Sechs Generationen gelebte Gastlichkeit

Wer Sven Dierksen nach dem Konzept des Hotels Sellhorn fragt, bekommt als Antwort eine Gegenfrage: „Haben Sie zu Hause ein Gästezimmer? Wenn ja, dann machen wir es genau wie Sie. Wer Gäste hat, kümmert sich um deren Bedürfnisse und möchte, dass sich der Besuch rundum wohlfühlt. Das ist auch bei uns nicht anders.“ Ein bisschen anders natürlich schon. Der 34-Jährige und seine Schwester Nele Landschof (36) halten schließlich 44 Zimmer und sechs Suiten für ihre Gäste bereit und umsorgen diese mit 50 Angestellten. Im Hotel Sellhorn in Hanstedt in der Lüneburger Heide treffen professionelle Gastlichkeit auf persönliche Atmosphäre und Herzlichkeit. Und das seit 150 Jahren.
Das Jagdhorn baumelt symbolisch immer noch am Giebel des alten Hauses aus rotem Backstein. Mit etwas Fantasie lässt sich ausmalen, wie es damals war, als Fritz Sellhorn in seiner Landgaststätte „Unter den Linden“ die Gäste bewirtete. Wer heute das Haus betritt, befindet sich in einem Vier-Sterne-Hotelkomplex, der zeitgemäßen Komfort mit gelebter Familientradition verbindet. Dahinter steckt der Mut zu Innovationen und Investitionen, der sich wie ein roter Faden durch sechs Generationen zieht. Wenn es so etwas wie ein Familiencredo gäbe, dann könnte es in Landschofs Satz stecken: „Wir denken immer alles vom Gast her.“
Das war sicher so, als 1935 die erste Zen­tralheizung im Dorf bei Sellhorn eingebaut wurde. Auch, als schon 1947 die ersten Zimmer fließend warmes Wasser bekamen. Und sicher auch mit dem ersten Hotelschwimmbad in der Heide 1969. An- und Ausbauten, Sauna- und Wellnessbereich, dazu moderne Tagungsräume sind über die Jahre entstanden. „Wir haben viele Stammgäste, für die ist jeder Aufenthalt ein Nachhausekommen“, sagt Landschof. „Also stimmen wir Veränderungen auch gern mit ihnen ab.“ Die Umstellung von Badewannen auf Duschen war so eine Maßnahme. Zuletzt kamen ein Fitnessraum und ein kleiner Lobbybereich hinzu.
Auch beim Generationenwechsel 2016, als Ina und Axel Dierksen an ihre Kinder übergaben, wurde nichts dem Zufall überlassen. Tochter Nele hatte nach der Ausbildung zur Hotelfachfrau am Bodensee ein Studium Hotelmanagement angehängt, ihr Bruder lernte Restaurantfachmann in Celle und absolvierte die Hotelfachschule. Als Geschwister nun das Haus zu führen, das sei schon besonders, sagt Landschof: „Das Wichtigste ist, dass wir uns absolut vertrauen können.“ Die Aufgaben sind klar verteilt: Landschof verantwortet die Bereiche Personal, Verwaltung und Marketing während ihr Bruder Küche, Restaurant und Gebäude managt. Für alles andere gelte: „Die Ideen kommen auf den Tisch und wir wägen gemeinsam ab.“
Die Geschwister freuen sich im Jubiläumsjahr über ein gut gefülltes Haus. „Wir haben unser Konzept so weit verschärft, dass wir viele verschiedene Gästegruppen bedienen können“, sagt Dierksen. Seine Schwester ergänzt: „Unsere Gäste kommen im Winter zum Wellnessurlaub, im Herbst und Frühling zum Wandern, dazwischen zu Tagungen, Familientreffen oder zum Yoga-Retreat.“
Nach der Pandemie ist die Lüneburger Heide mit 6,8 Millionen Übernachtungen im Jahr 2022 als Urlaubsziel so gefragt wie nie, das spürt man auch im Hotel Sellhorn. „Urlaub in der Nähe ist total angesagt“, sagt Landschof, „das reißt auch nicht ab.“ Herausfordernd sei da eher die Personalsuche: „Man muss sehr rührig sein und sich präsentieren.“ Bewerbertage oder das IHK-Ausbildungsbotschafterkonzept tragen Früchte. Dazu wurde das Sellhorn als Top-Hotel jetzt zum zweiten Mal in Folge mit dem „Goldenen Kompass“ des Ringhotel-Verbundes ausgezeichnet. Das Chef-Duo ist stolz auf seine Crew: „Unsere Mitarbeitenden leben wirklich das Gastgeber-Sein und verkörpern damit die Philosophie des Hauses. Der gemeinsame Erfolg motiviert uns.“
Zuletzt wurde das Restaurant, das für seine feine regionale Küche bekannt ist, noch einmal umgebaut. Aktuell steht die Renovierung von neun Zimmern auf Dierksens Liste. Routine so weit. Sein Fazit: „Wir haben mehr zu tun denn je und stehen gefestigt auf beiden Beinen. Das Haus hat jetzt die optimale Größe.“ Von seiner Schwester kommt prompt ein skeptischer Seitenblick: Sie will nichts ausschließen, offen bleiben für Neues. Dabei muss sie lachen: „Das ist typisch für uns: Ich bin eher die Emotionale, er der Rationale.“ Klar ist: Sie werden weiter ihr Herzblut und Können für die Zufriedenheit der Gäste geben. Das steckt einfach in den Genen. Ute Klingberg