Das Insolvenzverfahren

Ziel der Insolvenzordnung ist es, die Gläubiger gleichmäßig und so weit wie möglich zu befriedigen. Darüber hinaus soll wirtschaftlich gescheiterten Personen über eine Restschuldbefreiung ein Neuanfang ermöglicht werden.
Für ein insolventes Unternehmen kann das Insolvenzverfahren entweder zur Sanierung oder zur Liquidation führen. Natürliche Personen können im Rahmen der Restschuldbefreiung von ihren restlichen Verbindlichkeiten befreit werden.

Das Unternehmensinsolvenzverfahren

Zielgruppe des Unternehmensinsolvenzverfahrens sind juristische Personen (z.B. GmbHs), aber auch natürliche Personen (z.B. Einzelunternehmer bzw. persönlich haftende Gesellschafter einer OHG oder KG). Für Freiberufler und Kleingewerbetreibende kann auch das Verbraucherinsolvenzrecht gelten. Welches Verfahren im Einzelfall gilt, entscheidet das Amtsgericht.
Vorrangiges Ziel des von Zahlungsunfähigkeit bedrohten Unternehmers ist es, sich in einem außergerichtlichen Vergleichsverfahren mit den Gläubigern zu einigen. Dabei verzichten die Geldgeber und Geschäftspartner auf einen Teil ihrer Forderungen und verständigen sich über die Modalitäten, zu denen die verbleibenden Schulden abgetragen werden. Zusätzlicher Vorteil: Eine solche außergerichtliche Einigung dringt nicht an die Öffentlichkeit.
Kommt die außergerichtliche Einigung nicht zustande, kann der Schuldner oder ein Gläubiger einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen - der Schuldner kann dies auch schon bei 'nur' drohender Insolvenz. Bei juristischen Personen kann auch Überschuldung ein Eröffnungsgrund sein. In jedem Fall muss dafür ein Antrag beim zuständigen Amtsgericht gestellt werden.
Das Insolvenzverfahren ist damit nur vorläufig eröffnet. Ein vom Gericht bestellter vorläufiger Insolvenzverwalter prüft jetzt, ob die Voraussetzungen für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorliegen. Dazu gehören das Vorliegen eines Eröffnungsgrunds und die Feststellung, ob die Kosten des Verfahrens gedeckt sind. Ein Unternehmer, der trotz anhaltender Zahlungsunfähigkeit keinen Insolvenzantrag stellt und keine Umsatzsteuer und Sozialabgaben für seine Mitarbeiter zahlt, macht sich strafbar. Wird das Verfahren eröffnet, wird der eigentliche Insolvenzverwalter bestellt.
Spätestens drei Monate nach Eröffnung des Verfahrens muss der Insolvenzverwalter einen Bericht über die finanzielle Situation des Unternehmens vorlegen. Die Gläubigerversammlung entscheidet dann, ob das Unternehmen liquidiert oder saniert werden soll.
Die Sanierung muss nach einem ausgearbeiteten Insolvenzplan geschehen. Diesen legt der Insolvenzverwalter oder der Schuldner vor und die Gläubiger stimmen darüber ab. Auch der Schuldner muss dem Plan zustimmen. Gläubiger, die Sicherheiten besitzen, werden gesondert befriedigt. Wieviel sie zurückverlangen, bleibt der Entscheidung der Gläubiger überlassen. Es gibt keine Mindestquote. Die Ansprüche können allerdings durch den Insolvenzplan beschnitten werden, damit die Überlebensfähigkeit des Unternehmens nicht gefährdet wird. Dahinter steckt letztlich die Einsicht, dass Gläubigern meist mehr damit gedient ist, langfristig einen guten Kunden zu erhalten, als kurzfristig eine möglichst hohe Rückzahlungsquote durchzusetzen.
Wenn ein Unternehmen nicht saniert werden soll, wird es liquidiert. In diesem Fall erhalten alle ungesicherten Gläubiger den gleichen Anteil aus dem Verwertungserlös. Natürliche Personen können auf Antrag nach sechs Jahren ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens von ihren restlichen Verbindlichkeiten befreit werden. Während dieser so genannten Wohlverhaltensperiode müssen sie ihre pfändbaren Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge an einen vom Gericht zu bestimmenden Treuhänder (in der Regel der Insolvenzverwalter) abtreten.

