Unternehmensservice - Ausgabe 01-02/2023

Nachhaltiges Geschäftsmodell

Man könnte meinen, dass ein auf Holz spezialisiertes Unternehmen mit Sitz in einer Region wie dem Westerwald sozusagen wie die sprichwörtliche Made im Speck lebt. Sie trägt den „Speck“, also den Holzreichtum, ja sogar im Namen. Und tatsächlich: Die Holzwerke van Roje in Oberhonnefeld schreiben schwarze Zahlen, das Unternehmen wächst seit Jahren kontinuierlich, erzielt Jahresumsätze im zweistelligen Millionenbereich und geht stramm auf das 100-jährige Betriebsjubiläum zu.
- Autor: Lothar Schmitz -
Doch das mit dem „Speck“ ist schwierig geworden. „Bis zu 80 Prozent der Nadelbäume in unserer eigentlich waldreichen Region sind in den vergangenen Jahren verschwunden“, berichtet Oliver Mühmel aus zahlreichen Gesprächen mit Waldbesitzern. „Die mehrjährige Trockenheit und der Borkenkäfer haben den Bestand dezimiert.“
Geschäftsführer Oliver Hühmel
„Wenn die Wälder nicht mehr Holz hergeben, dann wollen wir stattdessen unsere Wertschöpfungstiefe steigern.“ Oliver Mühmel, Geschäftsführer Holzwerke van Roje, Oberhonnefeld. © Holzwerke von Roje
Oliver Mühmel ist zusammen mit Gerhard Hauschulte Geschäftsführer des Unternehmens. Sein Großvater Ignaz van Roje hatte es 1929 in Neuwied gegründet, er lieferte damals Grubenholz, mit dem Stollen abgestützt wurden. Mitte der Sechzigerjahre stieg dessen Schwiegersohn Hans Mühmel ins Unternehmen ein, das 1996 nach Oberhonnefeld zog. Seit 2001 leitet Enkel Oliver Mühmel in dritter Generation das Familienunternehmen, weitere Familienmitglieder sind Gesellschafter.
Jahrzehntelang konnte das Unternehmen zu 100 Prozent auf heimisches Holz setzen. In den vergangenen Jahren erweiterte es seine Bezugsregion, zu der nun auch Eifel, Hunsrück und Bergisches Land zählen, teils sogar das europäische Ausland. „Inzwischen kaufen wir größere Mengen woanders ein, trotzdem lässt sich das Niveau an verarbeiteter Holzmenge dauerhaft wohl nicht halten“, erklärt Mühmel mit Blick auf die Kalamitäten, so nennt man das in der Branche, denen die Wälder immer häufiger ausgesetzt seien, von Trockenheit und Schädlingen bis zu schweren Stürmen.

250.000 Kubikmeter Schnittholz

Um zu verstehen, wie groß die Herausforderung ist, sind ein paar Zahlen notwendig: Van Roje kauft und verarbeitet jährlich rund 450.000 Festmeter Holz, vor allem Nadelholz. Abzüglich des Masseverlustes durch Trocknen und abzüglich Holzspänen bleiben 250.000 Kubikmeter, die das Unternehmen als Schnittholz verkauft. Ein Großteil davon geht in das Baugewerbe; das Spektrum reicht von drei Meter langen und drei mal fünf Zentimeter dicken Dachlatten bis zu 14 Meter langen Dachpfetten mit 30 Zentimeter Dicke. Bisher lag der Schnittholz-Umsatzanteil bei 80 Prozent, perspektivisch wird er auf 40 Prozent sinken. Zweites Standbein: die Produktion von Holzpellets zum Heizen. Sie sind quasi ein Nebenprodukt aus dem Restholz, das bei der Schnittholzproduktion anfällt. Die Menge ist allerdings enorm: 90.000 Tonnen Pellets liefert van Roje jährlich vor allem an den Großhandel, aber auch an Kommunen und private Haushalte. Die Preise für Pellets sind während der Corona-Pandemie und als Folge der Energiepreiskrise enorm gestiegen, so dass die Pellets inzwischen 20 Prozent des Umsatzes ausmachen.

