Spiele(n) als Geschäft - zwischen Kreativität und Kalkulation

Mit den „Siedlern von Catan“ setzte 1995 ein großer Spielboom ein, der mit Corona verstärkt wurde und bis heute anhält. Mit der Lust der Menschen am Spielen nehmen auch die Angebote zu. Wir stellen drei Spielegeschäfte in der Region vor – und einen Spielehersteller.
Autor: Lothar Schmitz
Weshalb wir Menschen so gerne spielen, darüber haben schon viele kluge Köpfe sinniert. Der wohl berühmteste unter ihnen, Friedrich Schiller, legte bereits 1795 in einer philosophischen Abhandlung seine Gedanken zum Spieltrieb nieder.
„Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt“, schrieb Schiller. Wenn er Recht hatte, dann haben Gerrit Spieß und Mario Stein es jeden Tag mit höchst vollkommenen Menschen zu tun. Seit einem Jahr betreiben sie den Spieleladen „Spieß Stein Papier“ am Koblenzer Friedrich-Ebert-Ring. Sie profitieren nicht nur vom Spieltrieb ihrer Kundschaft, sondern fördern ihn auch nach Leibeskräften.
In dem ungewöhnlichen Ladenlokal im Souterrain fallen zwar viele Spiele ins Auge, vor allem aber jede Menge Tische und Stühle. Weiter hinten gibt es sogar einen Gewölberaum mit weiteren Tischen und Stühlen, bewacht von einem vergnügt blickenden roten Drachen an der Wand. Hier trifft sich regelmäßig die „Rollenspiel“-Community. Aber auch zum „Brettspieltreff “, zum „Trading-Card-Treff “ oder zum „Battletech-Treff “ versammeln sich leidenschaftliche Spielerinnen und Spieler fast jeden Alters an den Tischen.
Damit ist auch schon die Besonderheit des Geschäftsmodells umrissen: Hier kauft man nicht nur Spiele, sondern probiert sie auch aus, trifft sich zum gemeinsamen Spielen, lernt andere Spielbegeisterte kennen und wird Teil einer Gemeinschaft höchst spielfreudiger Menschen.

Jedes Spiel selbst gespielt

Rund 350 verschiedene Spiele haben Spieß und Stein im Angebot. „Alle davon haben wir schon selbst gespielt“, betont Stein, der eigentlich Verfahrensingenieur ist, aber irgendwann doch lieber sein Hobby zum Beruf machen wollte. Und: Alle Spiele gibt es auch einmal offen. Deshalb können er und sein Geschäftspartner jedes Spiel sehr engagiert und am echten Beispiel erklären.
Wer sich dann zum Spielen niederlässt oder zu einem der regelmäßigen Treffs kommt, zahlt vier Euro pro Stunde „Platzmiete“. Kauft man ein Spiel und gibt mindestens 19 Euro aus, dann entfällt die Platzmiete. Kaffee, Tee, Kaltgetränke und Snacks gibt es auch. Die Umsätze und der Kundenstamm wachsen, berichtet Stein. Rund 350 Mitglieder sind in der WhatsApp-Community vernetzt. Zwölf Monate nach Eröffnung sind Spieß und Stein sehr zufrieden. „Unser Laden hat sich schnell etabliert; für eine Neugründung läuft es erstaunlich gut“, freut sich Stein.

Ein Spielraum für alle Generationen

Nur wenige Gehminuten weiter steht ebenfalls alles im Zeichen des Spielens. Vor kurzem eröffnete an der Ecke Friedrich-Ebert-Ring/Löhrstraße der „Reuffel Spielraum“. Der Firmenname ist in Koblenz bekannt: Bereits seit rund 80 Jahren gibt es die Buchhandlung Reuffel, gegründet von der Großmutter des heutigen Inhabers Robert Duchstein. Inzwischen zählen vier Buchhandelsstandorte, ein Concept-Store, ein mit dem Stammgeschäft verbundenes Café, der „ReuffelSALON“ sowie das Spielwaren-Fachgeschäft „Reuffel Spielraum“ zum Unternehmen. Den „Reuffel Spielraum“ gibt es seit vier Jahren, nun wechselte er den Standort und erhielt dabei nicht nur mehr Fläche, sondern auch eine innovative, farbenfrohe Gestaltung.
„Wir wollten einen echten Spielraum schaffen, in dem man sich wohlfühlt, Spiele erleben kann und die Kleinen auch selbst spielen können“, erläutert Teamleiterin Lea Sixel. Ein echter Hingucker sind aber nicht nur die sorgsam ausgewählten Spiele, sondern auch das Farbkonzept des Ladens. Von der Decke über der Kasse beispielsweise blicken einen zwei riesige Augen aus einer blauen, fellartigen Fläche an. Auffällig ist auch ein begehbares Regal in kräftigem Gelb. Zudem gibt es im neuen Laden mehr Platz und breitere Wege, durch die auch ein Kinderwagen oder ein Rollator passen. „Bei uns sollen sich alle Generationen wohlfühlen“, sagt Sixel. Thematische Schwerpunkte sind Kuscheltiere und Gesellschaftsspiele.
Wenige Wochen nach Eröffnung ist der Inhaber sehr zufrieden: „Es läuft richtig gut an.“ Das sei aber nicht nur der Effekt des Neuen. „Mir fällt generell auf “, erklärt Duchstein, „dass die Menschen gerne in die Stadt gehen und vor Ort kaufen, wenn man sie in schönen Räumen empfängt, gut berät und ihnen ein Erlebnis bietet.“

