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Neue Wege in den Job - Von der Teilqualifikation zur Festanstellung
In einem neuen Land Fuß zu fassen und dabei auch beruflich anzukommen, ist nicht einfach – besonders ohne anerkannte Zeugnisse. Genau hier setzen Teilqualifikationen an. Sie eröffnen Menschen mit ausländischen Abschlüssen die Chance, ihre Fähigkeiten gezielt weiterzuentwickeln und in Deutschland beruflich durchzustarten.
Ein Beispiel dafür ist das TQ-Programm der Wifa-Gruppe in Koblenz im Bereich Büromanagement. Von ursprünglich 38 Interessenten starteten schließlich 16 Erwachsene mit Migrationshintergrund die Qualifizierung. Alle brachten berufliche Erfahrungen aus ihren Heimatländern mit, doch fehlende Nachweise erschwerten den Einstieg in den deutschen Arbeitsmarkt.
Für Tetiana Moisieieva war die Teilqualifikation ein beruflicher Wendepunkt, heute arbeitet sie festangestellt bei Sportorthopädie Rosenbach. Ihre Beraterin beim Jobcenter Koblenz hatte sie auf die Möglichkeit einer Teilqualifizierung hingewiesen. Diesen Weg würde sie auch anderen Menschen aus der Ukraine empfehlen: „Viele von uns bringen eine gute Bildung und umfassende Berufserfahrung mit. Doch in einem anderen Land ist vieles anders. Teilqualifikationen helfen dabei, neues Wissen zu erwerben und beruflich Fuß zu fassen.“ Natürlich gab es auch Herausforderungen, die sie erst meistern musste: „Als ich aus der Ukraine nach Deutschland gezogen bin, musste ich die neue Sprache lernen und mich an eine neue Kultur anpassen. Es war schwierig, mit Menschen aus verschiedenen Nationen zu kommunizieren, ohne Sprachkenntnisse kann man nichts erreichen. Es war nicht beängstigend für mich – aber es war schwer. Angst, das ist der Krieg, der einen verfolgt, auch hier, 2.000 Kilometer von der Heimat entfernt.“
Für Tetiana Moisieieva ist die Sprache der Schlüssel: „Ich denke, man sollte ständig lernen und neue Ziele verfolgen. Ohne Wissen gibt es keine Entwicklung. Mein Hauptziel ist es, Deutsch zu lernen, um mich frei verständigen zu können – aber auch im Bereich Marketing möchte ich mich weiterbilden.“
Auch für Sümeyra Ablak war der Spracherwerb eine große Herausforderung: “Die Fachbegriffe auf Deutsch und die berufsspezifischen Ausdrücke zu lernen, war anfangs ziemlich schwierig. Aber durch kontinuierliches Lernen und die Unterstützung meiner Kollegen habe ich auch das erfolgreich gemeistert.“ Nach dem Abschluss ihrer Teilqualifikation fand sie eine Festanstellung als Fachassistentin Leistungsgewährung SGB II im Jobcenter Rhein-Hunsrück: „Für Menschen mit internationaler Ausbildung bietet dieses TQ-Programm eine große Chance für die berufliche Entwicklung. Das Programm, das theoretisches Wissen mit praktischen Anwendungen kombiniert, erleichtert die Anpassung an die Arbeitswelt und unterstützt die Integration in den Arbeitsmarkt.“ Ihre Kenntnisse will sie auch zukünftig weiter vertiefen: „Mein Ziel ist es, mein Wissen an das deutsche Management- und Organisationssystem anzupassen. Ich plane, weitere Fortbildungen und Zertifikate zu erwerben und langfristig mehr Verantwortung zu übernehmen, um meine berufliche Entwicklung fortzusetzen.“ Für ihren neuen Arbeitgeber Frank Retzler, stellvertretender Geschäftsführer des Jobcenters Rhein-Hunsrück, so: „Wir empfehlen, immer offen zu sein für Bewerberinnen und Bewerber mit Migrationshintergrund und Teilqualifikation. Wir haben gute Erfahrungen gemacht.“
Wie wirksam Teilqualifikationen sind, zeigen auch die Zahlen: Nur drei Monate nach Abschluss der Maßnahme haben bereits 40 % der Absolventen eine feste Anstellung oder vielversprechende Vorstellungsgespräche.
