Einsatz für die Ukraine

Es hätte ein Donnerstag wie jeder andere sein können. Felix Adler, Speditionskaufmann bei der Deuse Transporte GmbH in Stelle, Landkreis Harburg, plant die nächsten Touren – als knapp 2.000 Kilometer weiter der Krieg ausbricht. Russische Truppen marschieren in die Ukraine ein, die ersten Bomben fallen auf Kiew und Mariupol.
„Mich hat das total mitgenommen“, sagt Felix Adler. „Ich hatte eine Einladung zu einer Geburtstagsfeier für das Wochenende und in der Ukraine haben die Menschen Angst um ihr Leben.“ Nach Feiern war ihm nicht zumute, Adler wollte helfen.
Felix Adler, Karsten Deuse und Leif Deuse stehenh vor dem weißen Sprinter.
Felix Adler, Karsten Deuse und Leif Deuse (v.l.) haben spontan Spenden gesammelt. Adler und Leif Deuse haben das Material an die ukrainische Grenze gebracht und an Round Table übergeben. © privat
Seine spontane Idee: ein Transport mit Hilfsgütern. Schließlich ist er als Speditionskaufmann Experte, wenn es darum geht, Güter von einem Ort zum anderen zu transportieren. Kurzerhand veröffentlicht er einen Spendenaufruf auf Facebook und Instagram. Die Unterstützung lässt nicht lange auf sich warten: Sein Chef, Karsten Deuse, stellt einen Sprinter, knüpft Kontakte zum örtlichen Hausarzt. Der wiederum fordert medizinisches Material bei anderen Praxen an. Freunde und Kollegen spenden, Deuses 19-jähriger Sohn Leif erklärt sich sofort bereit, als Fahrer mit dabei zu sein. „Seinen Führerschein hatte er gerade ein Woche.“ Adler lacht, während er die Ereignisse Revue passieren lässt. Das Engagement tut ihm gut, auch, weil er großen Rückhalt erfährt.
„Es war Wahnsinn, wie viel Material in so kurzer Zeit zusammengekommen ist“, sagt der 30-Jährige. Eine Woche nach Ausbruch des Kriegs machen er und Leif Deuse sich mit einem randvoll gepackten Sprinter auf den Weg an die ungarisch-ukrainische Grenze. Über den Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hatten sie einen Kontakt zum Round Table erhalten. Der Service-Club organisiert seit Jahren verschiedene Hilfstransporte wie den Weihnachtspäckchenkonvoi und pflegt enge Verbindungen zu anderen Hilfsinitiativen in Osteuropa. Binnen weniger Stunden nach Kriegsausbruch hat der Round Table in Kooperation mit weiteren Partnerorganisationen eine Task Force gebildet, um im Grenzgebiet zur Ukraine zu helfen.
Die Fäden für Round-Table-Hilfstransporte aus Wolfsburg laufen schon seit 2009 bei Marco Meiners zusammen. Der Finanzberater ist langjähriges Mitglied beim Round Table, fährt seit 2013 die Weihnachtspäckchenkonvois in die Ukraine. „Da sitzt man abends oft zusammen, es entstehen enge Beziehungen“, sagt Meiners. Das Schicksal seiner Bekannten berühre ihn sehr, dass tatsächlich Krieg herrsche in der Ukraine, könne er nach wie vor oft nicht fassen. „Ich bin noch immer total geschockt.“
Marco meiners steht im Laderaum eines Lkw und nimmt ein Paket entgegen.
Marco Meiners organisiert seit Jahren den Weihnachtspäckchenkonvoi der Round Tabler aus Wolfsburg. Auch die Fäden für den Hilfskonvoi in die Ukraine laufen bei dem Finanzberater zusammen. © Matthias Leitzke/www.photodesign-wolfsburg.de
Doch Meiners ist keiner, der sich von einem solchen Schock lähmen lässt. Stattdessen nutzt er seine Drähte zu Round Table und Rotary International, fordert Listen mit Hilfsgütern an, die dringend gebraucht werden – vor allem Verbandszeug, Medikamente und Hygieneartikel. Meiners, der sich ehrenamtlich auch als Bürgermeister und FDP-Ratsherr im Wolfsburger Stadtrat engagiert, spricht mit Oberbürgermeister Dennis Weilmann, der sofort bereit ist zu helfen. Im Nu stehen 76 Europaletten für den Transport Richtung Ukraine bereit mit Schutz-Kitteln, OP-Masken, Desinfektionsmitteln. Das Material hatte die Stadtverwaltung für den Corona-Krisenfall beim Katastrophenschutz bereitgehalten und jetzt für den Hilfskonvoi freigegeben. Hinzu kommen 40 Betten aus dem Krankenhaus Wolfsburg.
Derweil spenden Un­ter­nehmen – der Logis­tik­dienstleister Schnellecke sogar 10.000 Euro. Außerdem stellt das Unternehmen einen Lkw für den Transport der Hilfsgüter. Auch Freun­de und Bekannte von Meiners und andere Round Tabler unterstützen die Aktion finanziell. „Manchmal habe ich abends Umschläge in meinem Briefkasten gefunden“, erzählt Meiners, der das Geld umgehend per PayPal an das Spendenkonto sendet. Die stolze Bilanz: 1,7 Millionen Euro.
Mitte März machen sich Meiners und zwei Unterstützer mit zwei Lkws und einem Multivan auf den Weg Richtung ukrainische Grenze, wo Rotary International ein Depot mit Hilfsgütern unterhält. Es geht aber nicht allein darum Hilfsgüter abzuliefern, sagt Meiners: „Wir nehmen Frauen, Kinder und ältere Menschen mit zurück nach Wolfsburg.“ Die jüngeren Männer bleiben in der Ukraine – und kämpfen für die Freiheit ihres Landes. Sandra Bengsch

