Unternehmensservice - Ausgabe 07-08/2023

Es läuft wieder rund

In der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 geschah das Unvorstellbare: Die Produktionshalle stand komplett unter Wasser, 20 Millionen Euro Schaden. Heute läuft die Produktion bei der J.M. Schmitt GmbH & Co. KG in Heimersheim wieder auf Hochtouren.
- Autor: Lothar Schmitz –
Die Tür vom Bürotrakt zur Produktionshalle schrammt beim Öffnen über den Boden. Im unteren Teil ist das Furnier verfärbt und aufgequollen. In der Halle sieht hingegen alles tiptop aus. Zumindest für Betriebsfremde. Doris Schmitt und ihr Sohn Stefan hingegen sehen genauer hin. Sie zeigen auf die kleinen Schlammspritzer, die auf manchem Drahtgitter und an verborgenen Stellen der Anlagen noch zu sehen sind. Oder die feine Linie an der Wand, die den Wasserstand vom 15. Juli 2021 erkennen lässt – wenn man es weiß.
Doris und Stefan Schmitt stehen vor jede Menge Rundverpackungen
Doris Schmitt und ihr Sohn Stefan © Lothar Schmitz
Die Flutkatastrophe hatte das 1927 gegründete Traditionsunternehmen an der Ahr hart getroffen. In der kompletten Produktionshalle stand das Wasser zwei Meter hoch, sämtliche Maschinen waren durch Wasser und Schlamm unbrauchbar  geworden. Den unmittelbaren Schaden beziffert Personalchefin Doris Schmitt, die Frau von Erwin Schmitt, der das von seinem Großvater gegründete Unternehmen in dritter Generation führt, mit rund 20 Millionen Euro. Zwischen 15. Juli und Dezember 2021 herrschte kompletter Produktionsstopp. „Da die Versicherung nur einen Bruchteil übernahm, wäre ein Neubeginn ohne die staatliche Wiederaufbauhilfe und die unbürokratische Unterstützung durch unsere Hausbank nicht möglich gewesen“, erzählt sie.

Telefonate mit Kunden und Konkurrenten

Das weitaus größere Problem war aber der Produktionsausfall. Am 15. Juli 2021, als der Wasserstand sank und das ganze Ausmaß der Schäden sichtbar wurde, schnappte sich eine Mitarbeiterin deshalb sämtliche Kundenakten – die Büros im Obergeschoss waren unversehrt geblieben – und fuhr auf einen Parkplatz an der A61, um zu telefonieren. Unten im Ahrtal gab es kein Mobilfunknetz. „Wir haben auch Konkurrenten angerufen und gebeten, einen Teil der Kundenaufträge zu übernehmen“, erzählt Stefan Schmitt, der zusammen mit seinen Brüdern Rainer und Martin die vierte Familiengeneration im Unternehmen stellt. Das seien bittere Stunden gewesen.
Fünf Monate lang ging es dann für die Familie und die rund 30 Beschäftigten darum, aufzuräumen, Schäden zu beseitigen, Maschinen zu zerlegen, zu säubern und zu reparieren und, wenn irgendwie möglich, wieder eine Produktion zu starten. Und zu hoffen, dass die Kunden zurückkommen. Zum Jahresende war es so weit, die erste Anlage konnte wieder in Betrieb gehen.
Seit Dezember 2021 versorgt das Familienunternehmen wieder Kunden mit Rundverpackungen. Mitte 2023 stehen bereits wieder drei Produktionslinien, die Auslastung und auch der Umsatz liegen bei rund 75 Prozent der Zahlen vom Sommer 2021. Tendenz: steigend. „Es läuft gut, denn praktisch alle wichtigen Kunden sind wieder da, wenn auch nicht alle mit 100 Prozent des früheren Auftragsvolumens“, betont Stefan Schmitt. Das Unternehmen konnte zudem Neukunden gewinnen.

Tradition seit 1927

Die Hälfte des Umsatzes macht J.M. Schmitt mit Rundverpackungen für die Lebensmittelindustrie, weitere 30 Prozent mit Abnehmern aus der Tabakindustrie. Die übrigen 20 Prozent verteilen sich auf Hersteller von Düngemitteln und anderen Non-Food-Produkten. Runde Verpackungen waren schon immer Kernthema des Unternehmens. 1927 vor allem Versandhülsen, etwa für Baupläne, seit rund 60 Jahren insbesondere runde Verpackungen für trockene, pulverförmige Substanzen, an die weder Sauerstoff noch Feuchtigkeit geraten dürfen. Salz etwa, Zucker oder auch Tabak. Die runden Verpackungen fertigt das Unternehmen aus Recyclingkarton, nur innen kommen spezielle, hauchdünne Aluminiumbahnen zum Einsatz. Die Wandstärke beträgt insgesamt im Durchschnitt weniger als ein Millimeter. Zwei bekannte Marken, die auf Verpackungen aus Heimersheim setzen, sind Bad Reichenhaller Salz und Diamant Zucker.
30 Millionen Dosen stellt das Unternehmen pro Jahr her. „Die 40 Millionen von vor der Katastrophe schaffen wir bald auch wieder“, sagt Doris Schmitt stolz und zeigt auf die Freiflächen in der großen Halle. „Hier bauen wir bald die erste komplett neue Anlage auf, dann können wir die Kapazität weiter erhöhen.“