Geothermie
Geothermie bezeichnet die Nutzung der in der Erdkruste gespeicherten Wärmeenergie. Sie ist eine erneuerbare und nahezu unerschöpfliche Energiequelle, die unabhängig von Wetter- und Klimabedingungen ganzjährig zur Verfügung steht. Geothermie kann innerhalb der Wärmewände, die einen wesentlichen Teil der Energiewende ausmacht, einen bedeutenden Beitrag leisten. Grundsätzlich wird zwischen oberflächennaher (bis ca. 400 Meter Tiefe) und tiefer Geothermie (ab ca. 400 Meter Tiefe) unterschieden.
Oberflächennahe Geothermie und Tiefengeothermie - Die Unterschiede
Die Geothermie wird in zwei Hauptkategorien unterteilt: die oberflächennahe und die tiefe Geothermie. Beide nutzen die Wärmeenergie aus dem Erdinneren, unterscheiden sich jedoch in ihrer Tiefe, Temperatur und Anwendung.
Die oberflächennahe Geothermie nutzt die Erdwärme aus einer Tiefe von bis zu 400 Metern und eignet sich besonders für Heiz- und Kühlsysteme in Gebäuden. Die Bodentemperatur in diesen Tiefen liegt konstant zwischen 8 und 12 °C, sodass sie mit Hilfe von Wärmepumpen effizient genutzt werden kann. Die gängigsten Systeme sind Erdwärmesonden, die über senkrechte Bohrungen die Wärme aufnehmen, Erdkollektoren, die flach im Boden verlegt werden, und Grundwasserwärmepumpen, die die thermische Energie des Grundwassers nutzen. Diese Technologie wird besonders in Wohn- und Bürogebäuden sowie Gewerbeimmobilien eingesetzt, um Heiz- und Klimasysteme nachhaltig zu betreiben. Neben der hohen Effizienz und den niedrigen Betriebskosten ist ein weiterer Vorteil, dass sich diese Systeme gut mit anderen erneuerbaren Energien wie Photovoltaik kombinieren lassen. In über 470.000 Ein- oder Mehrfamilienhäusern, öffentlichen Einrichtungen, Krankenhäusern, Schulen oder Gewerbebetrieben wird die Oberflächennahe Geothermie in Deutschland eingesetzt. Jährlich kommen ca. 31.000 Oberflächennahe Geothermieanlagen dazu (Quelle: 21 Grad).
Im Gegensatz zur oberflächennahen Geothermie nutzt die Tiefengeothermie die Wärmeenergie aus großen Tiefen von 400 bis mehreren tausend Metern. In diesen Tiefen steigen die Temperaturen aufgrund des natürlichen geothermischen Gradienten auf Werte zwischen 30 °C und über 200 °C, wodurch sich diese Energie nicht nur für die Wärmeversorgung, sondern auch zur Stromerzeugung nutzen lässt. Die Wärme wird aus unterirdischen, mit heißem Thermalwasser gefüllten Reservoiren gefördert, die entweder von Natur aus vorhanden sind (hydrothermale Geothermie) oder durch gezielte Wasserzufuhr in heißes Gestein geschaffen werden (petrothermale Geothermie bzw. Enhanced Geothermal Systems – EGS).
Um diese geothermische Energie zu erschließen, sind Tiefenbohrungen erforderlich, die je nach Standort mehrere Kilometer tief sein können. In hydrothermalen Systemen wird das erhitzte Thermalwasser über eine Förderbohrung an die Oberfläche geleitet. Dort gibt es seine Wärme in Wärmetauschern an ein Fernwärmenetz ab oder erzeugt über eine Dampfturbine Strom. Anschließend wird das abgekühlte Wasser über eine Injektionsbohrung wieder in den Untergrund geleitet, um den natürlichen Wasserkreislauf aufrechtzuerhalten.
Diese Technologie wird vor allem für industrielle Anwendungen, Fernwärmenetze oder geothermische Kraftwerke eingesetzt. So können nicht nur Produktionsanlagen und Gewerbegebiete mit nachhaltiger Prozesswärme versorgt werden, sondern auch ganze Stadtviertel oder Städte über geothermische Fernwärmenetze. Ein Beispiel dafür ist die Stadt München, die eine der größten tiefengeothermischen Anlagen Deutschlands betreibt. Das dort gewonnene heiße Wasser wird über das Fernwärmenetz verteilt und beheizt aktuell rund 40.000 Haushalte – mit dem Ziel, die Fernwärmeversorgung bis 2040 vollständig klimaneutral zu gestalten (Quelle: Bundesverband Geothermie).
