Reportage IHKplus 5.2023

Ein Weg mit Hindernissen

Horst Blumauer, Lkw-Fahrer des Lebensmittel-Großhändlers Jaeger aus Engelskirchen, kennt die Verkehrslage in der Kölner Innenstadt nur allzu gut. Wir haben ihn auf seiner Tour begleitet.
Text: Sina Hoffmann
In Engelskirchen, 35 Kilometer östlich von Köln, ist es noch dunkel, die Straßen sind menschenleer. Nur auf dem Hof des Lebensmittel-Großhändlers Jaeger ist am frühen Morgen schon einiges los. Motoren und Kühlungen brummen. Fahrer verladen Ware, unterhalten sich laut über den Lärm hinweg. Mittendrin: Horst Blumauer. Er ist seit 26 Jahren Lkw-Fahrer und beliefert Kunden aus Gastronomie und Gemeinschaftseinrichtungen in der Kölner Innenstadt mit allem, was in der Küche benötigt wird: frisches Obst und Gemüse, Molkerei- und Tiefkühlprodukte sowie Konserven. Wie so eine Fahrt genau funktioniert, möchten unser Fotograf und ich heute hautnah miterleben und begleiten Horst Blumauer.

Freie Fahrt vor halb acht

Um fünf Uhr machen wir uns auf den Weg Richtung Köln. Das Maskottchen des 1. FC Köln, Hennes, baumelt in der Mitte der Frontscheibe, darüber wippt eine Girlande, an der Rückwand der Fahrerkabine hängt eine Flagge des Fußballvereins. Noch ist wenig los auf den Straßen. „So entspannt wird es nicht bleiben“, lacht der gebürtige Kölner. „Ich versuche, bis um halb acht so viele Kunden wie möglich zu beliefern, später sind die Straßen dicht.“ 13 Kunden stehen auf seiner Liste. In welcher Reihenfolge er sie beliefert, überlegt sich Blumauer vor der Fahrt. „In Regionen mit weniger Verkehr wie dem Bergischen Land wird die Route von der Software geplant, aber in Köln kann man sich nur auf sich selbst und seine Erfahrungen verlassen“, weiß Horst Blumauer aus jahrzehntelanger Praxis.
Ich werde immer wieder von unangekündigten Baustellen überrascht. – Horst Blumauer, Lkw-Fahrer
Um halb sechs erreichen wir den ersten Kunden im Stadtteil Nippes. Die Ladezone vor dem Burger-Restaurant ist von zwei Autos belegt. Blumauer hält auf der Straße und zuckt mit den Schultern: „Wenn ich mich jetzt aufrege, ändert das auch nichts.“ Die Autofahrer wissen, dass ihre Fahrzeuge nur selten abgeschleppt werden. Das Schild „Ladezone“ ignorieren sie deshalb. Blumauers Routine beginnt: Ware ausladen und ins Lager bringen, Pfand einladen, Retourenschein ausfüllen und weiter geht’s. Die Begrüßung ist herzlich, aber kurz. Zeit für Pausen oder Gespräche mit Kundinnen und Kunden hat er kaum. Bei manchen bekommt er ein Heiß- oder Kaltgetränk in die Hand gedrückt, bei anderen gibt es Bonbons für die Fahrt.
Ein ähnliches Bild bei der folgenden Kundschaft: Die Ladezone – sofern es eine gibt – ist durch Falschparkende belegt. Da auf vielen Straßen eine Fahrradspur aufgezeichnet ist, bleibt Blumauer oft nichts anderes übrig, als die komplette Fahrbahn zu blockieren, was wiederum für Hupkonzerte und Schimpftiraden sorgt, die Blumauer aber zu ignorieren gelernt hat. Warten oder weit weg parken – aufgrund der knappen Zeit und der schweren Ware die schlechteren Optionen.

Voller Körpereinsatz

Einige Lieferadressen haben auf ihrem Gelände zwar eigene Be- und Entladeplätze, doch der 15-Tonner passt teilweise nicht durch die engen Einfahrten. Blumauer parkt also wieder auf der Straße und muss den Weg zur Laderampe des Bankhauses im Neumarkt-Viertel laufen. Die schwerbeladenen Rollcontainer hievt er über Bordsteine und manövriert sie die steile Einfahrt hinunter, wobei er sich mit dem ganzen Körper gegen den „Rolli“ stemmt und ordentlich ins Schwitzen kommt. „Das ist ein richtiger Knochenjob. Das Fitnessstudio kann ich mir sparen“, scherzt Blumauer und wird wieder ernst: Er gehe auf die 60 zu und müsse sich Gedanken machen, wie lange er die Arbeit körperlich noch schafft. Die hohen Temperaturen im Sommer belasten ihn zusätzlich. „Ich behalte meine Jacke auch bei 30 Grad an, weil ich immer in die Kühlungen muss.“

Täglich grüßt das Verkehrschaos

Zeit verliert er auch durch Staus, Baustellen und Sperrungen. An diesem Tag verzeichnet der Verkehrskalender der Stadt Köln 90 Straßenbaustellen. „Ich werde aber immer wieder von Baustellen überrascht, die nicht angekündigt wurden.“ Heute bleibt ihm das erspart.
An einer Kreuzung deutet Blumauer nach links Richtung Komödienstraße: „In der Nähe müssen wir den nächsten Kunden beliefern.“ Die Straße ist seit einiger Zeit nur für Fahrradfahrende frei. Der Umweg: vier Kilometer. Es kostet ihn je nach Verkehrslage bis zu fünfzehn Minuten, bis er vor dem Restaurant steht. Klar: Die Innenstädte sollen fuß- und fahrradfreundlicher werden. Doch es drängen sich einfach zu viele Verkehrsteilnehmende in den Straßen. „Als ich als Lkw-Fahrer angefangen habe, wurde weniger bestellt, daher waren auch weniger Lkw unterwegs. Es ist überall voll und eng“, so Blumauer. Besonders Radfahrende, die sich links und rechts am Lkw vorbeischlängeln, seien ein Risiko. Sie sind aus dem Fahrerhaus nicht zu sehen. „Bisher ist zum Glück nichts passiert.“ Gegen zwölf Uhr – nach rund sieben Stunden Konzentration und Kraftanstrengung – lenkt Blumauer den Lkw auf den Hof des Lebensmittel-Großhändlers Jaeger zurück.
„So ist es jeden Tag, manchmal auch noch chaotischer, wenn es zum Beispiel einen Unfall gibt oder eine Messe stattfindet“, resümiert er. Heute sei er gut in der Zeit und könne pünktlich Feierabend machen. Den Nachmittag genießt Blumauer mit seinen zwei Hunden am Rhein – weit weg vom Großstadtverkehr.
Tägliche Touren
Das Familienunternehmen August Jaeger Nachf. GmbH & Co. KG wurde im Jahr 1834 gegründet. Hendrik Pilatzki, der ehrenamtlich als Vizepräsident der IHK Köln aktiv ist, übernahm die Geschäftsführung 2008 in vierter Generation. Neben dem Bereich Großhandel zählen zehn Tankstellen und vier HIT-Märkte zu den Geschäftsfeldern. Über 400 Mitarbeitende beschäftigt das Unternehmen Jaeger, davon 120 im Großhandel. Der Fuhrpark umfasst 25 Fahrzeuge. Ein Lkw beliefert bis zu 15 Verkaufspunkte am Tag, die bis um 22 Uhr am Vortag bestellen können. Geliefert wird nach NRW sowie in Teile von Hessen und Rheinland-Pfalz. Mehr als eine Million Kilometer legen die Fahrerinnen und Fahrer im Jahr zurück.
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