Eine runde Geschichte
50 Jahre Schinkenmanufaktur Basedahl: "Schinkenhöker“ Henning Basedahl erzählt von den Anfängen in Hollenstedt und was seinen Betrieb so unverwechselbar macht.
In der Spargelsaison ist Henning Basedahl jeden Tag um 4 Uhr aufgestanden. Kein Grund sich zu beschweren, sondern völlig normal zu jener Zeit des Jahres, in der sein Schinken bis weit über die Grenzen Niedersachsens noch beliebter ist als sonst, und in der im eigenen Hofladen geduldig angestanden wird, um sich ausreichend einzudecken. Das hat mit dem Geschmack des Schinkens zu tun, der in Handarbeit und über Wochen immer wieder gesalzen und gewendet wird, bis er in jahrzehntealten Räucherkammern zu einer zarten Delikatesse heranreift. Untrennbar verbunden ist dieser Zuspruch aber auch mit der Leidenschaft, mit der der 61-Jährige ein Familienunternehmen führt, das in diesem Oktober seinen 50. Geburtstag feiern kann.
Henning Basedahl ist überzeugt von dem, was er tut – weil er von seinem Produkt überzeugt ist. „In Deutschland geht niemand so gut mit Schinken um, wie wir selbst.“ Warum sollte er also wie alle „Geschäftsführer“ auf seine Visitenkarte drucken lassen? Selbstbewusst hat er den Titel „Schinkenhöker“ gewählt. Und vielleicht muss man diesen Schinkenhöker einmal in einem Feinkostgeschäft im Norden oder Süden des Landes erlebt haben, um zu verstehen, dass nur überzeugend verkaufen kann, wer wirklich weiß, wovon er spricht: „Ich renne dann vor der Theke auf und ab und lege den Leuten Schinken auf die Zunge“, sagt Henning Basedahl. Nicht, ohne ihnen von seiner Manufaktur zu erzählen. Mitunter frage er sich schon, wie lange er diese Art von „Storytelling“ eigentlich noch betreiben will. Und dann fährt er doch wieder los.
Neben dem Unternehmer sitzt seine Schwester Kirsten – Marketing-Beauftragte und aus Sicht der Eltern die gute Seele des Betriebs mit seinen insgesamt 17 Mitarbeitenden. „Macht es dir noch Spaß?“, fragt sie mit geschwisterlicher Selbstverständlichkeit. „Ja, auch wenn ich häufiger mal eine Pause mache als früher“, sagt der große Bruder und fügt hinzu: „Ich glaube, ich mache es immer noch von allen am besten, weil ich der Einzige hier bin, der alles kann.“ Henning Basedahl ist schon 1989 – nach einer Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann am Schlachthof Hamburg und einer zweijährigen Station in einem Spezialitätenvertrieb für europäische Wurstspezialitäten – in das Geschäft seines Vaters eingetreten, das er seit 1996 offiziell leitet. Ein Geschäft, das die insgesamt drei Geschwister seit frühester Kindheit kennen und dessen Anfänge in Ottensen zu finden sind, ein paar Stufen treppab an der Behringstraße. „Unsere Eltern betrieben dort einen Feinkostladen“, sagt Henning Basedahl und seine Schwester holt einen selbstgestalteten Kalender hervor, um dort in Schwarz-Weiß verewigte Fotos zu zeigen.
Die Erinnerungen sind noch sehr lebendig. An die Eltern, die immer viel zu tun hatten, aber trotzdem alle Mahlzeiten mit den Kindern einnahmen. Und die, um die wenige Zeit mit der Familie bestmöglich zu nutzen, Ende der 60er-Jahre ein Wochenendhäuschen in Hollenstedt anschafften. „Eine Bude auf einem Kiefernwaldgrundstück. Diese bummelig 24 Stunden am Wochenende waren für ein paar Jahre eigentlich die schönste Zeit für uns“, sagt Basedahl. Die „Bude“ gibt es immer noch, aber weil die Eltern langfristig aufs Land wollten, wurde Mitte der 70er ein Haus gebaut und schließlich die Idee umgesetzt, eigenen Schinken zu produzieren. „Die Lieferantin unseres Vaters kam aus einem Nachbardorf. Sie hatte ihm erklärt wie man Schinken macht, da sie selbst mehr Nachfrage als Angebot hatte.“ Er erinnere sich noch gut an einen Kunden: „120 bis 160 ganze Schinken haben wir dort in den Keller getragen – jeden Montag.“
Derartige Zeiten seien vorbei, aber trotz weniger Fleisch- und speziell Schweinefleischkonsum mag man im Hause Basedahl nicht klagen. Rund 280 Geschäfte zählen zu den Kunden, Feinkostläden wie Käfer in München genauso wie inhabergeführte Supermärkte. Handverlesene Vertriebspartner*innen muss man sagen, denn Henning Basedahl ist persönlich bei fast jedem einzelnen vorgefahren, um sich alles genau anzuschauen.
Das Basedahl-Team ist stolz auf seine Wurzeln und hat trotzdem immer an die Zukunft gedacht. Hat 1998 den eigenen Hofladen eröffnet – schon lange der „stärkste Kunde“ der Manufaktur. Hat der Marke – dank Kirsten Basedahl – vor zehn Jahren ein neues, modernes Branding verpasst, und 2021 den gut frequentierten Online-Shop eröffnet. Sie spricht gern scherzhaft von „Basedahl reloaded“ und ergänzt, dass der Anteil von Schinken aus Offenstallhaltung stetig zunehme. „Seit wir unser Fleisch vom Schlachthof Brand in Lohne beziehen, der auf Tierwohlprogramme spezialisiert ist, ist unsere Geschichte richtig rund“, sagt Henning Basedahl.
Eine Geschichte, in der bald ein neues Kapitel beginnen soll, denn er will nach einem externen Nachfolger suchen. „Man braucht einen Verrückten“, sagt der „Schinkenhöker“ und meint das als Kompliment. Er selbst wolle sein Unternehmen behutsam auf den richtigen Kurs bringen und den „Jungs in der Produktion“ nur noch in Notfällen „körperlich zur Verfügung“ stehen. Und er wünscht sich mehr Freiheit – auch für neue Lebensziele. Anders als die Eltern, die immer noch in Hollenstedt leben, wohnt er seit Jahren in Hamburg und liebt es zu reisen. Ein Verkauf komme trotzdem nicht in Frage. „Bei allen Ideen, die ich im Kopf habe, muss ich auch zugeben: Ich hänge sehr an diesem Stück Land und am Gebäude.“ Auch an diesem Feierabend wird er wieder hinaustreten und zumindest kurz aufs naturgeschützte Estetal direkt hinter der Manufaktur blicken. Auf die alten Bäume, den schön angelegten Garten. „Das ist auch ein bisschen mein Zuhause.“
Alexandra Maschewski
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