Ein großer Vorteil der tiefen Geothermie liegt darin, dass sie im Gegensatz zu Solar- oder Windenergie wetterunabhängig und kontinuierlich Energie liefert. Sie kann als Grundlastenergiequelle eingesetzt werden, da sie rund um die Uhr und über das gesamte Jahr hinweg stabile Wärme- und Strommengen bereitstellt. Dies macht sie zu einer äußerst verlässlichen und nachhaltigen Alternative zu fossilen Brennstoffen.
Allerdings sind die Investitionskosten für tiefengeothermische Anlagen deutlich höher als bei der oberflächennahen Geothermie, was besonders durch das sogenannte Fündigkeitsrisiko zu erklären ist. Das Fündigkeitsrisiko bezeichnet das Risiko, dass eine geothermische Bohrung nicht die erwartete Menge an heißem Wasser oder nicht die erforderliche Temperatur liefert, um wirtschaftlich genutzt werden zu können. Des Weiteren erfordern tiefe Bohrungen eine detaillierte geologische Analyse, um geeignete Standorte mit ausreichend heißen und durchlässigen Gesteinsschichten zu finden. Zudem besteht bei der Erschließung petrothermaler Systeme ein gewisses seismisches Risiko, da die künstliche Erzeugung von Rissen im Gestein zu kleineren Erdbeben führen kann. Trotz dieser Herausforderungen ist die tiefe Geothermie eine vielversprechende Technologie für eine langfristig klimafreundliche Energieversorgung – insbesondere für Städte und energieintensive Industrien, die auf eine stabile und nachhaltige Wärmequelle angewiesen sind.
Eigenschaft | Oberflächennahe Geothermie | Tiefengeothermie |
Tiefe | 100–400 m | 400–5.000+ m |
Temperatur | 8–12 °C | 30–200+ °C |
Energieform | Wärme für Heiz-/Kühlsysteme | Wärme & Stromerzeugung |
Anwendungsbereich | Wohn- & Gewerbebauten | Industrie, Fernwärme, Kraftwerke |
Technologie | Wärmepumpen, Erdwärmesonden | Tiefenbohrungen, Kraftwerke |
Vorteile | Effizient & kostensparend für Gebäude | Dauerhafte, wetterunabhängige Energiequelle |
Herausforderungen | Genehmigung & Platzbedarf für Bohrungen | Hohe Investitionskosten ("Fündigkeitsrisiko"), aufwendige Bohrungen, Genehmigung |
Wie ist die Situation in Deutschland und im IHKLW-Bezirk?
In Deutschland wird Geothermie als erneuerbare Energiequelle sowohl für die Wärme- als auch für die Stromerzeugung genutzt. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der Tiefengeothermie. Derzeit sind 42 Anlagen in Betrieb, von denen 31 ausschließlich Wärme erzeugen, während 9 Anlagen sowohl Wärme als auch Strom liefern und 2 Anlagen auf die Stromerzeugung spezialisiert sind. Die installierte Wärmeleistung beträgt 408 Megawatt (MW), während die elektrische Leistung bei 46 MW liegt. Die durchschnittliche Bohrtiefe beträgt etwa 2.500 Meter, um die notwendigen Temperaturen für eine wirtschaftliche Nutzung zu erreichen. Ferner befinden sich 12 Anlagen in Bau und 148 in Planung. Die meisten Tiefengeothermie-Anlagen befinden sich und werden geplant, wo die geologischen Begebenheiten am besten sind, nämlich: Oberrheingraben, Molassebecken und das Norddeutsche Becken (Quelle: Bundesverband Geothermie).
Der IHKLW-Bezirk bietet ideale geologische Voraussetzungen für die Nutzung der (Hydro-)Tiefengeothermie. Besonders das Norddeutsche Becken, das große Teile des Bezirks umfasst, zeichnet sich hervorragend aus. Durch die günstigen geothermischen Gradienten in der Region lassen sich mit vergleichsweise geringen Bohrtiefen hohe Temperaturen erschließen – eine essenzielle Voraussetzung für eine wirtschaftliche Nutzung der Tiefengeothermie.
