Angemessener Ausgleich

Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters

1. Allgemeines

Nach Beendigung des Vertragsverhältnisses kann der Handelsvertreter vom vertretenen Unternehmen einen angemessenen Ausgleich verlangen. Einzelheiten zu den Voraussetzungen und der Höhe des Ausgleichsanspruchs sind in § 89 b Handelsgesetzbuch (HGB) geregelt.

2. Voraussetzungen des Ausgleichsanspruchs

Nach § 89 b HGB besteht der Anspruch bei Vorliegen folgender Voraussetzungen:
  • das Handelsvertreterverhältnis muss beendet sein,
  • der Unternehmer muss auch nach Vertragsbeendigung erhebliche Vorteile aus den vom Handelsvertreter geworbenen Geschäftsverbindungen haben und
  • eine Ausgleichszahlung muss der Billigkeit entsprechen, wobei insbesondere auch die aus den neu geworbenen Geschäftsverbindungen künftigen und dem Handelsvertreter aufgrund der Beendigung entgehen Provisionszahlungen zu berücksichtigen sind.

2.1 Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses

Der Ausgleichsanspruch entsteht erst mit Beendigung des Handelsvertreterver- hältnisses. Das Verhältnis kann entweder durch Kündigung seitens des vertretenen Unternehmers, durch Ablauf einer Befristung oder durch einvernehmliche Auflösung der Vertragsparteien beendet werden.
Bei einer Kündigung seitens des Handelsvertreters entsteht der Ausgleichsanspruch grundsätzlich nicht. Hingegen entsteht der Ausgleichsanspruch auch bei einer Eigenkündigung des Handelsvertreters, wenn der Handelsvertreter entweder einen begründeten Anlass zur Kündigung hatte oder er das Vertragsverhältnis aus Gesundheits- oder Krankheitsgründen beenden musste. Eine ausgleichserhaltende Kündigung kann der Handelsvertreter auch mit Erreichen des Rentenalters aussprechen.

2.2  Erhebliche Vorteile des vertretenen Unternehmers

Auch nach Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses muss der Unternehmer noch aus Geschäftsbeziehungen zu den Kunden, die der Handelsvertreter geworben hatte, erhebliche Vorteile ziehen. Die Unternehmervorteile stellen die entscheidende Berechnungsgrundlage des Ausgleichsanspruchs dar. Darunter fallen alle Vermögenszuwächse, die der Unternehmer durch die Geschäftsbeziehungen mit den geworbenen Kunden erwarten kann. anhand von Folgeaufträgen und Nachbestellungen wird eine Prognose getroffen. Dabei wird grundsätzlich vermutet, dass die vom Handelsvertreter geschaffenen Geschäftsbeziehungen weiter bestehen.
Neu geworbene Kunden sind diejenigen Kunden, die bei Beginn der Tätigkeit des Handelsvertreters noch keine geschäftlichen Beziehungen mit dem Unternehmen hatten. Darunter fallen aber auch die ‚intensivierten Altkunden‘. Das sind Kunden, die schon geschäftliche Kontakte zum Unternehmen hatten, diese aber aufgrund der Tätigkeit des Handelsvermittlers wesentlich ausgeweitet haben. Eine wesentliche Ausweitung liegt jedenfalls dann vor, wenn preisbereinigt durch den Handelsvertreter eine Verdoppelung des vorgefunden Altkundenumsatzes bewirkt wird.

2.3 Billigkeit

Bei der Zahlung des Ausgleichsanspruchs müssen alle Umstände der Billigkeit berücksichtigt werden. Dabei sind sowohl ausgleichsmindernde als auch ausgleichserhöhende Gesichtspunkte zu berücksichtigen.
Ausgleichsmindernde Faktoren sind beispielsweise Versorgungszusagen des vertretenen Unternehmens, Vertragsverletzungen des Handelsvertreters oder die Übernahme eines bereits eingeführten Markenprodukts. Eine Versorgungszusage wäre mit ihrem Barwert bei der Bemessung der Höhe des Ausgleichsanspruchs zu berücksichtigen. Bei der Übernahme eines Markenproduktes können durch den Bekanntheitsgrad und die daraus folgende Sogwirkung des Produkts in der Praxis Billigkeitsabzüge von 15 bis 30 Prozent gemacht werden.
Unter die ausgleichserhöhenden Faktoren fallen insbesondere die Provisionsverluste. Aber auch erhöhte Aufwendungen bei der Einführung eines neuen Produkts oder eine Beschränkung der Übernahme von Vertretungen während der Vertragsdauer wirken sich anspruchserhöhend aus. Der Ausgleichsanspruch ist durch die entgangenen Provisionen nicht nach oben hin begrenzt. Vielmehr kann er bei entsprechend höheren Unternehmervorteilen oder aus Billigkeitsgründen die Provisionsverluste übersteigen.

