Herausforderung Verkehrswende: Knappe Kassen beim ÖPNV

Der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) befindet sich im Umbruch. Dies stellt die privaten Busunternehmer als Rückgrat der Busverkehre vor große Herausforderungen. Für die Fahrer werden wettbewerbsfähige Löhne vergleichbar mit den angrenzenden Bundesländern gefordert. Zudem muss in neue, emissionsarme Fahrzeuge und die zugehörige Infrastruktur investiert werden. Gleichzeitig sollen die Kosten für die Aufgabenträger nicht steigen.
Laut Koalitionsvertrag sollen die Angebote des Nahverkehrs gestärkt und der ÖPNV im Sinne einer sozial und ökologisch gerechten Mobilitätskultur ausgestaltet werden. Mit dem Nahverkehrsgesetz, dass der rheinland-pfälzische Landtag 2021 verabschiedet hat, wurde der ÖPNV diesbezüglich neu
organisiert. Er ist nun eine Pflichtaufgabe der Kommunen. Diese werden allerdings vom Land nicht mit den finanziellen Möglichkeiten ausgestattet, um vollumfänglich dieser Aufgabe nachkommen zu können. Der Landesnahverkehrssplan könnte hier für Klarheit sorgen, allerdings verzögert sich die Aufstellung (schon seit Monaten).
Dabei hat Rheinland-Pfalz im Jahr 2004 das strikte Konnexitätsprinzip eingeführt. Es soll sicherstellen, dass keine kostenintensiven Aufgaben vom Land auf die kommunale Ebene übertragen werden, ohne dass für diese Mehrbelastung ein Ausgleich erfolgt. Beim ÖPNV gerät das System aktuell an seine Grenzen. Der Landkreistag Rheinland-Pfalz veröffentlichte im März dieses Jahres folgende Nachricht:
„Nach den jüngsten Zahlen gehen die 24 Landkreise davon aus, dass ihre Ertragshaushalte im Jahr 2024 addiert mit über 250 Mio. Euro im Minus liegen. […] In erheblichem Maß tragen auch die Kosten der Mobilität (Schülerbeförderung zzgl. ÖPNV) zu dem Absturz der Kreisfinanzen bei. Seit 2017 haben sich nach Berechnungen des Landkreistages die Kosten der Kreise in diesem Bereich unter dem Strich auf über 250 Mio. Euro nahezu verfünffacht.“
Grund dafür sind neben der Ausweitung des Fahrplanangebots zusätzliche Qualitätsanforderungen wie Doppelstockbusse und die gestiegenen Kosten, insbesondere bei Energie und Personal. Die IHK Koblenz fordert daher von der Landesregierung endlich für klare Rahmenbedingungen zu sorgen und die Finanzierung über einen RLP-Index zukunftsfähig aufzubauen.
Axel Zickenheiner
© Zickenheiner
„Rund 80 % der Bus-ÖPNVLeistungen in Rheinland-Pfalz werden von privaten Busunternehmen erbracht.“
Axel Zickenheiner ist Geschäftsführer der Zickenheiner GmbH und Mitglied des Verkehrsausschusses der IHK Koblenz und der DIHK in Berlin. Mit ihm haben wir über den ÖPNV gesprochen.
Wie würden Sie die Lage im ÖPNV beschreiben?

Problematisch beschreibt es: Eine ÖPNV-Offensive der öffentlichen Hand kollidiert mit vielen Akteuren – Bund, Land, Kreise, Städte, Verbünde und Aufgabenträger. Hinzu kommen Fachkräftemangel, die Verkehrswende und steigende Kosten bei einer schwierigen Einnahmesituation.
Was sind die Hauptkostentreiber beim ÖPNV?
Die stark gestiegenen Energie- und Personalkosten, wobei – berechtigterweise – wettbewerbsfähige Löhne vergleichbar mit den angrenzenden Bundesländern gefordert werden. Im ÖPNV verschärft die Einnahmesituation das Problem zusätzlich. Das für die Fahrgäste attraktive 49-Euro-Ticket hat
zunächst noch zu keinen Mehreinnahmen geführt.
Wie sieht die Situation in anderen Bundesländern aus?

In Hessen bspw. gilt seit 2018 ein Kostenindex für Busfahrerlöhne, der eine Lohnsteigerung für 2025 von 15 Prozent bis Ende 2026 berücksichtigt. Die Busunternehmer werden dafür real entschädigt. In Rheinland-Pfalz gibt es keinen Kostenindex; dort wurden zuletzt durchschnittlich 2,5 Prozent Lohnerhöhungen in den öffentlichen Aufträgen festgelegt. Diese Diskrepanz verschärft die Fachkräfteproblematik zusätzlich.
Welche grundsätzlichen Probleme sehen Sie und wie könnte der ÖPNV verbessert werden?

Hauptproblem ist, dass die öffentliche Hand über ihre Nahverkehrspläne Angebote generiert, die oftmals am Kundenbedarf vorbeigehen. Busse fahren tagein, tagaus jede Stunde, losgelöst vom Bedarf und der Nachfrage vor Ort. Mein Großvater hat unser Unternehmen 1928 in der Nähe von Dierdorf gegründet, wo Dorfbewohner regelmäßig in die Kreisstadt wollten und das umständlich privat organisiert haben. Er hat den Bedarf erkannt, einen Bus gekauft und die Menschen dahin gebracht, wo sie hin wollten. Das ist in meinen Augen die Aufgabe des ÖPNV: Fahrgastwünsche antizipieren und ein entsprechendes Angebot erstellen.
Das klingt schwierig.
Der ÖPNV ist ein sehr individuelles und spezielles Geschäft. Meines Erachtens sind die europaweiten Ausschreibungen mit langen Vertragslaufzeiten und großen Losgrößen zu unflexibel in unserer schnelllebigen Zeit. Sowohl für den Auftraggeber, also die Landkreise, als auch die Dienstleister, uns Busunternehmen. Deshalb beteiligen wir uns als Zickenheiner GmbH auch nur noch an ausgewählten öffentlichen Ausschreibungen.

Fabian Göttlich

Geschäftsführer Interessenvertretung und Regionalgeschäftsstelle Stadt Koblenz