und Feiertagsfahrverbot, um Logistikprozesse an die erschwerten Rahmenbedingungen anpassen zu können. Langfristig müssen durch ausreichende Investitionen in den Unterhalt Brückenbauwerke strukturell intakt und wo nötig durch Neubauten ersetzt werden. Ebenso müssen bestehende Engpässe im Bundesautobahnnetz klar identifiziert und durch den gezielten Neu- und Ausbau möglicher Ausweichstrecken entschärft werden. Außerdem muss ein Straßennetzübergreifendes System zur Baustellenkoordination und Planung von Umleitungsstrecken mit digitalisierten und aktuellen Verkehrsflussdaten eingerichtet werden, um geplante Vollsperrungen für Bauarbeiten und ungeplante schwere Störungen schnell antizipieren zu können.