3. Berechnungsmethode des Ausgleichsanspruchs

Die Höhe des Provisionsanspruchs richtet sich entweder nach dem festzustellenden Betrag des Rohausgleichs oder aber dem errechneten Höchstbetrag. Der Höchstbetrag begrenzt den Betrag des Rohausgleichs nach oben hin, wohingegen aber ein geringerer Rohausgleich nicht anspruchserhöhend an den Wert des errechneten Höchstbetrages angepasst wird.

3.1 Rohausgleich

Zunächst ist der sogenannte Rohausgleich zu ermitteln. Grundlage hierfür sind grundsätzlich die Provisionen und Vergütungen des Handelsvertreters der letzten 12 Monate seiner Tätigkeit. Dabei sind nur die Beträge heranzuziehen, die mit Neukunden oder ‚intensivierten Altkunden‘ erzielt wurden.
Danach ist der Zeitraum zu bestimmen, während dessen der vertretene Unternehmer voraussichtlich noch Vorteile aus den neu gewonnenen Geschäftsbeziehungen des Handelsvertreters hätte ziehen können. In der Regel wird von einem Zeitraum von 3 bis 5 Jahren auszugehen sein. Während dieser Zeit ist auch eine Abwanderungsprognose zu schätzen, weil auch jedes Jahr Kunden ihre Geschäftsbeziehungen wieder lösen.
Die üblichen Abwanderungsquoten des Marktes können regelmäßig mit ca. 20 % jährlich berücksichtigt werden. Aber auch insoweit ist zu beachten, dass die Abwanderungsquote je nach Einzelfall schwanken kann.  
Beispiel:
Für einen Zeitraum von 4 Jahren errechnet sich der Rohausgleich wie folgt:
Im ersten Jahr nach Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses wird die als Berechnungsgrundlage ermittelte Jahresprovision der letzten 12 Monate zugrunde gelegt abzüglich einer Abwanderungsquote.
Im zweiten Jahr wird der ermittelte Wert des ersten Jahres zugrunde gelegt, allerdings natürlich wieder abzüglich einer Abwanderungsquote.
Im dritten Jahr wird dann der ermittelte Wert des zweiten Jahres zugrunde gelegt, wieder abzüglich einer Abwanderungsquote.
Im vierten Jahr wird dann der ermittelte Wert des dritten Jahres zugrunde gelegt, abzüglich der Abwanderungsquote.
Diese Werte der 4 Jahre sind zusammenzuzählen.
Da der Handelsvertreter den Ausgleichsanspruch jedoch in einer Summe und nicht über die Jahre verteilt erhält, ist noch eine Abzinsung vorzunehmen. Üblicherweise erfolgt eine Abzinsung nach den Multifaktorentabellen von Gillardon oder der Hoffmann’schen Formel.

3.2 Höchstbetrag

Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters ist jedoch der Höhe nach begrenzt. Er beträgt höchstens den Durchschnitt der erzielten Jahresprovisionen bzw. sonstigen Jahresvergütung des Handelsvertreters in den letzten 5 Jahren. Bei kürzerer Tätigkeit für ein Unternehmen errechnet sich der Höchstbetrag anhand des Durchschnittswerts während der Dauer der Tätigkeit für das jeweilige Unternehmen.
Bei der Berechnung des Höchstbetrages werden alle Vergütungen des Handelsvertreters eingerechnet. So ist daher unerheblich, ob die Provisionen durch Geschäftsbeziehungen mit den Neu- bzw. den intensivierten Altkunden erzielt werden konnten oder mit sonstigen Kunden. Zu berücksichtigen ist auch nicht, ob die Provision direkt auf Geschäfte des Handelsvertreters zurückzuführen ist, so wird z.B. auch die Bezirksprovision mit eingerechnet.
Nach der Ermittlung des Höchstbetrages ist dieser dem ermittelten Rohausgleich gegenüberzustellen. Übersteigt der Rohausgleich den Höchstbetrag so wird er durch diesen begrenzt und der Handelsvertreter kann den Höchstbetrag einer Jahresdurchschnittsprovision als Ausgleichsanspruch verlangen. Erreicht der Rohausgleich nicht die Summe des Höchstbetrages, so steht dem Handelsvertreter auch nur der tatsächlich ermittelte und unter dem Höchstbetrag liegende Anspruch in Höhe des Rohausgleichs zu.
Ein Rechenbeispiel:
Der Handelsvertreter hat in den letzten 12 Monaten seines Vertragsverhältnisses 50.000 € an Provisionen erhalten. Die durchschnittliche Abwanderungsquote beträgt 20 %. Es wird wieder ein Prognosezeitraum von 4 Jahren zugrunde gelegt. Insgesamt hat der Handelsvertreter in den letzten 5 Jahren Provisionen von 270.000 € erhalten.
Rohausgleich
1. Jahr nach Vertragsende: 50.000 € ./. 20 % = 40.000 €
2. Jahr nach Vertragsende: 40.000 € ./. 20 % = 32.000 €
3. Jahr nach Vertragsende: 32.000 € ./. 20 % = 25.600 €
4. Jahr nach Vertragsende: 25.600 € ./. 20 % = 20.480 €
= 118.080 €

