Interessenvertretung - Ausgabe 07-08/2022

Engpass Gewerbeflächen

Gewerbegebiete zukunftsfähig gestalten

Die verheerenden Überschwemmungen der Ahr und Nette im Sommer 2021 haben gezeigt, wie verletzlich Rheinland-Pfalz für Starkwetterereignisse ist. Dabei sind Gewerbegebiete besonders anfällig, weil dort bis zu 80 Prozent der Fläche versiegelt werden. Extreme Regenmengen können dann unter Umständen nicht mehr abfließen. Die Ansprüche, die mit der Neuplanung oder der Erweiterung von Gewerbegebieten einhergehen, wachsen. Dabei müssen die unterschiedlichen Interessen unserer Unternehmen, Politik und Natur in Einklang gebracht werden.
Der Engpass an Industrie- und Gewerbeflächen im IHK-Bezirk hat sich in den vergangenen Jahren erheblich verschärft. Zugleich sind die Anforderungen an Gewerbegebiete deutlich gestiegen. Vor diesem Hintergrund haben sich die IHKs in Rheinland-Pfalz und der Metropolregion Rhein-Neckar mit der Zukunft von Gewerbegebieten befasst. Dabei spielen die Aspekte „Interkommunale Zusammenarbeit“, „Aufwertung von Bestandsgebieten“ und „Anpassungen an den Klimawandel“ eine besondere Rolle.
Angesichts der knappen Flächenressourcen eröffnet die Zusammenarbeit verschiedener Kommunen bei der Schaffung von Gewerbegebieten neue Möglichkeiten. Dabei gibt es jedoch keine Organisationsform, die für alle Kooperationen passt, vielmehr handelt es sich um einen ständigen Lern- und Kommunikationsprozess. Weil es im Landkreis Mayen-Koblenz trotz eines hohen Bedarfs nur eine sehr begrenzte Verfügbarkeit von Industriegrundstücken gab, empfahl ein Gutachten eine interkommunale Lösung. Der Fokus hat dabei auf der Schaffung großflächiger Industriegrundstücke gelegen. Heute sind auf 70 Hektar 14 Unternehmen mit rund 4.000 Beschäftigten angesiedelt. Ein weiteres Beispiel ist der Industriepark Region Trier (IRT). Das 27,5 Hektar große, ehemalige Militärgelände der französischen Streitkräfte lag in der Zuständigkeit mehrerer Ortsgemeinden und Kreise. Es folgten die Definition gemeinsamer Entwicklungsziele und Entscheidungsmechanismen. Zuständigkeiten wie Planungshoheit, Vorkaufsrechte oder der Bau und die Unterhaltung von gemeindlichen Anlagen wurden übertragen und eine Organisationsstruktur aufgebaut.

Bestand sichern

Neben der Schaffung neuer Gewerbegebiete ist auch die Weiterentwicklung bestehender Gewerbegebiete für Kommunen und die Betriebe der Region eine essenzielle Stütze. „Bestand hat Zukunft“, erklärte Tobias Kurka von der Wirtschaftsförderung Frankfurt, die das Pilotprojekt zur Weiterentwicklung eines rund 120 Jahre alten Industrie- und Gewerbestandorts im Frankfurter Osten begleitet. Um Veränderung zu erzielen, sei es wichtig gewesen, dass man an die Unternehmen nicht mit abstrakten Zielen herangetreten sei, sondern Nachhaltigkeit auf konkrete Projekte heruntergebrochen habe und viel Wert auf Kooperation gelegt habe. Dabei ging es um die Vernetzung der Unternehmen, Klimaschutzoptimierung, die Steigerung der Attraktivität des Standortes, einen flächendeckenden Glasfasernetzausbau oder die Erneuerung des Straßennetzes in dem Areal.
Die Architekten Lena Wilke und Marc Weber vom Bauunternehmen Goldbeck aus Bielefeld haben eine Agenda „Flächensparend bauen für Unternehmen“ geschaffen. Diese umfasst unter anderem eine flächeneffiziente Planung, eine professionelle Bedarfsermittlung, intelligente Konzepte zur Verdichtung und flexiblen Flächennutzung sowie die gegenseitige Inspiration. Weiteres Potenzial bietet auch ein sogenanntes Flächensharing, bei dem etwa Zufahrten, Verkehrsflächen oder Außenanlagen von verschiedenen Unternehmen gemeinsam genutzt werden.

Klimawandel im Blick

Auch klimaregulierende Grünflächen, Dach- und Fassadenbegrünung, schattenspendenden Bäumen, Hecken sowie die Entsiegelung von Flächen – etwa durch die Verwendung von Rasengittersteinen für Parkplatzflächen – sind Aspekte, die bei der Planung von Gewerbegebieten zu beachten sind.
Bei der Umgestaltung des Betriebsgeländes der Rowe Mineralölwerk GmbH in Worms hat man unter anderem ein Versickerungsbecken, eine Totholzhecke, einen Teich, eine Naturwiese, Steinhaufen und Nisthilfen für Vögel angelegt, dazu mehrere Insektenhotels. Überrascht sei man gewesen, wie schnell sich die Natur ausgebreitet und die Artenvielfalt in den neuen Nischen zugenommen habe. „Am Anfang wurden wir oft belächelt“, so Immo Kosel, Vertriebsleiter und Mitglied der Geschäftsleitung. „Aber mit zunehmender Dauer konnten wir zum Mitmachen motivieren.“