KI braucht Wissen

Wie Mittelständler von neuro-symbolischer KI profitieren können – etwa bei Lieferkettenanalysen, Compliance oder Wissenssicherung. Ein Interview mit Professor Dr. Riccardo Usbeck von der Leuphana Universität Lüneburg.
Professor Dr. Usbeck, Sie forschen an neuro-symbolischer KI – also der KI-gestützten Verbindung von Wissen und Sprachmodellen. Wie können mittelständische Unternehmen konkret von dieser Kombination profitieren?
KI weiß nicht alles. Wir werden immer auf das Wissen von Expertinnen und Experten zugreifen müssen. Dazu dient neuro-symbolische KI. Neuro-symbolische KI verbindet die Stärke großer Sprachmodelle wie ChatGPT oder Claude mit strukturiertem Fachwissen in einem bestimmten Anwendungsbereich. Ein Beispiel sind Wenn-Dann-Zusammenhänge und logische Abhängigkeiten, die in einer graphbasierten Struktur modelliert werden, sogenannten Wissensgraphen. Für Unternehmen bedeutet das: weniger Fehlschlüsse und mehr Nachvollziehbarkeit. Typische Anwendungen sind die automatische Auswertung von Kunden- und Lieferantentexten, intelligente Assistenten für Compliance- und Qualitätsprüfung sowie Wissenssicherung über Standorte hinweg. Statt tausende Beispiele zu labeln und große Sprachmodelle zu trainieren, verankern wir Fachwissen im System. Dadurch bleiben Antworten konsistent, auditierbar und anpassbar.
Sie entwickeln KI-gestützte Lösungen zur Krisen- und Lieferketten-Analyse. Welche Voraussetzungen müssen Unternehmen erfüllen, um diese einsetzen zu können?
Technisch genügt meist der Zugriff auf Kernsysteme wie dem Warenwirtschafts- oder Logistiksystem – entweder über eine direkte Schnittstelle oder über regelmäßig erzeugte Datenlisten. Außerdem braucht es eine feste Kontaktperson, die sich um die Qualität der Daten und die IT-Sicherheit kümmert. Zusätzlich sollten automatische Warnmeldungen eingerichtet werden, zum Beispiel: Bestand von Teil X reicht nur noch für weniger als 14 Tage.
Fachlich wichtig sind Risiko-Szenarien und klare Entscheidungswege. Wer handelt wann? Wir können viele Warnungen produzieren aber was passiert, wenn niemand Zeit hat hinzuschauen?
In unseren Projekten verknüpfen wir interne Daten eines Unternehmens mit externen Informationen – etwa aus Nachrichten, sozialen Medien oder Sensoren – und stellen diese in übersichtlichen Wissensnetzen dar. So werden Risiken frühzeitig sichtbar. Mit unseren Beispielanwendungen zeigen wir, wie Künstliche Intelligenz, Fachwissen und Unternehmensdaten zusammengeführt und verständlich visualisiert werden können.
Was empfehlen Sie Unternehmen, die KI-Anwendungen verantwortungsvoll einführen wollen?
Unternehmen sollten bei der Einführung von KI von Anfang an den Menschen in den Mittelpunkt stellen. Dazu gehört, klare Ziele und mögliche Risiken zu benennen. Wichtig ist außerdem Transparenz: Die Systeme müssen nachvollziehbar arbeiten, und die Herkunft der Daten sollte dokumentiert sein. Fairness ist ebenso ein wichtiger Faktor. Es sollte daher regelmäßig geprüft werden, dass die Ergebnisse und Entscheidungen der Systeme keine systematischen Vorurteile oder Benachteiligungen enthalten – mit Tests, Rückmeldungen der Nutzer und einer laufenden Qualitätskontrolle. Auch die Umweltverträglichkeit darf nicht vergessen werden: Effiziente Modelle und grüne Rechenzentren helfen, Energie und CO₂ zu sparen. Und wenn Fragen offenbleiben, lohnt es sich, Erfahrungen von Partnern aus Forschung, Wirtschaft oder den zuständigen Datenschutzbehörden einzuholen. Der niedersächsische Landesbeauftragte für den Datenschutz, Denis Lehmkemper, und sein Team unterstützen sicher gerne.
Sandra Bengsch
KI und Verantwortung: Fünf Tipps für Unternehmen

Ziele und Risiken klären
Überlegen Sie von Anfang an: Welchen konkreten Nutzen soll KI für Ihr Unternehmen bringen? Und wo könnten Risiken entstehen – zum Beispiel falsche Ergebnisse oder unfaire Entscheidungen?

Transparenz schaffen
Setzen Sie auf KI-Systeme, deren Funktionsweise nachvollziehbar ist. Achten Sie darauf, dass klar ist, woher die Daten kommen, und dokumentieren Sie Eingaben und Ergebnisse, um sie später vergleichen zu können.

Fairness prüfen
Testen Sie, ob die KI für alle Nutzer*innen faire und zuverlässige Ergebnisse liefert. Begleiten Sie den Einsatz im Alltag aufmerksam und ermöglichen Sie Rückmeldungen, damit Fehler schnell erkannt und korrigiert werden können.

Umweltverträglichkeit berücksichtigen
Wählen Sie möglichst energieeffiziente KI-Lösungen und Rechenzentren. Behalten Sie im Blick, wie viel Strom und CO₂ einzelne Anwendungen verbrauchen, und setzen Sie sich Ziele für nachhaltige Nutzung.

Rat einholen
Wenn Sie unsicher sind, nutzen Sie Erfahrungen von Partnern aus Forschung und Wirtschaft. Auch öffentliche Stellen wie der Landesbeauftragte für den Datenschutz in Niedersachsen und sein Team stehen unterstützend zur Seite.
IHK Lüneburg-Wolfsburg
Am Sande 1 | 21335 Lüneburg
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