Wichtige Produkte für eine bessere Teilhabe

Inklusion ist in Deutschland ein gesellschaftliches und politisches Ziel. Im IHK-Bezirk Koblenz gibt es eine Reihe von Unternehmen, deren Produkte und Dienstleistungen das Leben von Menschen mit Beeinträchtigungen leichter machen. Wir stellen in unserem Themenschwerpunkt drei Betriebe vor.
Autor: Lothar Schmitz
Das Rhein-Museum Koblenz, das Deutsche Literaturmuseum Berlin und das Museum „Westfälische Salzwelten“ in Bad Sassendorf haben auf den ersten Blick wenig gemeinsam. Doch genau darum geht es: Blicke. Denn alle drei Institutionen bieten auch Menschen, die sehbeeinträchtigt oder blind sind, Orientierung und ermöglichen ihnen Einblicke. Sie setzen auf Erläuterungen in Braille-Schrift oder taktilen Schriften. Und dabei auf denselben Anbieter: die Kreye Siebdruck GmbH aus Koblenz.
Das 1908 gegründete Unternehmen hat sich auf klassische Siebdruckprodukte, etwa Schilder, und Druckveredelungen, zum Beispiel Druckerzeugnisse mit Duftlacken oder Thermofarbe, spezialisiert. Und: auf den erhabenen Druck von Blinden- und Taktilschrift. „Erhaben“ heißt: Damit sehbeeinträchtigte Menschen die Braille-Schrift, die sich aus Punkten zusammensetzt – bis zu sechs Punkten pro Buchstabe –, lesen, sprich: ertasten können, muss sie sich vom Untergrund abheben. Und zwar laut Vorschrift um 0,4 Millimeter. Ob Türschilder, Leitsysteme oder Erläuterungen bei Museumsexponaten – Kreye bedruckt sie mit Braille-Schrift.
Zu den Kunden zählen neben Museen, Schulen und Kindergärten auch zahlreiche öffentliche Verwaltungen. Auch Visitenkarten oder Infoflyer in erhabener Braille-Schrift sind möglich. Sogar QR-Codes. Oder genauer: ein erhabener quadratischer Rahmen, der Sehbeeinträchtigten signalisiert, dass sie in dessen Mitte einen QR-Code finden, der dann zu einem Audioangebot im Web führt. Um Materialien – insbesondere bei Einzelstücken – kostengünstiger drucken zu können, investierte das Unternehmen Mitte des Jahres 2024 in eine digitale Druckmaschine, die Blindenschrift und taktile Schrift drucken kann. „Die erste dieser Art in Deutschland“, betont Peter Siebenmorgen, erfahrener Druckexperte und „Berater für fühlbare Kommunikation“ bei Kreye. Hohe Auflagen mit Blindenschrift-Veredelung werden bei Kreye nach wie vor im Siebdruck produziert.
Was das Koblenzer Unternehmen ebenfalls kann: taktile Schrift, auch „Pyramidenschrift“ genannt. Sie ist sogar 0,8 Millimeter erhaben und kommt beispielsweise auf Handlaufschildern an Bahnhöfen zum Einsatz. Für ein Museum in Quedlinburg druckte Kreye gerade einen kompletten Grundrissplan in Pyramidenschrift.

Lesegeräte, Vorlesegeräte, Spezialdrucker

Auch bei den beiden Schwesterunternehmen RHZ und Novotech aus Zell an der Mosel steht Inklusion im Zentrum des Geschehens. Das Geschäftsmodell: Das Team rund um Inhaber und Geschäftsführer Stephan Binz identifiziert den technischen Hilfsbedarf von Menschen mit Sehbeeinträchtigung. Das Spektrum reicht von Vergrößerungsgeräten über Bildschirmlese- und Vorlesegeräte bis zu Braille-Schriftfähigen Spezialdruckern. Wenn geklärt ist, was die sehbeeinträchtigte Person benötigt, um angemessen am Berufs- und gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können, erstellt Binz oder jemand aus seinem Team einen Bericht für den behandelnden Arzt oder die Ärztin. Diese verordnen dann die benötigten Hilfsmittel. Auch beim Antrag auf Kostenübernahme beim jeweiligen Kostenträger ist Binz behilflich.
Ist die Kostenübernahme geklärt, ordert RHZ die benötigten Geräte und Komponenten bei den Herstellern. „Der Markt ist überschaubar, es gibt nur rund 20 Lieferanten in Deutschland“, sagt Binz. Die kennt er alle. Nach der Lieferung konfiguriert RHZ die Geräte und installiert sie bei dem jeweiligen Kunden oder der Kundin. Meist sind es Privatpersonen, die über ihre Arztpraxis oder Blindenvereine auf RHZ aufmerksam werden. Doch auch Unternehmen wenden sich an Binz, etwa wenn sie einen Computer-Arbeitsplatz für Menschen mit Sehbeeinträchtigung umrüsten wollen oder eine spezielle Softwareanpassung benötigen, die es beispielsweise ermöglicht, den angezeigten Bildschirmtext stark zu vergrößern oder per Sprache auszugeben.