Große Investition in ein neues Geschäftsmodell

Und dann ist da ein drittes Standbein, das schon bald für die übrigen 40 Prozent des Umsatzes sorgen wird. Es ist dem Unternehmen so wichtig, dass es vor kurzem sogar beträchtlich dafür investiert hat: Seit März 2022 produziert van Roje in einem neu errichteten Brettsperrholz-Werk auf dem Betriebsgelände in Oberhonnefeld selbsttragende Bauelemente aus kreuzverleimtem Vollholz. Die Idee dahinter: „Wenn die Wälder nicht mehr Holz hergeben, dann wollen wir stattdessen unsere Wertschöpfungstiefe steigern“, bringt es Mühmel  auf den Punkt.
Die Brettsperrholzelemente bestehen aus drei bis sieben kreuzweise miteinander verklebten Nadelholz-Brettlagen. Daraus fertigt van Roje Bauteile für Häuser auf Basis von 3D-Modellen eines Hauses, die ein Planungsbüro erstellt, inklusive Fräsungen für Kabelkanäle, Fenster und andere Bauteile. „Unsere Bauelemente weisen eine Reihe von bauphysikalischen und mechanischen Eigenschaften auf, etwa hohe Formstabilität und Tragfähigkeit bei geringem Eigengewicht“, erklärt Mühmel, „damit sind sie ideal für innovatives und nachhaltiges Bauen.“ Apropos nachhaltig: Die neue Produktionsanlage ist auf Effizienz getrimmt. Bei einer geschätzten jährlichen Produktion von rund 75.000 Kubikmetern Brettsperrholz lässt sich der Materialeinsatz um gut 10.000 Kubikmeter reduzieren. So werden beispielsweise die für spätere Türen und Fenster ausgeschnittenen Holzteile komplett in den Produktionsprozess zurückgeführt; das gilt auch für Holzstücke mit optischen Fehlern. „Beides können wir für die mittleren, nicht sichtbaren Schichten verwenden“, betont Mühmel.
Für die Investition in das neue Geschäftsmodell nahm das Unternehmen 30 Millionen Euro in die Hand. Sechs Millionen steuerte das Bundesumweltministerium im Rahmen eines Förderprogramms bei. Denn die in das neue Werk integrierte Recyclinganlage gilt als Pilotprojekt. Zudem ist man bei van Roje stolz darauf, 100 Prozent des eingesetzten Rohstoffes zu verwerten. Selbst die abgeschälte Rinde ist kein Abfall: Sie wird gemahlen und an Gartenbaubetriebe verkauft.
Ein Dorn im Auge sind dem Unternehmen die immensen Stromkosten. Auch hier plant van Roje für mehr Unabhängigkeit und zugleich Nachhaltigkeit. „Wir denken darüber nach, auf einer großen Freifläche eine Photovoltaikanlage zu errichten“, erzählt Mühmel. Auch die Errichtung einer eigenen Windkraftanlage oder die Beteiligung an einer solchen Anlage ist im Gespräch.
Für ein Traditionsunternehmen der Holzwirtschaft ist das nur folgerichtig. Denn tatsächlich lässt sich der Begriff „Nachhaltigkeit“ vermutlich erstmals in einem Text aus dem Jahr 1713 nachweisen, und knapp 50 Jahre später findet sich das Wort in einer Anordnung der Herzogin Anna Amalia. In beiden Fällen geht es um Waldnutzung.
In und um Neuwied sind viele spezialisierte Betriebe angesiedelt. Der Landkreis könnte für die Ansiedlung von Unternehmen noch attraktiver sein, wenn Verkehrs- und Infrastrukturmaßnahmen diesen nicht beeinträchtigen. Als IHK sind wir Ansprechpartner für Wirtschaft und Politik vor Ort.“

Kristina Kutting, Regionalgeschäftsführerin Neuwied und Altenkirchen, Geschäftsführerin Wirtschaftsjunioren Rhein-Sieg e. V.

Holz - Zahlen und Fakten

  • Die Nebenprodukte werden sehr häufig direkt zur Energie- und Wärmeerzeugung genutzt oder zu Pellets gepresst.
  • Ein Festmeter Nadelholz ergibt 60 Prozent Schnittholz und 40 Prozent Nebenprodukte, etwa Hackschnitzel und Sägespäne.
  • Der Holzeinschlag in der Holzartengruppe „Fichte, Tanne, Douglasie und sonstiges Nadelholz“ macht etwa drei Viertel des
    gesamten Holzeinschlags aus.
  • 43 Prozent der Waldflächen sind in Privatbesitz. Es gibt 760.000 private Waldbesitzer in Deutschland.
  • Im Jahr 2021 wurden in deutschen Wäldern 83 Millionen Kubikmeter Holz eingeschlagen.
  • Bedeutendste Ursache für das Schadholzaufkommen: Insektenbefall; weitere Ursachen: Trockenheit sowie Wind und Sturm
  • Der Jahresumsatz der deutschen Sägeindustrie liegt bei 6,5 Milliarden Euro, sie zählt rund 25.000 Beschäftigte.
  • Der Holzeinschlag aufgrund von Waldschäden belief sich 2021 auf 50,5 Millionen Kubikmeter.
  • Knapp 30 Prozent der deutschen Bodenfläche ist bewaldet.
(Quellen: Statistisches Bundesamt, Deutsche Säge- und Holzindustrie Bundesverband e. V.)

Kristina Kutting (Altenkirchen)