Das Verbraucherinsolvenzverfahren

Das Verbraucherinsolvenzverfahren kommt nur für Schuldner in Frage, die zum Zeitpunkt der Antragstellung keine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, deren Vermögensverhältnisse überschaubar sind (weniger als 20 Gläubiger) und gegen die keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen bestehen.
Bevor der Antrag auf Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens gestellt werden kann, muss der Schuldner versuchen, eine außergerichtliche Einigung mit seinen Gläubigern über eine Schuldenbereinigung zu erreichen (z. B. Ratenzahlung, Stundung, Teilerlass). Diesen Einigungsversuch kann der Schuldner jedoch nicht allein unternehmen, sondern nur mit Hilfe einer so genannten geeigneten Person oder Stelle. 'Geeignete Personen' für die Beratung der Schuldner sind aufgrund ihres Berufes Rechtsanwälte, Notare oder Steuerberater. 'Geeignete Stellen' sind in der Regel Schuldnerberatungsstellen. Die Landkreise (Landratsämter), Stadtverwaltungen (Rathaus) oder Sozialämter können Auskunft darüber geben, wo geeignete Beratungsstellen im Sinne der Insolvenzordnung zu finden sind.
Der Einigungsversuch muss auf der Grundlage eines Plans erfolgen, d. h. der Schuldner muss den Gläubigern seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse darlegen und einen konkreten Vorschlag zur Schuldenbereinigung unterbreiten, also z. B. einen Zahlungs- und Tilgungsplan, der an alle Gläubiger versandt wird. Bei der Aufstellung eines solchen Plans ist diejenige Person oder Stelle behilflich, an die sich der Schuldner zur Beratung gewandt hat.
Mit dem Antrag auf Eröffnung des gerichtlichen Insolvenzverfahrens muss durch eine entsprechende Bescheinigung belegt werden, dass eine außergerichtliche Einigung mit den Gläubigern innerhalb der letzten sechs Monate vor Antragsstellung erfolglos versucht worden ist. Folgende Unterlagen müssen zusammen mit dem Antrag eingereicht werden:
  • die Bescheinigung über den erfolglosen außergerichtlichen Einigungsversuch,
  • ein Schuldenbereinigungsplan,
  • der Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung oder die Erklärung, dass eine Restschuldbefreiung nicht beantragt werden soll (z. B. weil deren Voraussetzungen unzweifelhaft nicht vorliegen),
  • Verzeichnisse des vorhandenen Vermögens und des Einkommens (Vermögensverzeichnis), der Gläubiger und der gegen den Schuldner gerichteten Forderungen sowie eine Erklärung, dass diese Angaben vollständig sind.
In der Regel wird auch ein Antrag auf Stundung der Verfahrenskosten gestellt. Im ersten Verfahrensabschnitt versucht das Gericht nochmals, eine gütliche Einigung zwischen Gläubigern und Schuldner zu erzielen, das Insolvenzverfahren wird also noch nicht eröffnet, sondern der Antrag auf Eröffnung des Verfahrens 'ruht'. Das Gericht stellt den beteiligten Gläubigern die Unterlagen zu und fordert sie zur Stellungnahme auf. Äußern sich die Gläubiger nicht innerhalb eines Monats, wird dies so gewertet, als hätten sie dem Plan zugestimmt. Dies ist im außergerichtlichen Verfahren noch anders, dort gilt das Schweigen nicht als Zustimmung.
Gelingt das nicht, folgt in einem zweiten Abschnitt das gerichtliche Insolvenzverfahren in der Form des Verbraucherinsolvenzverfahrens. Dieses ist ein gegenüber dem Unternehmensinsolvenzverfahren wesentlich vereinfachtes Verfahren. In der Regel wird nur eine einzige Gläubigerversammlung abgehalten. Wenn die Vermögensverhältnisse der Schuldnerin oder des Schuldners überschaubar und die Zahl der Gläubiger oder die Schulden gering sind, kann das Insolvenzgericht anordnen, das Verfahren ganz oder teilweise schriftlich durchzuführen. Anstelle des Insolvenzverwalters bestellt das Gericht im vereinfachten Verfahren einen Treuhänder. Diese Person hat die Insolvenzmasse zu verwerten. Sie kann allerdings auch beantragen, dass die Insolvenzmasse nicht oder nur zum Teil verwertet wird, wenn der Schuldner statt dessen einen Betrag zahlt, der dem Wert der Insolvenzmasse entspricht. Das Gericht wird eine solche Anordnung aber nur treffen, wenn der Schuldner tatsächlich in der Lage ist, einen solchen Betrag aufzubringen - z. B. aus dem pfändungsfreien Vermögen oder aus Zuwendungen Dritter.
Ist die Insolvenzmasse verwertet, kann das Gericht zum Abschluss des gerichtlichen Verbraucherinsolvenzverfahrens die Restschuldbefreiung ankündigen. Dafür ist jedoch ein entsprechender Antrag erforderlich, und es dürfen keine Gründe gegen eine Restschuldbefreiung vorliegen. Im Anschluss folgt die sechsjährige so genannte Wohlverhaltensperiode. Während dieser Zeit muss der Schuldner den pfändbaren Teil seines Einkommens an einen Treuhänder abtreten und Auskunfts- und Mitwirkungspflichten erfüllen. Dieser verteilt die Beträge an die Gläubiger. Nach Ablauf der Wohlverhaltensperiode erlässt das Gericht dem Schuldner auf Antrag die restlichen Schulden, wenn keine Versagungsgründe vorliegen.

