Unternehmenswert Mensch im Mittelpunkt

Serie “Fachkräfte im Fokus” (1): Wer sich als Arbeitgeber modern aufstellt und Prozesse optimiert, kann damit auch bei Fachkräften punkten. Kleine und mittlere Unternehmen können sich dabei von der Demografieagentur für die Wirtschaft beraten lassen.
Als Kerstin Rodewald-Köhler während des ersten Lockdowns in ihrem Büro saß und auf einmal nicht die übliche Hektik des Hotelbetriebs um sie herum herrschte, da machte sich die Geschäftsführerin zum ersten Mal Gedanken um Themen, für die sonst niemals Zeit war. „Schon lange hakte es an manchen Stellen“, erzählt die Hotelfachfrau. „Jetzt endlich hatten wir die Gelegenheit, diese Probleme einmal anzugehen.“
Kerstin Rodewald-Köhler sitzt in ihrem Hotel auf einem roten Sofa vor roten Vorhängen.
Dank geförderter Beratungen hat Kerstin Rodewald-Köhler Abläufe im Hotel Allerhof verbessert. © Andreas Tamme
Die Leiterin des Hotels Allerhof in Frankenfeld an der Aller mit rund 20 Mitarbeitenden ging noch einen weiteren Schritt. Sie entschied, dies nicht alleine zu versuchen, sondern mit der Unterstützung externer Profis. Kerstin Rodewald-Köhler griff zum Telefonhörer und rief bei der Demografieagentur für die Wirtschaft an.  

Geförderte Beratung für Unternehmen
2012 von Arbeitgebern und Gewerkschaften gegründet, berät die Agentur zu den Themen Demografie, Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Fachkräftesicherung. Dabei können Unternehmen Förderprogramme des Bundes und des Europäischen Sozialfonds in Anspruch nehmen. Eines der Programme heißt „unternehmensWert:Mensch“ und richtet sich speziell an kleine und mittlere Betriebe.
„Wir sind eine Unternehmensberatung, die den Fokus darauf richtet, dass sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber auf Augenhöhe begegnen. Dass man also gemeinsam, sozialpartnerschaftlich handelt“, erklärt Andrea Michel. Die Diplom-Kauffrau ist bei der Demografieagentur verantwortlich für die Region Nordostniedersachsen. „Wichtig ist uns, stets die Interessen beider Seiten zu sehen. Dabei nehmen wir den Hubschrauberblick ein und stellen Fragen, die sich die Unternehmen selbst nicht mehr stellen.“

Wertschätzende kommunizieren und Angestellte entlasten
Kerstin Rodewald-Köhler hatte bei einem Netzwerktreffen niedersächsischer Hoteliers von dem Programm gehört. Heute blickt sie zufrieden auf den mehrmonatigen Beratungsprozess zurück. Thema war unter anderem die Kommunikation zwischen Küche und Service, erzählt sie. „In stressigen Situationen kam es immer wieder zu Konflikten.“ Dies in Einzel- und Gruppengesprächen mit einem Fachmann besprechen zu können, habe unheimlich geholfen. „Wir haben Tipps an die Hand bekommen, die wirken. Jetzt ist nicht immer alles harmonisch. Aber es ist viel wertschätzender.“
Im Bereich Zimmer-Service hat Rodewald-Köhler die Fensterreinigung an einen externen Dienstleister abgegeben. „Das nimmt ein wenig Druck raus, um die Angestellten nicht ständig in die Überforderung zu schicken. Das tut gut.“ Auch sie selbst hat Ratschläge angenommen, vor allem im Bereich Büroorganisation. „Ich habe mitunter Termine vergessen“, gesteht die Hotelchefin in dritter Familiengeneration. „Jetzt habe ich endlich meinen Handykalender mit meinem Computer synchronisiert, damit das nicht mehr passiert.“  

Leitbild rückt Mitarbeitende in den Fokus
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Dana Christepei (r.), Inhaberin von Danas Nähschule in Uelzen, hat mit Unterstützung der Demografieagentur zwei neue Mitarbeiterinnen gefunden. © Andreas Tamme
Erarbeitet haben sie und ihr Team auf Anstoß des Beraters außerdem ein Leitbild, erzählt Rodewald-Köhler. „Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind unser höchstes Gut. Wir alle geben all unsere Kraft, wir alle werden älter. Da geht es auch sehr darum, bei Kräften und in jeder Hinsicht gesund zu bleiben. Dafür haben uns die Gespräche und Coachings sehr geholfen.“
Mit ihren Herausforderungen ist Kerstin Rodewald-Köhler natürlich nicht allein. So geht es in den Gesprächen mit den KMU besonders häufig um Fragen der Arbeitsorganisation, berichtet Andrea Michel, vor allem in Bezug auf die Digitalisierung. Weiteres Dauerthema ist der Fachkräftemangel.
Dana Christepei zum Beispiel hat mit Unterstützung der Demografieagentur zwei neue Mitarbeiterinnen gefunden. Als sie im April 2018 in Uelzen ihr Geschäft „Feinstich by Dana“ eröffnete, rechnete sie nicht damit, vier Jahre später fünf Angestellte zu haben und eine junge Frau in ihrem Beruf auszubilden. Entsprechend wenig Berührungspunkte hatte die Damen-Maßschneiderin mit Themen wie Mitarbeitergewinnung, Führung und Teambuilding.