Noch mehr Engagement
Zahlreiche Unternehmen zeigen sich engagiert und bieten Geflüchteten aus der Ukraine Unterstützung an. Zwei weitere Beispiele aus unserem IHKLW-Bezirk:
Die Metronom Eisenbahngesellschaft mbH bietet Geflüchteten aus der Ukraine kostenfreie Bahnfahrten in den Zügen von „metronom“, „enno“ und „erixx“. Die Geflüchteten müssen im Zug auf Nachfrage lediglich ihren Pass oder ein ukrainisches Ausweisdokument vorzeigen, dieser gilt im Regional- und Nahverkehr als Ticketersatz. Die Regelung erfolgt bundesweit in Abstimmung mit der Deutschlandtarifverbund GmbH und wird in Niedersachsen auch von der Landesverkehrsgesellschaft Niedersachsen mbH unterstützt.
Nicole Pettke und Andreas Czarschka, Inhaber der Hotelbetriebe GmbH & Co. KG aus Rühen im Landkreis Gifhorn, bieten Geflüchteten kostenfreie Zimmer an. „Wie viele andere wollen wir einfach helfen“, sagt Andreas Czarschka. Ihr Angebot haben sie an den Landkreis Gifhorn gemeldet, der die Unterbringung der Geflüchteten organisiert. „Die Kreisverwaltung ist dankbar für alle Hilfsangebote“, betont Landkreissprecher Jan-Niklas Schildwächter: „Auch Hotels sind grundsätzlich als Notfall-Unterbringung geeignet. Hierbei muss jedoch – wie bei allen Unterbringungen – die Versorgung und Verpflegung der Geflüchteten sichergestellt sein.“ Bei Bedarf werde die Kreisverwaltung auf alle Anbieter zugehen, um weitere Details zu klären.
Die Volksbank BraWo und die BraWo Stiftergemeinschaft haben eine Spenden-Aktion ins Leben gerufen. Gemeinsam mit Unternehmen und Verbänden der genossenschaftlichen Gruppe unterstützen sie das Deutsche Rote Kreuz (DRK) finanziell bei einem Ukraine-Soforthilfeprojekt. Die Volksbank verdoppelt hierbei jede Spende bis zu einer Gesamtsumme von 100.000 Euro.

Ob Angebote für eine Unterkunft, Geld- oder Sachspenden: Unternehmen, die den Menschen aus der Ukraine helfen möchten, finden weitere Informationen unter www.ihk-lueneburg.de/wirtschafthilft.