Restschuldbefreiung

Das Gericht kann die Restschuldbefreiung auf Gläubigerantrag verweigern, wenn die Schuldnerin oder der Schuldner
  • wegen einer Konkurs- oder Insolvenzstraftat rechtskräftig verurteilt worden ist,
  • in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder danach falsche Angaben über ihre oder seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat, um Kredite zu erhalten, Leistungen aus öffentlichen Mitteln zu beziehen oder Zahlungen an öffentliche Kassen zu vermeiden,
  • in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens Restschuldbefreiung schon einmal erlangt hat oder wenn innerhalb dieses Zeitraums Restschuldbefreiung versagt worden ist,
  • schuldhaft während des Verfahrens Auskunfts- und Mitwirkungspflichten verletzt hat,
  • schuldhaft im letzten Jahr vor dem Antrag auf Eröffnung des Verfahrens unangemessene Schulden gemacht bzw. vorhandenes Vermögen verschwendet hat,
  • schuldhaft in den mit dem Insolvenzeröffnungsantrag vorzulegenden Verzeichnissen des Vermögens, des Einkommens, der Gläubiger und der Schulden unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hat.
In diesen Fällen versagt das Gericht die Restschuldbefreiung und hebt das Insolvenzverfahren anschließend auf. Die Gläubiger können dann ihre restlichen Forderungen wieder uneingeschränkt geltend machen.

Verfahrenskosten

Das gerichtliche Verfahren ist kostenpflichtig. In erster Linie fallen Gerichtsgebühren und die Vergütung für die Treuhänderin oder den Treuhänder an. Wie hoch diese Kosten im Einzelfall sind, hängt vom Wert des Schuldnervermögens und den tatsächlich entstehenden Auslagen ab. Häufig reicht das Schuldnervermögen nicht aus, um diese Kosten zu decken. Damit das Gericht den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht "mangels Masse" abweisen muss, sieht die Insolvenzordnung eine Stundung der Verfahrenskosten vor. Diese muss zusammen mit dem Eröffnungsantrag beantragt werden. Die gestundeten Kosten müssen nach Abschluss des Verfahrens bzw. Erteilung der Restschuldbefreiung vom Schuldner in an das Einkommen angepassten monatlichen Raten zurückgezahlt werden.

Anwaltliche Beratung

Ob ein Insolvenzantrag sinnvoll oder sogar rechtlich notwendig ist, sollten Unternehmer in einem individuellen Beratungsgespräch klären. Auch wenn die finanzielle Situation keinen Raum mehr für das Honorar eines Rechtsanwalts lässt, besteht häufig die Möglichkeit, beim örtlich zuständigen Amtsgericht einen Antrag auf Beratungshilfe zu stellen und mit dem so genannten Beratungshilfeschein kostenlos oder gegen eine minimale Zuzahlung eine anwaltliche Beratung in Anspruch zu nehmen. Nähere Informationen und Formulare zum Download finden Sie auf den Internetseiten des Niedersächsischen Landesjustizportals (s. nebenstehender Link). Entsprechend spezialisierte Rechtsanwälte benennen zum Beispiel die Rechtsanwaltskammer Celle, Tel. 05141-92820 oder der Deutsche Anwaltverein, Tel. 0180-5181805 (0,14 –/Min. aus dem Festnetz, Mobilfunk ggf. abweichend).