Umsetzung der Whistleblower-Richtlinie

1. Allgemeines

Die Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden (2018/0106 COD) garantiert in Zukunft Hinweisgebern, sogenannten Whistleblowern, mehr Schutz, wenn sie Verstöße gegen EU-Recht melden wollen. Außerdem verpflichtet die Richtlinie öffentliche und private Organisationen sowie Behörden dazu, sichere Kanäle für die Meldung von Missständen einzurichten.
Der Rat der Europäischen Union hat die Richtlinie am 7. Oktober 2019 verabschiedet. Bis zum 17. Dezember 2021 muss Deutschland die Regeln in nationales Recht umsetzen. Dafür gibt die Richtlinie allerdings nur Mindeststandards vor und lässt es den einzelnen Mitgliedstaaten offen, ob der sachliche Anwendungsbereich der Richtlinie ausgeweitet wird.  
Unklar ist, ob die Umsetzung, wie in der europäischen Richtlinie vorgesehen, nur Verstöße gegen EU-Recht umfassen sollte, oder ob auch Verstöße gegen deutsches Recht erfasst sein sollten. Die europäische Richtlinie sieht vor, dass Personen geschützt werden, die Verstöße gegen das Unionsrecht in bestimmten Bereichen melden – wenn es zum Beispiel um öffentliche Aufträge, Finanzdienstleistungen, Produktsicherheit, Verkehrssicherheit, Umweltschutz, Lebensmittel, öffentliche Gesundheit, Verbraucher- und Datenschutz geht. Der Gesetzentwurf (Hinweisgeberschutzgesetz), den das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) vorgelegt hat, weitet den Schutzbereich auf korrespondierendes nationales Recht aus. Insbesondere sollen auch Hinweise zu Strafrechtsverstößen und Ordnungswidrigkeiten vom Whistleblower-Gesetz erfasst werden. Nicht umfasst sind Verstöße gegen unternehmensinterne Richtlinien, wie etwa Reisekostenrichtlinien, Richtlinien zur Gleitzeit oder zur betrieblichen Altersvorsorge.  
Wegen der noch nicht vollzogenen Umsetzung in deutsches Recht beziehen sich die folgenden Informationen im Wesentlichen auf die Mindestvorgaben der seit 16. Dezember 2019 geltenden EU-Richtlinie.

2. Pflichten der Unternehmen

Nach der Richtlinie sollen Unternehmen, die mehr als 49 Mitarbeiter beschäftigen oder im Finanzdienstleistungsbereich tätig sind, sowie öffentliche Arbeitgeber künftig verpflichtet sein, ein internes Meldesystem einzurichten. 
Der Entwurf zum Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG-E) sieht für Unternehmen mit 50 bis 249 Beschäftigten eine verlängerte Einrichtungsfrist bis zum 17. Dezember 2023 vor und erlaubt diesen Unternehmen die Einrichtung einer gemeinsam betriebenen Meldestelle mit anderen Unternehmen, um Kosten zu sparen.
Mögliche Meldewege sind:  
  • telefonisch,
  • schriftlich (Mail/Brief),
  • persönlich oder
  • mittels eines Whistleblowing-Portals.  
Dabei sollte ersichtlich sein, an wen die Meldung gerichtet ist, wer Zugriff auf diese hat, wie mit Rückfragen verfahren wird und innerhalb welcher Frist eine Rückmeldung erfolgen sollte. Grundsätzlich sollten die Meldungen anonym erfolgen können. Dem Hinweisgeber muss auch ermöglicht werden zwischen einer schriftlichen und einer mündlichen Übermittlung wählen zu können.
Personen, die für die Entgegennahme der Meldungen zuständig sind, sollen regelmäßig geschult werden. Meldungen sind zu dokumentieren und auf ihre Stichhaltigkeit zu überprüfen, um anschließend entsprechende Folgemaßnahmen, wie etwa interne Untersuchungen oder die Abgabe an eine zuständige Stelle, einzuleiten.