„Ein offener Blick auf Potenziale lohnt sich“
Interview mit Anja Debernitz, Sporthopädie Rosenbach
Anja Debernitz, Sportorthopädie Rosenbach
Frau Debernitz, was hat Sie dazu bewogen, Frau Moisieieva einzustellen?
Frau Moisieieva hat uns mit ihrer Erfahrung im Marketing und ihrer Lernbereitschaft überzeugt. Sie bringt wertvolles Fachwissen aus der Ukraine mit und hat gleichzeitig gezeigt, dass sie sich engagiert in die deutschen Büroabläufe einarbeitet. Durch die Teilqualifikation hat sie zusätzliches Hintergrundwissen erworben, das gerade im Marketingbereich wichtig ist. Für uns war entscheidend, eine talentierte und motivierte Mitarbeiterin zu gewinnen, die unser Team bereichert.
Welche Rolle spielte der erfolgreiche Abschluss der Teilqualifikation bei Ihrer Entscheidung?
Die Teilqualifikation im Büromanagement war ein wichtiger Faktor, weil sie zeigt, dass Frau Moisieieva bereit ist, sich weiterzubilden und neue Fähigkeiten zu erwerben. Gerade für jemanden, der noch wenig Erfahrung mit deutschen Bürostrukturen hat, ist eine solche Qualifikation ein starkes Signal für Engagement und Anpassungsfähigkeit. Sie gab uns auch die Sicherheit, dass sie administrative Aufgaben im Büro sicher bewältigen kann.
Welche Tipps haben Sie für andere Arbeitgeber, die über die Einstellung von TQ-Absolventen nachdenken?
Mein Tipp ist, nicht nur auf klassische Abschlüsse oder Berufserfahrungen zu achten, sondern auch die Motivation und Lernbereitschaft in den Blick zu nehmen. Teilqualifikationen sind eine wertvolle Brücke in den Arbeitsmarkt – besonders für Menschen, die sich beruflich neu orientieren oder aus einem anderen Land kommen. Ein offener Blick auf Fähigkeiten und Potenziale lohnt sich – für das Unternehmen genauso wie für die neuen Mitarbeitenden. Jeder verdient die Chance, seine Stärken unter Beweis zu stellen, und genau dafür gibt es die Probezeit.
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„Teilqualifikation eröffnet Erwachsenen neue berufliche Perspektiven und hilft Unternehmen, den Fachkräftemangel zu bekämpfen. Es ist inspirierend zu sehen, wie Teilnehmende ihre Chancen ergreifen und erfolgreich durchstarten.“
Karin Schmitt, Stellvertretende Teamleiterin, Jobcenter Koblenz
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„Wir sind stolz auf den Erfolg der TQ-Maßnahme, bei der alle 16 Teilnehmer ihre Kompetenzen ausbauten und einen formalen Nachweis für den Arbeitsmarkt erlangten. Diese Maßnahme zeigt eindrucksvoll, wie Teilqualifikationen die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund in den Arbeitsmarkt ermöglichen können.“
Mira Seifert, Bildungsreferentin, Wifa Gruppe GmbH
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Informationen zu kommenden TQ-Infoveranstaltungen und Anmeldung finden Sie hier.
Betrieblicher Integrationslotse |
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Unternehmen, die Mitarbeitende aus verschiedenen Kulturkreisen beschäftigen, stehen vor besonderen Herausforderungen. Das Seminar „Betrieblicher Integrationslotse“ hilft, kulturelle Unterschiede zu verstehen und kreative Lösungsansätze zu entwickeln. In sechs Modulen und fünf Themenfeldern wird die interkulturelle Zusammenarbeit aus verschiedenen Perspektiven betrachtet. Ziel ist es, eine offene und inklusive Unternehmenskultur zu fördern und ein starkes Netzwerk zu entwickeln.
Starttermine der neuen Seminare: 10. Juni und 7. Oktober 2025.
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Kontakt

Diana Michel
Ausbildungs- und Weiterbildungsmarketing (Geschäftsbereich Aus- und Weiterbildung)