Abzinsung am Beispiel der Hoffmann'schen Formel
[118.080 € x 100] : [100 + (5[%] x 4)] = 98.400 €
Somit lässt sich ein Rohausgleich von 98.400 € ermitteln.
Höchstbetrag
270.000 € : 5 = 54.000 €
Vergleicht man nun den Rohausgleich mit dem Höchstbetrag, so deckelt hier der Höchstbetrag den Rohausgleich, sodass der Handelsvertreter einen Ausgleichsanspruch in Höhe von 54.000 € gegenüber dem vertretenen Unternehmen hat.

4. Geltendmachung

Achtung: Bei der Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs greift eine Ausschlussfrist. Daher ist der Anspruch auf Ausgleichszahlung innerhalb eines Jahres nach Vertragsbeendigung geltend zu machen. Versäumt der Handelsvertreter diese Jahresfrist, so ist der Anspruch verwirkt. Jedoch wirkt sich hier für den Handelsvertreter erleichternd aus, dass der Anspruch nur geltend gemacht, die genaue Höhe des Anspruchs jedoch nicht direkt beziffert werden muss.

5. Gesetzliche Grundlage

§ 89b HGB lautet:
(1) Der Handelsvertreter kann von dem Unternehmer nach Beendigung des Vertragsverhältnisses einen angemessenen Ausgleich verlangen, wenn und soweit
  1. der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die der Handelsvertreter geworben hat, auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile hat und
  2. die Zahlung eines Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit diesen Kunden entgehenden Provisionen, der Billigkeit entspricht.
Der Werbung eines neuen Kunden steht es gleich, wenn der Handelsvertreter die Geschäftsverbindung mit einem Kunden so wesentlich erweitert hat, dass dies wirtschaftlich der Werbung eines neuen Kunden entspricht.
(2) Der Ausgleich beträgt höchstens eine nach dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre der Tätigkeit des Handelsvertreters berechnete Jahresprovision oder sonstige Jahresvergütung; bei kürzerer Dauer des Vertragsverhältnisses ist der Durchschnitt während der Dauer der Tätigkeit maßgebend.
(3) Der Anspruch besteht nicht, wenn
  1. der Handelsvertreter das Vertragsverhältnis gekündigt hat, es sei denn, dass ein Verhalten des Unternehmers hierzu begründeten Anlass gegeben hat oder dem Handelsvertreter eine Fortsetzung seiner Tätigkeit wegen seines Alters oder wegen Krankheit nicht zugemutet werden kann, oder
  2. der Unternehmer das Vertragsverhältnis gekündigt hat und für die Kündigung ein wichtiger Grund wegen schuldhaften Verhaltens des Handelsvertreters vorlag oder
  3. auf Grund einer Vereinbarung zwischen dem Unternehmer und dem Handelsvertreter ein Dritter anstelle des Handelsvertreters in das Vertragsverhältnis eintritt; die Vereinbarung kann nicht vor Beendigung des Vertragsverhältnisses getroffen werden.
(4) Der Anspruch kann im Voraus nicht ausgeschlossen werden. Er ist innerhalb eines Jahres nach Beendigung des Vertragsverhältnisses geltend zu machen.
(5) Die Absätze 1, 3 und 4 gelten für Versicherungsvertreter mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die der Handelsvertreter geworben hat, die Vermittlung neuer Versicherungsverträge durch den Versicherungsvertreter tritt und der Vermittlung eines Versicherungsvertrages es gleichsteht, wenn der Versicherungsvertreter einen bestehenden Versicherungsvertrag so wesentlich erweitert hat, dass dies wirtschaftlich der Vermittlung eines neuen Versicherungsvertrages entspricht. Der Ausgleich des Versicherungsvertreters beträgt abweichend von Absatz 2 höchstens drei Jahresprovisionen oder Jahresvergütungen. Die Vorschriften der Sätze 1 und 2 gelten sinngemäß für Bausparkassenvertreter.

Hinweis:
Dieses Merkblatt soll - als Service Ihrer IHK - nur erste Hinweise geben und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Obwohl es mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurde, kann eine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen werden.