Ausbildung für den ersten Arbeitsmarkt

In Neuwied widmet sich das Heinrich-Haus, eine gemeinnützige GmbH, Menschen mit Körper-, Lern- und Sinnesbehinderungen. Es gehört zur Josefs-Gesellschaft Köln, die mit vielfältigen Einrichtungen für Menschen mit Behinderung, Schulen, Werkstätten, Krankenhäusern und Seniorenheimen bundesweit tätig ist.
Eine Leistung des Heinrich-Hauses: berufliche Bildung. Getragen von der Überzeugung, dass eine gute berufliche Bildung und die Integration auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt die beste Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben sind, qualifiziert das Heinrich-Haus junge Menschen mit Behinderung in mehr als 30 Berufen. Einer davon: „Kaufmann/Kauffrau für E-Commerce“. „Wir haben zurzeit zwölf Azubis in diesem spannenden und vielseitigen Beruf“, erzählt Ausbilder Dennis Ritz.
Sie lernen dabei quasi „am echten Objekt“: Seit vier Jahren gibt es einen eigenen Onlineshop, heinrichs-handgemachtes.de, der von den Azubis maßgeblich mitbetreut wird. Die Ausbildung folgt der offiziellen IHK-Ausbildungsordnung, nimmt dabei aber zugleich Rücksicht auf die besonderen Bedürfnisse der jungen Menschen.
Aufgabe aller an der Ausbildung beteiligten Mitarbeitenden ist es, Ermöglicher und Begleiter in der individuellen Entwicklung der Azubis zu sein, verbunden mit dem Ziel, dass diese ihren eigenen Weg in Beruf und Gesellschaft gestalten und erfolgreich gehen. Damit der Übergang in ein Unternehmen klappt, sorgt das Heinrich-Haus bis ein Jahr über die Ausbildung hinaus für eine Integrationsbegleitung. „Wir haben eine hohe Erfolgsquote“, berichtet Ritz. Besonders stolz war er vor wenigen Tagen in Berlin. Dorthin hatte er einen ehemaligen Azubi begleitet, der dieses Jahr seine Abschlussprüfung gemacht und eine Anstellung gefunden hat. In Berlin wurde er als bester Azubi Deutschlands in seinem Beruf geehrt.

Inklusion

Inklusion ist die Möglichkeit, dass jeder Mensch umfassend und gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilnehmen kann. Gemeint ist eine echte Teilhabe, und diese darf nicht von individuellen Fähigkeiten abhängen. Inklusion heißt somit auch, das Umfeld so anzupassen, dass es den Bedürfnissen der Menschen entspricht – nicht umgekehrt.

Einheitliche Ansprechstellen für Arbeitgeber

Immer mehr Unternehmen in immer mehr Branchen suchen dringend Ausbildungsnachwuchs und Fachkräfte. Gleichzeitig könnten noch mehr Potenziale ausgeschöpft werden, wie zum Beispiel das IHK-Bildungsforum „Neue Wege der Fachkräftesicherung“ im September 2024 zeigte. Bei der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung beispielsweise ist noch „viel Luft nach oben“.
Christian Einig
"Bei uns erhalten interessierte Unternehmen schnell und unbürokratisch Zugang zu den passenden Unterstützung- ]und Förderangeboten und Hilfe bei der Beantragung von Leistungen. Auch bei der Vermittlung können wir unterstützen in Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit und unserem Inklusionsnetzwerk“, so Christian Einig, Einheitliche Ansprechstelle für Arbeitgeber Montabaur. © Christian Einig

Unternehmen, die dafür offen sind, finden bei den sogenannten Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber (EAA) bundesweit Rat und Unterstützung bei der Ausbildung, Einstellung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen. Die EAAs erklären, was alles rechtlich und organisatorisch zu beachten ist, welche technischen Arbeitshilfen und welche finanziellen und personellen Förderungen es gibt. Sie helfen auch bei der Antragstellung und klären bei Leistungsträgern Zuständigkeiten und Voraussetzungen. „In Einzelfällen können wir auch schon vor der Antragstellung die Erfolgsaussichten erfragen und unverbindliche Auskünfte über die zu erwartende Förderung erhalten, wenn beispielsweise konkret ein Arbeitsplatz davon abhängt“, erklärt Christian Einig, Fachberater in der EAA Montabaur.
Die EAAs gehen auf Forderungen aus der Wirtschaft zurück und wurden mit dem Teilhabestärkungsgesetz 2022 geschaffen. Finanziert werden sie aus Mitteln der Ausgleichsabgabe. Träger der EAA in Montabaur ist das Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft e. V. (BWHW).

Kontakt für Unternehmen im Westerwaldkreis und Rhein-Lahn-Kreis:
  • Einheitliche Ansprechstelle für Arbeitgeber Montabaur Christian Einig, Telefon 02602 99732-11, einig.christian@bwhw.d
  • Eine Übersicht aller Einheitlichen Ansprechstellen im IHK-Bezirk Koblenz und in ganz Rheinland-Pfalz gibt es im Internet: www.eaa-rlp.de
Diana Michel

Ausbildungs- und Weiterbildungsmarketing (Geschäftsbereich Aus- und Weiterbildung)