Ein herausragender Standort innerhalb des Bezirks ist die Region Celle. Sie gilt als Zentrum der Bohr- und Fördertechnik in Deutschland und besitzt ein über Jahrzehnte gewachsenes Know-how in der Tiefbohrtechnologie. Zahlreiche Unternehmen mit globaler Bedeutung sind hier ansässig und entwickeln hochmoderne Bohrverfahren, die nicht nur in der Erdöl- und Erdgasindustrie, sondern auch für geothermische Projekte von zentraler Bedeutung sind. Die Innovationskraft und technische Expertise in Celle ermöglichen es, präzise und effiziente Bohrungen durchzuführen – eine Schlüsseltechnologie für den erfolgreichen Ausbau der Tiefengeothermie.
Mit dieser Kombination aus hervorragenden geologischen Bedingungen und exzellenter technischer Expertise hat der IHKLW-Bezirk das Potenzial, eine Vorreiterrolle in der tiefengeothermischen Energiegewinnung einzunehmen. Investitionen in diesen Bereich könnten nicht nur zur nachhaltigen Energieversorgung beitragen, sondern auch neue wirtschaftliche Impulse für die Region setzen.
IHKLW fordert bessere Rahmenbedingungen für Geothermie
Für eine größere Unabhängigkeit von externen Einflussfaktoren sollten auch heimische Potenziale, wie Geothermie oder Biomasse, stärker in den Blick genommen werden. Die Nutzung heimischer Potenziale stärkt die Versorgungssicherheit für die Unternehmen. Dadurch wird die Energieversorgung der deutschen Wirtschaft weniger anfällig für externe Schocks bei plötzlich wegfallenden Importquellen oder -routen. Diese Potenziale sollten erschlossen und genutzt werden. Das aktuelle Gesetzgebungsverfahren “Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung der Genehmigungsverfahren von Geothermieanlagen, Wärmepumpen und Wärmespeichern sowie zur Änderung weiterer rechtlicher Rahmenbedingungen für den klimaneutralen Ausbau der Wärmeversorgung” mit dem Ziel genehmigungsrechtliche Hemmnisse bei der Erschließung der Geothermie sowie dem Ausbau von Wärmepumpen und Wärmespeichern abzubauen, ist ein erster richtiger Schritt. Dennoch bedarf es mehr Planungssicherheit und weiter reichende Perspektiven in der Geothermiewirtschaft.
Förderlandschaft für Geothermie
Ein zentrales Förderinstrument ist die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW), die sowohl den Neubau von Wärmenetzen mit einem hohen Anteil erneuerbarer Energien als auch die Dekarbonisierung bestehender Netze unterstützt. Die BEW gliedert sich in mehrere Module: Modul 1 fördert die Erstellung von Transformationsplänen und Machbarkeitsstudien mit bis zu zwei Millionen Euro. Modul 2 bietet eine systemische Förderung für Neubau- und Bestandsnetze, während Modul 3 Einzelmaßnahmen wie den Einsatz von Wärmepumpen unterstützt. Die maximale Förderquote für Modul 2 und 3 beträgt 40 % der förderfähigen Kosten, mit einer Obergrenze von 100 Millionen Euro pro Vorhaben.
Zusätzlich besteht mit der Bundesförderung für Energie- und Ressourceneffizienz in der Wirtschaft (EEW) die Möglichkeit, tiefengeothermische Projekte zu fördern. Voraussetzung ist, dass mindestens 50 % der durch die geförderte Anlage bereitgestellten Wärme für industrielle Prozesse genutzt werden. Der maximale Förderzuschuss beträgt hierbei 20 Millionen Euro.
Im Rahmen der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) werden Einzelmaßnahmen an Bestandsgebäuden gefördert, darunter sowohl Wohn- als auch Nichtwohngebäude sowie kleinere Wärmenetze mit maximal 16 Gebäuden oder 100 Wohneinheiten. Unternehmen können eine Basisförderung von 30 % erhalten, mit einem zusätzlichen Bonus von 5 %, wenn Erdwärmepumpen eingesetzt werden. Die förderfähigen Kosten für den Heizungstausch betragen 30.000 Euro für die erste Wohneinheit, 15.000 Euro für die zweite bis sechste Wohneinheit und 8.000 Euro ab der siebten Wohneinheit.
(Quelle: Bundesverband Geothermie)