Eigene Puzzle-Serie mit Ahrweiler-Motiven

In Ahrweiler kommen Spielefreundinnen und -freunde nicht nur bei den jährlichen „Spiele-Tagen“ im Kloster Calvarienberg auf ihre Kosten – zuletzt Ende Juni 2025 mit mehr als 150 Gesellschaftsspielen. Ganzjährig lädt auch das Fachgeschäft „Brettspielheld“ in der Altstadt zum Stöbern und Ausprobieren ein. Dort eröffnete Alexander Petkovski 2015 sein gleichnamiges Fachgeschäft.
Kuratierte Auswahl, Beratung, Nischenprodukte, Veranstaltungen – so könnte man das Angebot von Petkovski charakterisieren. 2024 seien weltweit rund 1.700 Spiele neu erschienen, rund ein Drittel davon in deutscher Sprache. Hiervon eine reizvolle Auswahl für Menschen aller Altersgruppen und Spielinteressen zusammenzustellen, das sieht der Brettspielheld als eine wesentliche Aufgabe an. „Wir wollen nicht auf Teufel komm raus verkaufen, sondern das Richtige und das Passende“, sagt er.
Zum Selbstverständnis gehört deshalb auch, die eigene Kundschaft engagiert zu beraten. Und sie spielen zu lassen. Dazu lädt er alle 14 Tage freitagabends zum Spieleabend ein. Zudem organisiert Petkovski jährlich die erwähnten „Spiele-Tage“; in diesem Jahr gemeinsam mit der Stiftung Ahrtal. „Ich möchte so vielen Menschen wie möglich das wunderbare Kulturgut Spiel nahebringen“, bringt er seine Motivation auf den Punkt. Was seit Corona besonders boome, seien Puzzle, erklärt Petkovski. Deshalb hat er das Angebot ausgebaut und um zusätzliche Marken erweitert. Er lässt sogar bei Ravensburger eigene Puzzles herstellen, 1.000 Teile, etwa mit dem Motiv „Ahrtor Ahrweiler“. Auf einem Randstück ist das Logo „Brettspielheld“ zu sehen. Die Nachfrage ist groß.

Besondere Spiele aus einem besonderen Material

Im Bezirk der IHK Koblenz gibt es – neben Spieleläden – auch hochwertige Spiele aus heimischer Herstellung. In Ransbach-Baumbach im Westerwald hat das Unternehmen Clemens Gerhards e. K. seinen Sitz. Der Name ist in der Spiele-Szene bekannt, denn dort stellt man hochwertige Spiele aus Massiv-Buchenholz her. Darunter finden sich Klassiker wie Bao, Mühle und Sternhalma sowie eine ganze Reihe von Autoren-Strategiespielen, oft für zwei Personen. Manche ganz klein für die Tasche, andere durchaus Tisch füllend. Zu den meistverkauften Spielen gehört „Lass die Kirche im Dorf “ mit rund 70.000 verkauften Exemplaren in sieben Jahren.
Das Unternehmen gibt es seit fast neunzig Jahren. Holz ist das verbindende Element über die Jahrzehnte, allerdings produzierte man zunächst Kleinmöbel, dann Bilderrahmen, schließlich auch Aromadeckel aus Holz für Keramikbehälter. Ende der 1990er Jahre stieg plötzlich die Nachfrage nach Brettspielen aus Holz. Die bedient das Unternehmen bis heute.
„Corona brachte nicht nur einen Boom für Zwei-Personen-Spiele“, erzählt Sascha Schauf, dem das Unternehmen seit fünf Jahren gehört, „sondern die Menschen wollten ihr Geld für hochwertige Spiele ausgeben – ohne Plastik.“
Eine weitere Zielgruppe sind Kitas und Schulen, dort sind laut Schauf vor allem Spiele mit Bewegung und einfache Strategiespiele gefragt, die nicht nur kurzweilig, sondern auch langlebig sind.
Zu finden sind die Spiele aus dem Westerwald unter anderem bei manufactum und beim Konradin-Verlag, außerdem in gut sortierten Spiele-Fachgeschäften. Übrigens auch bei Spieß Stein Papier, im Spielraum und bei Brettspielheld.
Sven Klein

Handel (Geschäftsbereich Unternehmensservice)