3. Hinweisgeber

Hinweisgeber können Angestellte, Freiwillige, Praktikanten, nicht geschäftsführende Mitglieder oder Gesellschafter sein – alle, die Informationen über Verstöße im beruflichen Kontext erlangen können. Zur Klarstellung umfasst der Anwendungsbereich der Richtlinie auch Mitarbeiter von Unternehmen mit weniger als 50 Arbeitnehmern.
Hinweisgeber können wählen, wie sie einen Verstoß melden möchten. Es steht ihnen frei den Hinweis erst über den intern eingerichteten Meldeweg an das Unternehmen weiterzugeben oder unmittelbar an eine (externe) Behörde.
Die Richtlinie erlegt den Mitgliedstaaten auf sich dafür einzusetzen, dass die Meldung über interne Meldekanäle gegenüber der Meldung der externen Meldekanäle in den Fällen bevorzugt wird, in denen intern wirksam gegen den Verstoß vorgegangen werden kann und der Hinweisgeber keine Repressalien befürchten muss.

4. Rückmeldefrist

Unternehmen sind verpflichtet, dem Hinweisgeber innerhalb von drei Monaten nach dem Hinweis eine Rückmeldung zu geben. Behörden haben für die Rückmeldung in begründeten Fällen bis zu sechs Monate Zeit.

5. Vergeltungsmaßnahmen

Ziel der Richtlinie ist der Schutz von Personen, die auf Missstände in Unternehmen und Behörden aufmerksam machen. Hierfür enthält die Richtlinie einen nicht abschließenden Katalog von unzulässigen Vergeltungsmaßnahmen. Dazu zählen etwa:
  • Kündigung
  • Versagung einer Beförderung
  • Gehaltskürzung
  • Mobbing
  • Diskriminierung
  • Schädigung in den sozialen Medien
  • Entzug einer Lizenz oder Genehmigung
  • Negative Leistungsbeurteilung

6. Welche Vorgaben müssen ins deutsche Recht umgesetzt werden?

Es ist wichtig, die Gesetzgebung im Auge zu behalten. Die Umsetzung in deutsches Recht sollte bis zum 17. Dezember 2021 erfolgen.
Die Richtlinie beinhaltet unter anderem folgende Vorgaben, die ins deutsche Recht umgesetzt werden müssen:
  • Unternehmen mit mehr als 49 Arbeitnehmern müssen interne Meldekanäle einrichten; die Identität des Hinweisgebers ist geheim zu halten.
  • Das Unternehmen soll den Hinweisgeber innerhalb von 3 Monaten nach Meldung umfassend unterrichten, wie mit dem Hinweis verfahren wurde und welche Folgemaßnahmen das Unternehmen geplant und ergriffen hat.
  • Umfangreiches Verbot von Repressalien (z. B. Suspendierung, Kündigung, Herabstufung oder Versagung einer Beförderung, Nötigung, Einschüchterung, Mobbing oder Ausgrenzung, aber auch Nichtverlängerung befristeter Arbeitsverträge, Rufschädigung etc.).
  • Beweislastumkehr: Bisher mussten Arbeitnehmer/Hinweisgeber den Zusammenhang zwischen Meldung und Benachteiligung im Streitfall nachweisen. Nun müssen Arbeitgeber/Unternehmen den (abweichenden) Grund für eine vermeintliche Benachteiligung darlegen und ggf. beweisen.
  • Kein Vorrang des internen vor dem externen Whistleblowing mehr vorgesehen; das heißt: der Hinweisgeber muss den Hinweis nicht erst an das Unternehmen geben, sondern kann sich unmittelbar an externe Stellen wenden.
  • Motive des Hinweisgebers irrelevant; selbst Hinweisgeber, die nur in der Absicht handeln, das Unternehmen zu schädigen, sind geschützt.
  • Vorgesehen sind Sanktionen für Unternehmen, die Meldungen behindern oder dies zumindest versuchen, Repressalien ergreifen oder die Identität des Hinweisgebers unberechtigt preisgeben.
  • Darüber hinaus wird ein Schadensersatzanspruch des Hinweisgebers geschaffen.
Sobald die Vorgaben der Whistleblower-Richtlinie ins deutsche Recht umgesetzt worden sind, werden wir Sie auf dieser Seite informieren.
Auch schon vor der Umsetzung ins deutsche Recht raten wir, die Regelungen in betroffenen Unternehmen umzusetzen. Denn auch ohne Umsetzung durch den Gesetzgeber ins deutsche Recht können die Teile der Richtlinie, die keiner Konkretisierung bedürfen, direkt anwendbar sein.
Prüfen Sie, welche der genannten Meldewege am praktikabelsten in Ihrem Unternehmen ist oder ob noch weiterer Handlungsbedarf besteht, um alle Voraussetzungen der Richtlinie bzw. des Hinweisgeberschutzgesetzes zu erfüllen.