Ludwig Georg Braun

Gesundheitswirtschaft: Digitalisierung bietet große Chancen

Mit über fünf Millionen Erwerbstätigen gehört die Gesundheitswirtschaft zu den größten deutschen Wirtschaftszweigen. Eine stärkere Digitalisierung dieser Branche durch Telemedizin und E-Health betrifft daher nicht nur die Patienten, sondern auch eine Vielzahl an Arbeitnehmer*innen und nicht zuletzt die Kostenbudgets der Anbieter medizinischer Versorgung und damit auch die Kassen.
Wie wirkt sich die Digitalisierung auf die zukünftige Gesundheitsversorgung aus?
Ludwig Georg Braun: Die Digitalisierung bietet große Chancen zur Qualitätssicherung. Sie verbessert die medizinische Versorgung. Ohne den konsequenten Ausbau und die gezielte Nutzung von E-Health kommt es im ländlichen Raum mittelfristig zu einem abgestuften und schlechten medizinischen Angebot. Denn zunehmender Fachkräftemangel – fehlende Ärzte und Pflegekräfte – gefährdet die Versorgung auf dem Land. Mit Hilfe von Telemedizin und E-Health kann eine bedarfsgerechte medizinische Versorgung auch über größere Entfernungen aufrechterhalten werden.
Die intensivere digitale Vernetzung kann sich auch wirtschaftlich positiv auswirken und so den Finanzierungsdruck auf das GKV-System abmildern. Da wir das Gesundheitssystem ganz überwiegend über das Erwerbseinkommen finanzieren, bietet sich hierdurch die Chance, die zukünftigen Belastungen der Erwerbstätigen und der Betriebe zu dämpfen.
Wie stark werden diese Möglichkeiten heute schon genutzt?
Braun: Die Möglichkeiten von Telemedizin und E-Health decken das gesamte Versorgungsspektrum ab. E-Health hilft bereits bei der Diagnostik. Ein Beispiel hierfür ist, dass kleine Kliniken zur Diagnosestellung Spezialisten aus Häusern der Maximalversorgung einbeziehen: Sie verschicken die Patientendaten, wie beispielsweise Röntgenbilder, elektronisch. Ein weiteres Beispiel sind Apps, mit denen die Bürger ohne unmittelbaren Arztkontakt eine Diagnose erstellen lassen. Häufig genannt wird das Beispiel, dass ein Patient einen verdächtig erscheinenden Leberfleck fotografiert und per App die Aufnahme an einen Dermatologen verschickt, der dann innerhalb von 48 Stunden eine Diagnose erstellt.
Aber auch bei der Behandlung spielt die Digitalisierung zunehmend eine Rolle. So kann bei der Akutversorgung beispielweise ein Experte per Live-Kamera zu einer OP zugeschaltet werden. Zum anderen können Patienten durch Telemedizin und E-Health besser betreut werden. Ein klassisches Beispiel ist die Messung von Vitaldaten, die automatisch an den Hausarzt übermittelt werden. Dabei prüft bereits eine Software, inwieweit diese Werte außerhalb der Norm liegen und gibt dann Alarm.
Diese Anwendungen sind leider meist noch Insellösungen, das heißt nur einzelne dieser Optionen werden bislang durch wenige Leistungserbringer wie Ärzte und Krankenhäuser genutzt. Zudem sind die Anwendungen häufig Selbstzahlerleistungen.
Inwieweit hilft das E-Health-Gesetz der Bundesregierung, die Chancen von Telemedizin und E-Health besser zu nutzen?
Braun: Der aktuelle Entwurf enthält viele sinnvolle Ansätze. So soll die elektronische Gesundheitskarte sinnvollerweise auch als Speichermedium für medizinische Notfalldaten genutzt werden. Hierfür soll es künftig finanzielle Anreize geben. Auch der Datenaustausch zwischen den Leistungserbringern soll verbessert werden. Richtig ist außerdem, dass die Vergütung telemedizinischer Leistungen durch die gesetzlichen Krankenkassen vorangebracht werden soll. Dies wurde allerdings bereits durch das Versorgungsstrukturgesetz aus dem Jahr 2011 versucht, aber die Selbstverwaltung muss offensichtlich noch zum "Jagen" ermuntert werden.
Ein gewisser Teil der Telemedizin bewegt sich rechtlich in einem Graubereich, da in Deutschland das Prinzip der "unmittelbaren" Behandlung gilt, was mitunter auch als Fernbehandlungsverbot bezeichnet wird. Hier bringt das E-Health-Gesetz leider keine echten Fortschritte.
Wie können die IHKs dazu beitragen, dass die Vorteile der Digitalisierung im Gesundheitssektor besser zur Anwendung kommen?
Braun: Die Gesundheitswirtschaft ist ein hochregulierter Wirtschaftsbereich. Unternehmer, die für diesen Wachstumsmarkt neue Anwendungen entwickeln, brauchen deshalb nicht nur wie bei jeder Neugründung die klassischen Unterstützungsangebote. Vielmehr benötigen sie zusätzlich Beratung, welche Hindernisse und Chancen die Gesundheitsversorgung im Speziellen für die Geschäftsidee des Einzelnen beinhaltet. Hierfür kann auch ein Austausch mit anderen Unternehmern, die erste Hürden bereits erfolgreich gemeistert haben, förderlich wirken.
Vernetzung und Information sind also zwei wesentliche Erfolgsfaktoren, die IHKs hier anbieten können. Einige IHKs gehen bereits mit gutem Beispiel voran und haben Arbeitskreise zu den vielfältigen Themen der Gesundheitswirtschaft und medizinischen Versorgung eingerichtet.