Energiewendebarometer 2025

Zwischen dem 10. Juni und dem 30. Juni 2025 hat die IHKLW gemeinsam mit den anderen Industrie- und Handelskammern in Deutschland Unternehmen verschiedenster Branchen dazu befragt, wie sie die derzeitige Energiepolitik sowie den Übergang zur Klimaneutralität bewerten und welche Maßnahmen und Strategien sie in diesem Zusammenhang verfolgen. Die Rückmeldungen von 3.600 Unternehmen verdeutlichen: Die Besorgnis und Skepsis in der Wirtschaft haben zugenommen. Besonders die hohen Energiepreise, überbordene Bürokratie und fehlende Information bzw. Planbarkeit belasten die deutschen Unternehmen.

Hohe Energiekosten als elementarer Standortnachteil

Trotz der in der Öffentlichkeit wahrgenommenen Entspannung auf den Energiemärkten berichten rund die Hälfte der Unternehmen in Deutschland von gestiegenen Kosten für Strom und Wärme – etwa für Gas, Fernwärme oder Heizöl – innerhalb der letzten zwölf Monate.
Ein zentraler Grund dafür ist die veränderte Struktur der Energieversorgung: Durch die stärkere Nutzung von Flüssigerdgas (LNG) ist Deutschland inzwischen eng an das internationale Marktgeschehen angebunden. Dadurch reagieren die Preise hierzulande wesentlich empfindlicher auf globale Entwicklungen, was zu einer deutlich höheren Volatilität führt. Im Vergleich zum langjährigen Vorkrisenniveau liegen die Energiepreise weiterhin auf spürbar erhöhtem Niveau.
Hinzu kommen staatlich beeinflusste Preisbestandteile, die besonders beim Strom eine erhebliche Rolle spielen. Dazu zählen unter anderem steigende Netzentgelte, Umlagen und die wachsenden Kosten für CO₂-Zertifikate im europäischen (sowie nationalen) Emissionshandel. Auch im Bereich Gas wirken sich höhere Netznutzungsentgelte zunehmend belastend aus. In der Summe ergeben sich daraus für viele Unternehmen spürbare Mehrbelastungen – trotz zwischenzeitlich sinkender Marktpreise.
Die aktuellen Entwicklungen machen deutlich: Für Unternehmen bleiben Energiepreise ein relevanter Unsicherheitsfaktor. Neben den globalen Schwankungen sorgen auch nationale Abgaben und regulatorische Rahmenbedingungen für zusätzlichen Druck. Eine verlässliche, planbare Energiepolitik wird damit zunehmend zum Standortfaktor.

Standort Deutschland in Gefahr - Abwanderung

Die Verlagerung von Produktion ins Ausland bleibt angesichts der aktuellen Energie- und Klimapolitik weiterhin auffallend ausgeprägt. Zwar geht die Tendenz über alle Branchen hinweg in diesem Jahr leicht zurück, in der Industrie insgesamt – und insbesondere bei großen Industrieunternehmen ab über 500 Mitarbeitern – nimmt sie jedoch weiter zu. Nahezu zwei Drittel (ca. 60%) der großen Industriebetriebe haben ihre Produktion im Inland bereits eingeschränkt oder planen entsprechende Schritte.

Transformationshemmnisse

Unter den größten Hemmnissen der Transformation zu mehr Klimaschutz nennen Unternehmen an erster Stelle die Bürokratie (fast 70 Prozent). Komplexe Genehmigungsverfahren, aufwendige Förderanträge und neue Berichtspflichten bremsen Investitionen und Energieprojekte. Gefordert werden einfachere Abläufe, digitale Verwaltungsprozesse und mehr Praxisnähe.
An zweiter Stelle stehen fehlende Planbarkeit und unklare Informationen (ca. 60 Prozent). Kurzfristige Gesetzesänderungen und wechselnde Förderbedingungen sorgen für Unsicherheit. Unternehmen wünschen sich eine verlässliche, langfristig angelegte Energiepolitik.
Drittens behindern langsame Planungs- und Genehmigungsprozesse sowie unzureichende Infrastruktur die Umsetzung konkreter Transformationsvorhaben (ca. 45 Prozent).