Verkaufstalente gesucht und gefunden
„Das Geschäft wuchs relativ schnell relativ stark“, erzählt die Gründerin. Als sie bei der Agentur für Arbeit Lüneburg-Uelzen das Gespräch suchte, um Verkäuferinnen und Schneiderinnen zu gewinnen, erzählte ihr Arbeitsmarktberater Andreas Kathmann von den Angeboten der Demografieagentur.
„Ich habe nicht gezögert, das kostenlose Erstgespräch in Anspruch zu nehmen“, sagt Christepei. Später fragte sie sich jedoch, welchen Rat ihr wohl jemand geben könne, der oder die sich mit ihrer Materie gar nicht auskenne, gibt sie zu. „Es lief aber super. Denn letztlich sind die Probleme wohl in allen kleinen Betrieben ähnlich.“
Seit der Beratung durch die Demografieagentur hat die Chefin einiges geändert: Sie suchte nicht mehr bloß durch Anzeigen nach neuen Mitgliedern im Team, sondern auch über die sozialen Medien wie Facebook und Instagram. Sie bereitete für die Vorstellungsgespräche eigene Fragenkataloge vor und fand in weiteren Mitarbeitergesprächen heraus, welche Aufgaben welcher Kollegin am meisten liegen und wie sie die Arbeit am besten verteilt.

Arbeitsorganisation schafft Freiräume
Christepei organisiert seither aber auch ihren eigenen Arbeitsalltag anders: So nimmt die Chefin sich bewusst Zeiten heraus, in denen sie für externe Fragen nicht erreichbar ist. „Ich dachte vorher immer, ich müsse jederzeit und überall ansprechbar sein. Jetzt kann ich in diesen Zeiten in Ruhe meine Buchhaltung machen, werde nicht ständig abgelenkt.“
Neu ist seit der Beratung auch das monatliche Teammeeting. „Wir sprechen darüber, was gut läuft und was weniger. Und über Ideen, wie wir neue Produkte entwickeln und die Kundschaft bringen können.“ Während des ersten Lockdowns zum Beispiel entwickelte das Team die Idee, Live-Verkäufe über den Instagram-Kanal zu veranstalten. Sie eröffneten einen Online-Shop und bot Nähkurse ebenfalls online an – und war zu dem Zeitpunkt damit eine Vorreiterin im Einzelhandel.

Teammeetings sorgen für mehr Verständnis
Kerstin-Bode-LMCD
Sich einmal wöchentlich im Team auszutauschen, hat auch Kerstin Bode in ihrem Betrieb eingeführt. Die Geschäftsführerin des Luhmühlener Mulden- und Containerdienstes im Landkreis Harburg hat sich in der Beratung auf das Thema Kommunikation konzentriert. „Eigentlich ist das ja ganz einfach“, sagt sie und lacht. „Aber je einfacher, desto komplizierter in der Umsetzung.“ Im Alltag fehle oft das gegenseitige Verständnis für Prozesse, vor allem seit Kolleginnen und Kollegen sich durch die Pandemie noch weniger sehen als ohnehin.
Veränderungen wie diese alleine und während des laufenden Betriebes anzugehen, ist ihrer Einschätzung nach aber kaum möglich. Ein Coaching mit festen Terminen war daher eine gute Lösung, findet Bode. „Wir achten stärker darauf, wie wir uns ausdrücken. Wir erklären mehr, damit alle verstehen, warum wer wie arbeitet – anstatt sich zu wundern und vielleicht sogar über Kleinigkeiten zu ärgern.“  Carolin George

Förderprogramm „UnternehmensWert:Mensch“

Das Programm richtet sich an kleine und mittlere Unternehmen und berät die Betriebe bei einer modernen, mitarbeiterorientierten Personalstrategie. Ein Erstgespräch ist kostenlos. Die anschließende Beratung umfasst zehn Tage. Ein Beratungstag kostet 1.000 Euro. Die Förderquoten liegen je nach Betriebsgröße und Programm bei 50 bis 80 Prozent. Unternehmen mit bis zu zehn Mitarbeitenden müssen zum Beispiel nur 20 Prozent der Kosten selbst tragen. Neue Schwerpunkte des Programms sind „Gestärkt durch die Krise“ sowie „Women in Tech“. „Gestärkt durch die Krise“ kann auch eine andere Krise bedeuten als die Corona-Pandemie, zum Beispiel die Eröffnung eines Mitbewerbers. „Women in Tech“ richtet sich an Unternehmen der IT-Branche zum Thema Chancengleichheit. Beide Programme werden mit 80 Prozent der Kosten gefördert.
Fragen zu den Programmen beantwortet Andrea Michel von der Demografieagentur für die Wirtschaft unter Telefon 0511 16990-913. unternehmens-wert-mensch.de