Preissteigerungen und Lieferengpässe

In vielen Branchen steigen die Preise, das Material ist knapp und es drohen Lieferengpässe. Wie sollten Unternehmen hierauf reagieren und wie kann ein fairer Interessenausgleich geschaffen werden?

Preisanpassung vor Vertragsschluss

Grundsätzlich ist der Unternehmer an sein Vertragsangebot gebunden mit der Folge, dass er nur den angebotenen Preis an den Unternehmer berechnen kann. Das Risiko einer Preissteigerung trägt er allein. Unternehmer können dieses Risiko mit Vertragsklauseln begrenzen, die aber den Anforderungen des Preisklauselgesetzes und dem AGB-Recht genügen müssen.
Folgende Formulierungen sind möglich:
  • “kurzfristige Preisanpassungen vorbehalten“ oder
  • „Angebote freibleibend“ oder
  • Anpassung an eine wöchentliche oder monatlich aktualisierte Preisliste oder
  • Angebote mit einer Bindefrist versehen.

Angebote mit Bindefrist

Werden Angebote mit einer Bindefrist versehen, ist der Unternehmer nur dann an sein Angebot gebunden ist, wenn der Auftraggeber innerhalb der Bindefrist das Angebot annimmt.
Tipp: Je kürzer die Bindefrist, desto geringer ist das Risiko, die Preissteigerung tragen zu müssen. Mit dem jeweiligen Lieferanten sollten feste Einkaufspreise für die Dauer der Bindefrist vereinbart werden.

Freibleibende Angebote

Neben einer Bindefrist kann der Unternehmer sein Angebot gegenüber dem Auftraggeber auch „freibleibend“ abgeben. Solche Angebote sind dann unverbindlich. Trotz der Annahmeerklärung des Auftraggebers hat es jetzt der Unternehmer in der Hand, das Zustandekommen des Vertrages zu verhindern bzw. den Preis anzupassen.
Tipp: Bei freibleibenden Angeboten sollten Sie immer sofort auf die Annahmeerklärung des Auftraggebers reagieren.

Vereinbarungen mit Preisanpassungs- oder Preisgleitklauseln

Viele Unternehmer verwenden Preisanpassungs- oder Preisgleitklauseln. Die Gerichte bezeichnen diese Klauseln auch als Preisvorbehaltsklauseln. Solche Klauseln lösen eine automatische prozentuale Anpassung der aktuellen Lieferpreise, oft in Verbindung mit einem konkreten Preisindex, aus. Die Erhöhung / Verminderung kann als direkte Preisanpassung entsprechend einem Index oder in Koppelung an einen Schwellenwert gestaltet werden.
Eine denkbare Formulierung für Bauverträge wäre zum Beispiel: „Erhöhen oder vermindern sich nach Vertragsschluss die aufgeführten Einkaufspreise für Baumaterial zum Zeitpunkt der Beschaffung nach dem unten aufgeführten Preisindex um mehr als 20 Prozent, sind die Einheitspreise der betroffenen Positionen auf Verlangen einer Vertragspartei, um diesen Prozentsatz anzupassen.“
Es gilt zu beachten:
  • Es muss eine eindeutige Grundlage für die Beurteilung der Ausgangspreise vorliegen
  • Die Klausel muss klar und verständlich sein, da die Gerichte hohe Anforderungen an die Zulässigkeit und Ausgestaltung solcher Klauseln stellen
  • Der Nachweis für die Preisänderung muss von der Partei geführt werden, die die Anpassung verlangt

Chance Order Klauseln

Die Vertragsparteien können auch sogenannte Chance Order Klauseln vereinbaren. Damit wird von Anfang an ein bestimmtes Ablaufverfahren bei einer eventuellen Preisanpassung vereinbart. Ziel solcher Klauseln ist nicht die einseitige Preisanpassung, sondern eine gemeinsame Abstimmung über den neuen Preis. Chance Order Klauseln sind bei Lieferverträgen mit Montageverpflichtung oder bei komplexen und zeitaufwändigen Projekten zu empfehlen.
Change Order Klausel beinhalten:
  • Die Notwendigkeit einer formellen Änderungsanfrage einer Vertragspartei
  • Ein Einigungsverfahren und / oder die Hinzuziehung von Mediationsstellen / Schiedsgerichten oder Schiedsgutachtern.
Alternativ können mit dem Vertragspartner individuelle Vereinbarungen getroffen werden, welche auf die jeweiligen Umstände angepasst sind.
Wichtig: Eigene Vorschläge sollten klar und vorhersehbar formuliert sein. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass die Klausel intransparent und damit unwirksam ist. Wir empfehlen, einen Rechtsanwalt bei der vertraglichen Gestaltung einzubeziehen.

Preisanpassung bei laufenden Verträgen

Für bereits abgeschlossene Verträge gilt der Grundsatz, dass Verträge bindend sind. Das bedeutet, dass der Unternehmer nachträglich keine Preisanpassung verlangen kann oder wegen der gestiegenen Materialpreise den Vertrag kündigen könnte. Gleichwohl sind Preisverhandlungen möglich und beiden Seiten auch zu empfehlen, wenn sich die Umstände überraschend und dramatisch ändern. Hierauf besteht jedoch kein Rechtsanspruch.
Allerdings muss der Unternehmer nicht jede Preissteigerung allein tragen. Wird eine gewisse Obergrenze erreicht, kann sich der Unternehmer ausnahmsweise auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen und eine Preisanpassung nach § 313 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verlangen. Als Richtlinie für die Obergrenze gilt eine Preissteigerung von 20 Prozent, abhängig vom Einzelfall. Die Obergrenze ist jedoch immer überschritten, wenn der Unternehmer wegen der Preissteigerung keinen Gewinn oder sogar ein Verlustgeschäft macht. Voraussetzung für die Anwendung von §313 BGB ist, dass sich die für den Vertragsschluss wesentlichen Umständen schwerwiegend geändert haben. In diesem Fall kann die Partei, welcher ein Festhalten am Vertrag nicht zugemutet werden kann, eine Anpassung des Vertrags verlangen oder vom Vertrag zurücktreten.
Tipp: Wir empfehlen zumindest bei wichtigen und langfristig laufenden Verträgen einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen.

Lieferengpässe

Auch bei Lieferengpässen gilt zunächst, dass der Unternehmer an die vertragliche Vereinbarung gebunden ist. Kann er die Waren nicht wie üblich von seinem Lieferanten beziehen, muss er sich die Ware anderweitig beschaffen, auch wenn damit Preissteigerungen verbunden sind.
Machen Auftraggeber machen wegen Lieferverzögerungen Schadensersatzansprüche geltend. Der Unternehmer haftet aber nur dann, wenn er die Verzögerung zu vertreten hat.
Tipp: Die Vertragspartner sollten gemeinsam nach einer individuellen Lösung suchen. Mediation und Verhandlungen können dabei helfen, einen für beide Seiten tragfähigen Kompromiss zu finden.