Handlungsvorschläge an die deutsche Bundesregierung

Die deutsche Wirtschaft hat die “Meta-Probleme” klar benannt: Zu hohe Energiekosten, zu viel Bürokratie, zu wenig Verlässlichkeit in der Politik. Daraus resultieren unter anderem Folgeprobleme wie fehlende Wettbewerbsfähigkeit, fehlendes Vertrauen in die Politik, hohe Unsicherheit für Investitionen, zunehmende Abwanderung, fehlende Innovationen und fehlender technologischer Fortschritt, weniger Unternehmertum sowie zunehmende Regulierungen bis ins kleinste Detail.

Die Unternehmen in Deutschland fordern entschlossene Maßnahmen zur Unterstützung der Energiewende und zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Standorts. Eine zentrale Forderung ist die Senkung von Steuern und Abgaben auf den Strompreis. 82 Prozent der Unternehmen befürworten dies, mit besonders hoher Zustimmung in der Industrie (88 Prozent). Hohe Strompreise gelten als Hindernis für die Transformation und belasten die Standortattraktivität.
Auch bei der Eigenversorgung mit Energie und der Nutzung von Direktlieferverträgen (PPAs) wünschen sich 81 Prozent der Unternehmen bessere Rahmenbedingungen. Staatliche Unterstützung durch zügige Genehmigungen, niedrigere Abgaben und gezielte Investitionsförderung wird als notwendig erachtet. Der DIHK schlägt eine Strompartnerschaft vor, bei der neue Photovoltaik- und Windkraftanlagen mit Investitionszuschüssen gefördert und die Netzentgelte für Direktstrom um 2 Cent pro Kilowattstunde gesenkt werden sollen.
Für die Nutzung von Energie setzen sich 77 Prozent der Unternehmen für mehr Wirtschaftlichkeit, Freiwilligkeit und Technologieoffenheit ein. Insbesondere in der Industrie ist die Zustimmung mit 85 Prozent besonders hoch. Kritisiert wird der wachsende Regulierungsdruck. Statt detaillierter Vorschriften fordern Unternehmen, lediglich Ziele vorzugeben und bei der Umsetzung Vertrauen in die Wirtschaft zu zeigen.
Ein weiteres zentrales Anliegen ist die Verfügbarkeit einer stabilen und leistungsfähigen Energieinfrastruktur. 72 Prozent der Unternehmen sehen hier Handlungsbedarf, da die Zahl der Stromausfälle zugenommen hat und die Versorgungssicherheit zunehmend infrage gestellt wird. Neben dem Netzausbau wird eine intelligente, digitale Steuerung der Energiesysteme als wichtiger Beitrag zur Versorgungssicherheit genannt.
Für die Erreichung von Klimaneutralität ist Technologieoffenheit unerlässlich. Insbesondere in energieintensiven Branchen wie Chemie, Stahl oder Bauwesen sprechen sich 56 bis 57 Prozent der Unternehmen für die Nutzung von Technologien zur CO2-Abscheidung, -Nutzung oder -Speicherung (CCS/CCU) aus. Die Konzentration allein auf Strom wird als unzureichend kritisiert, da viele industrielle Prozesse nicht elektrifizierbar sind. Allerdings fehlt es derzeit noch an gesetzlichen Rahmenbedingungen und Infrastrukturen für den großflächigen Einsatz solcher Technologien.
Auch beim Thema Wasserstoff sehen die Unternehmen erheblichen Handlungsbedarf. Obwohl Wasserstoff als wichtiger Baustein der Transformation gilt, nimmt die Zustimmung zur Forderung nach allgemeinem Zugang ab – nur noch 45 Prozent unterstützen diese. Die Ursachen liegen in mangelnder Planungssicherheit, hohen Kosten, unklarer Infrastrukturentwicklung sowie offenen Fragen rund um Zertifizierung und Abnahmeverträge.
Die Einführung grüner Leitmärkte, um klimafreundliche Technologien durch gesetzliche Quoten und Vergabekriterien zu fördern, findet bei einem Viertel der Unternehmen Zustimmung. Ein Drittel hingegen steht dieser Idee skeptisch gegenüber.
Der Emissionshandel wird zunehmend kritisch gesehen. Nur 34 Prozent der Unternehmen stimmen einem Ausbau zu, während 40 Prozent ihn ablehnen. Besonders in der Industrie ist die Ablehnung hoch. Hauptkritikpunkt ist, dass steigende CO2-Preise zu hohen Investitionen führen, ohne dass eine entsprechende Nachfrage nach klimafreundlichen Produkten besteht. Die Gefahr der Abwanderung energieintensiver Produktion in weniger regulierte Länder (Carbon Leakage) wird als hoch eingeschätzt, solange Deutschland und Europa beim Klimaschutz allein voranschreiten.