Erste Hilfe für Unternehmen in der Krise
Jedes Unternehmen kann in eine Krise geraten – sei es durch externe Einflüsse wie Marktschwankungen oder interne Probleme wie Managementfehler. Entscheidend ist, Krisen frühzeitig zu erkennen und gezielt gegenzusteuern. Mit Dr. Werner Boysen, Managementberater und Interim-Manager, haben wir über typische Krisenursachen, mögliche Lösungsansätze und präventive Maßnahmen gesprochen.
Dr. Werner Boysen, Mitglied des Industrieausschusses der IHK Koblenz, ist Managementberater und Interim-Manager sowie Autor diverser Fachbücher, zuletzt erschienen: „Nachhaltige Bewältigung von Unternehmenskrisen“ (Haufe-Verlag 2025).
Welche zentralen Ursachen führen am häufigsten zu Unternehmenskrisen?
Zu den Hauptursachen für wirtschaftliche Krisen zählen eine falsche Einschätzung der Marktentwicklung, mangelnde Innovationskraft und eine zu späte und unzureichende Anpassung der Organisation an veränderte Rahmenbedingungen. Nicht nur Marktleistungen, sondern ganze Wertschöpfungskonzepte und Geschäftsprozesse sowie strategische Konzepte müssen bei maßgeblichen Veränderungen konsequent angepasst werden.
Welche typischen Fehler machen Unternehmen, wenn sie in eine Krise geraten?
In Krisensituationen machen Unternehmen oft die gleichen Fehler: Sie reagieren zu spät und nicht entschlossen genug, setzen ausschließlich auf Kostensenkung und/oder kommunizieren unzureichend. Häufig wird zu lange an überholten Geschäftsmodellen festgehalten. Vor allem wird oft die Liquiditätsplanung vernachlässigt. Ein weiteres Problem: Viele versuchen, die Krise allein zu bewältigen, statt frühzeitig externe Sanierungsexpertise einzubeziehen. Weder die Fähigkeiten noch die Ressourcen für wirksames Krisenmanagement sind im normalen Geschäftsbetrieb von Unternehmen angelegt und vorgesehen.
Wie können Unternehmen frühzeitig erkennen, dass sie sich auf eine Krise zubewegen? Welche Warnsignale sollte man ernst nehmen?
Ein erstes Warnsignal ist, wenn immer mehr Vertriebsaufwand nötig ist, um den gleichen Umsatz zu erzielen. Auch rückläufige Auftragseingänge und schwindende Margen des Auftragsbestandes deuten auf Probleme hin. Wer sieht, dass sich zentrale Kennzahlen wie die Deckungsbeiträge oder die Liquidität über Monate verschlechtern, sollte dringend gegensteuern. Entscheidend ist, nicht erst zu handeln, wenn die wirtschaftliche Krise eingetreten ist, sondern frühzeitig Ursachen für Fehlentwicklungen zu ergründen und wirksame finanzwirtschaftliche, strategische und operative Maßnahmen einzuleiten, um gegenzusteuern.
Welche konkreten Maßnahmen können Unternehmen ergreifen, wenn sie in eine Krise geraten?
Krisenmanagement für Unternehmen erfordert gezielte "Erste-Hilfe"-Maßnahmen, ähnlich wie bei einem medizinischen Notfall. Ein strukturiertes und besonnenes Vorgehen ist entscheidend, um handlungsfähig zu bleiben und langfristig wieder auf Kurs zu kommen. Zuerst muss die Notfallsituation erkannt und schnell beurteilt werden. Eine ehrliche Analyse der Lage anhand finanzieller Kennzahlen ist der erste Schritt, um angemessene Maßnahmen einzuleiten. Der nächste Schritt ist die Erhaltung der Lebensfunktionen des Unternehmens: Der Geschäftsbetrieb muss weiterlaufen. Krisen-PR-Maßnahmen und transparente Kommunikation sind wichtig, um das Vertrauen und die Motivation von Mitarbeitenden, Kunden und Partnern zu ihrem weiteren Engagement zu bewahren. Gleichzeitig müssen die operativen Kernprozesse gesichert werden. In der Krise ist die Reanimation der Liquidität entscheidend. Unnötige Ausgaben müssen schnell identifiziert und zurückgefahren werden. Auch die Prüfung von finanziellen Hilfen oder Krediten kann wichtig sein, um die Zahlungsfähigkeit zu sichern. Schließlich gilt es, den Geldabfluss zu stoppen. Dies kann durch eine strategische Repositionierung, durch eine Straffung des Artikelportfolios, durch eine Konzentration auf Kundensegmente und Teilmärkte mit hoher Zahlungsbereitschaft und durch effizienzsteigernde Maßnahmen geschehen. Oft können sogar gezielte Preissteigerungen durchgesetzt werden.
Welche präventiven Strategien empfehlen Sie Unternehmen, um sich langfristig krisenfest aufzustellen und wirtschaftliche Unsicherheiten abzufedern?
Um wirtschaftliche Unsicherheiten abzufedern, bedarf es einer Kombination aus vorausschauender Planung, Flexibilität und Innovationskraft. Anpassungsfähigkeit wird zunehmend zum Erfolgsfaktor – starre Strukturen und festgefahrene Prozesse bergen Risiken. Unternehmen, die offen für Veränderungen sind und auf neue Rahmenbedingungen agil reagieren, können sich besser behaupten. Wer sich regelmäßig mit Alternativen beschäftigt, schafft sich nachhaltige Wachstumsperspektiven. Heinz von Foerster, österreichisch-amerikanischen Physiker und Kybernetiker, fasst es wie folgt zusammen: „Entscheide stets so, dass du nach der Entscheidung mehr Möglichkeiten hast als davor.“
Verträge im Blick behalten
Wer sein Unternehmen stabilisieren will, muss auch rechtliche Grundlagen hinterfragen:
- Gesellschaftsverträge aktuell halten Gesellschaftsverträge bilden das Fundament unternehmerischer Handlungsfähigkeit. Sind Beschlussfassungen noch praktikabel? Sind Zustimmungs- und Genehmigungserfordernisse angemessen? Eine flexible und gut strukturierte Regelung ermöglicht schnelle Entscheidungen und verhindert Blockaden.
- Bestehende Verträge auf den Prüfstand stellen Besonders bei Dauerschuldverhältnissen lohnt sich eine kritische Analyse. Verträge, die vor Jahren ausgehandelt wurden, entsprechen oft nicht mehr den aktuellen wirtschaftlichen Gegebenheiten. Nachverhandlungen oder alternative Gestaltungsoptionen können helfen, die Wirtschaftlichkeit zu optimieren und finanzielle Engpässe zu vermeiden.
Ansprechpartnerinnen: Julia Kapp, Telefon 0261 106-217, E-Mail: kapp@koblenz.ihk.de, Stefanie Höfler, Telefon 0261 106-246, E-Mail: hoefler@koblenz.ihk.de.
Kontakt

Susanne Baltes
Unternehmensgründung, -sicherung, -nachfolge (Geschäftsbereich Unternehmensservice)

Stefanie Wingender
Rechtsanwältin (Syndikusrechtsanwältin) – Recht und Steuern (Geschäftsbereich Unternehmensservice)