Erbschaft
Die eigene Sicherheit ist das höchste Ziel potenzieller Erblasser. Sie fürchten, im Alter zu verarmen und später von den Kindern abhängig zu werden. Deshalb handeln viele Senioren irrational: Sie verschenken nichts, machen kein Testament oder nur eines, das den letztversterbenden Ehegatten durch ein Berliner Testament scheinbar total absichert. Doch ist dies ein Testamentstyp, der besonders streitprovozierend wirkt, regelmäßig den überlebenden Gatten unter Druck setzt und ihm das Leben schwer macht. Was ist zu tun?
Dabei macht gerade das Sicherheitsbedürfnis der Senioren aus rationalen Gründen eine frühzeitige, immer wieder angepasste Erbfolgeplanung nötig. Richtig bemessen und vorausschauend konditioniert, hat in ihr auch eine teilweise vorweggenommene Erbfolge ihren versorgungssichernden und streitvermeidenden Platz. Der erste Schritt in jeder langfristigen Erbfolgeplanung ist eine Vermögensbestandsaufnahme und eine Einkommensvorausschätzung für alle weiteren Lebensphasen, auch für schlechte Zeiten (Pflegefall). Dabei sollte man von der statistischen Lebenserwartung ausgehen und versuchen festzustellen, ob die Vermögenssubstanz angegriffen werden muss oder ob die zu erwartenden Erträge zur sicheren Versorgung ausreichen werden.
Bei diesen Berechnungen wird erfahrungsgemäß meist schon der heutige Bedarf unterschätzt. Für den Notfall sollte man mit einer Verdoppelung des Bedarfs rechnen. Beim Vermögen muss man neben den laufenden Steuerabzügen zusätzlich die Abgänge durch güterrechtliche Ansprüche, durch Pflichtteilsansprüche und durch Steuern berücksichtigen. Daraus ergibt sich umgekehrt zur Erhaltung der Einkünfte die Notwendigkeit einer Minimierung solcher Risiken, deren präventive Reduzierung und eine mögliche Streitfreistellung.
Schon hier zeigt sich, dass Sicherheit für Senioren eine rechtzeitige Erbfolgeplanung erfordert. Denn derartige Ansprüche, die nach meist streitigen Verkehrswerten zu berechnen sind und sofort beim Erbfall fällig werden, können das Vermögen mindern, insbesondere Liquidität absaugen und zur Vermögensversilberung zur Unzeit zwingen. Das gilt insbesondere bei falschem Güterstand (Gütertrennung) und fehlenden Pflichtteilsverzichten. Bei richtiger Planung mit richtigem Güterstand (gedeckelte modifizierte Zugewinngemeinschaft) und fairem Pflichtteilsverzicht wird dieser Bereich planungssicher und streitfrei.
Besonders gefährlich für die Sicherheit ist das weitverbreitete gemeinschaftliche Ehegattentestament. Es kann zu Rechtfertigungsverpflichtungen des überlebenden Ehegatten führen und Pflichtteilsansprüche der Kinder provozieren, insbesondere von solchen aus erster Ehe. Darüber hinaus verschafft es der Familie oft unnötige erbschaftsteuerliche Belastungen. Bei vorweggenommener Erbfolge durch Schenkungen ist im Hinblick auf die spätere Sicherheit der Schenker Umsicht geboten.
Nie alles verschenken
Zwar sieht schon das Gesetz vor, dass Geschenktes vom Beschenkten zurückgegeben werden muss, wenn der Schenker später in Not gerät. Die Praxis zeigt jedoch, dass dieser Rückgabeanspruch nur schwierig zu realisieren ist. Deshalb sollte jede Schenkung durch schriftlichen Vertrag abgesichert werden, in dem weitgehende Widerrufsrechte an konkrete, leicht objektiv feststellbare Merkmale geknüpft oder gar ins freie Belieben des Schenkers gestellt sind. Vorbehaltene Rechte und derartige Widerrufsrechte sind nicht nur zu vereinbaren, sondern möglichst auch dinglich abzusichern.
Ein höchstrichterlich entschiedener Fall zeigt die Problematik auf: Die Tochter hatte die Eltern rührend gepflegt; sie sollte deshalb deren Hauptvermögen, das selbst bewohnte Elternhaus, erben. Aufgescheucht durch die Debatte um die Erhöhung der Einheitswerte, beschlossen die Eltern, ihr Haus schon lebzeitig auf die Tochter schenkungsweise zu übertragen. Alle Beteiligten gingen davon aus, dass danach alles beim Alten blieb: Die Eltern wohnen weiterhin im Haus, die Tochter pflegt sie bis an ihr Lebensende. Ein Wohnrecht wurde nicht eingetragen. Die Tochter heiratete und versuchte, die Eltern aus dem Hause zu drängen.
Eine Lehre aus diesem Beispiel ist, nichts Unvernünftiges wegen der Steuern zu tun. Und unvernünftig ist es immer, die eigengenutzte Wohnung zu verschenken. Die zweite Lehre ist, bei jeder Schenkung Widerrufsvorbehalte zu vereinbaren und sich Nutzungsrechte (Wohnungsrecht, Nießbrauch) vorzubehalten und dinglich abzusichern. Klug ist es auch, sich in den laufenden Bezügen nicht von den Kindern abhängig zu machen. Daher sollte das auf den Ehegatten übergehende Vermögen so bemessen werden, dass dieser nicht nur den normalen Lebensunterhalt bestreiten, so dem auch einen etwaigen Sonderbedarf (Altenheim) finanzieren kann. Und für kleine Geschenke an die Enkel sollte auch noch etwas vorhanden sein. Und schließlich sollte man nie alles verschenken. Nichts erhöht die Dankbarkeit der Erben mehr, als wenn man noch etwas zu vererben hat.
Verfasser:
Rechtsanwaltskanzlei
Hans Flick und Frank Hannes
Johannes-Kinkel-Str. 2 - 4
53175 Bonn
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