Unternehmensservice - Ausgabe 07-08/2022

IHK-Lotsen im Einsatz an der Ahr: ein Erfahrungsbericht

Unzählige Male war Alfred Rosen im Ahrtal: auf Weinfesten, bei Wanderungen auf dem Rotweinwanderweg oder zum Bummeln durch die Ahrweiler Altstadt. Seit Juli 2021 ist er wieder an der Ahr unterwegs: als IHK-Lotse. Das Lotsenteam besteht aus rund 50 ehemaligen Geschäftsleuten und Führungskräften, die ihre Kontakte nutzen und ehrenamtlich Hilfe vermitteln, wo sie dringend gebraucht wird. Nach der Flut waren Alfred Rosen und seine Kolleg*innen besonders gefordert. Ein Erfahrungsbericht.
IHK Lotsen
IHK Lotsen © Linda Hammer
Die Anfahrt nach Rech wurde auf bedrückende und erschütternde Weise zum Abenteuer. Bekannte Straßen waren unpassierbar und erst über Umwege erreichbar. Das vertraute Ortsbild war ausgelöscht. Die Häuser, die das Weinlokal „Altes Pfarrhaus“ umgaben, hatte die Flut hinweggerissen. Der schöne Garten vor dem Lokal, wo man vor der Katastrophe unter schattigen Bäumen guten Wein trinken konnte, war nun ein Kraterloch. Die Innenräume zeigten Überschwemmungsspuren bis zu 2,90 m. Fast das gesamte Inventar hatte die Flut mitgenommen. Keller, Lager, Heizung, Gästetoiletten und vieles mehr waren in einem Zustand, der eher an Endzeit denken ließ. Kein Strom, keine Kanalisation funktionierten. Unzählige freiwillige Helfer, die um uns herum das Haus von Unrat entsorgten, verbreiteten eine positive Stimmung. Und noch bevor ich meinen Aufgaben nachgehen konnte, sagte der Wirt einen entscheidenden Satz: „Bei so vielen helfenden Händen kann ich doch gar nicht aufgeben, oder?“
Wir haben uns auf zwei gerettete Stühlen im ehemaligen Gastraum gesetzt und gemeinsam  erste Schritte erarbeitet. Über mehrere Monate wurden in Absprache mit der IHK Koblenz Voraussetzungen geschaffen, um richtlinienkonforme Anträge bei der ISB in Mainz einzureichen. Gemeinsam haben wir es geschafft, dass nach fast acht Monaten nun eine Fördersumme gezahlt werden kann, mit der das „Alte Pfarrhaus“ in Rech bald wieder hergestellt sein wird.
Vorher, nachher: Der Gastraum im Weinlokal „Altes Pfarrhaus“

Jungunternehmern unter die Arme greifen

Die Flut hatte bei der Lorenzen Dreh- und Frästechnik GmbH in Walporzheim fast den gesamten Maschinenpark unbrauchbar gemacht. Besonders tragisch war, dass die Inhaber in der Unternehmensnachfolge diese Firma samt vier Mitarbeitenden erst zwei Wochen vor der Flut erworben hatten. Über Nacht war der unternehmerische Start in die Selbstständigkeit jäh gestoppt worden. Trotz großem Schaden begegneten mir die beiden Jungunternehmer mit einer ermutigenden Offenheit und Hoffnung. In der großen Betriebshalle waren die Mitarbeitenden bereits damit beschäftigt, Maschinen, Halb- und Fertigprodukte zu reinigen. Maschinen, deren Wiederbeschaffungswert in einer hohen sechsstelligen Eurosumme liegt, waren beschädigt bis unbrauchbar. Als Lotse habe ich meine Erfahrung, meine Kontakte und Know-how in die weitere Planung des Wiederaufbaus einfließen lassen.

Fallstrick Förderanträge

Zur Firma Schmickler in Walporzheim wurde ich gerufen, als kaum noch Spuren der Katastrophe zu sehen waren. Macht da ein Lotseneinsatz noch Sinn? Wie mir aus dem ersten Gespräch mit Frau und Herrn Schmickler, den Inhabern, dargelegt wurde, haben sie sich selbst nach der Flutkatastrophe um alles gekümmert. Es ging bei dem Lotseneinsatz vielmehr um die Frage, warum hören wir seit Monaten nichts von der ISB in Mainz?
Der Messebau als Kerngeschäft wurde durch Corona fast ausnahmslos eingestellt. Herr und Frau Schmickler versuchten, mit einer alternativen Geschäftsidee auszugleichen. Doch dann kam die Flut. Herr Schmickler berichtete mir, dass sich viele Menschen einbrachten, die mithalfen, die Betriebstätte wieder funktional herzurichten und das Privathaus, in dem sich auch die Büros befinden, nutzbar zu machen. Aus dieser breiten Solidarität heraus konnte das Unternehmen seine Kernkompetenzen auf den Neuanfang und Ausbau zur Manufaktur für Küchen und Innenausstattung konzentrieren. Mit dem Votum der IHK und durch die Begleitung eines Lotsen konnte die ISB überzeugt werden, so dass das Unternehmen zwischenzeitlich Mittel aus der Fluthilfe erhalten hat.

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