Autos mit Seele

Da schlägt das Herz von Auto-Liebhabern höher: Mit Sorgfalt und Sachverstand verwandelt Wolfgang Sommer betagte Mercedesmodelle in glänzende Wunsch-Oldtimer. Am 1. März feiert der Inhaber von Sommer Classic Cars sein 25-jähriges Firmenjubiläum.
Gründlich ist er immer. Aber kurz vor dem Finale wird es regelrecht penibel. Etwa beim 280er aus dem Jahr 1977. „Da mache ich gerade den allerletzten Schliff“, sagt Wolfgang Sommer. „Den Spiegel habe ich eben noch einmal ausgetauscht, der gefiel mir nicht zu 100 Prozent. Und auch zwei Zierleisten, die waren nicht schön genug. Jetzt steht er wieder in absolutem Glanz da.“ Das sei immer wieder ein besonderer Moment, sagt der 60-Jährige. „Ich habe ja oft schon ein Bild vom stolzen Schwan vor dem inneren Auge, während er noch als hässliches Entlein vor mir steht.“
Wolfgang Sommer redet nicht über Tiere, nicht über Kunst, sondern über Autos. Genauer: über Modelle der Marke Mercedes aus den 50er bis 70er Jahren. Die Oldtimer wieder zum Leben zu erwecken, ist eine Aufgabe, der er sich mit Leidenschaft verschrieben hat. „Für mich ist das, was ich tue, eine Berufung“, sagt er ganz ohne Pathos. Warum es die Marke mit dem Stern sein muss? Da gibt es zwei Antworten: Die eine hat dann doch ein bisschen mit Kunst zu tun, sicher jedenfalls mit Ästhetik: „Die Brillanz von Mercedes und die Schönheit der alten Modelle machen den Reiz aus. Wenn ich mir die Lenkräder angucke oder so ein Armaturenbrett mit diesen filigranen Chromknöpfen: ein bisschen verspielt und dabei einfach wunderschön.“ Die andere Antwort steckt quasi unter der Motorhaube, hat mit Qualität und Langlebigkeit der Fahrzeugkomponenten zu tun: „Diese Autos wurden noch für die Ewigkeit produziert“, sagt Sommer, „das gibt es heute nicht mehr.“
Wolfsgnag Sommer hockt neben einem blauen Mercedes in einer Garage.
Wolfgang Sommer berät seine Kunden von der Fahrzeugsuche bis zur Schlusspolitur. © Hans-Jürgen Wege
Sein Handwerk hat er gründlich gelernt. In einer Hamburger Autowerkstatt absolvierte Sommer Ende der 70er Jahre die Ausbildung zum Automechaniker und Karosseriebauer. Nachdem er sich 1986 in Winsen-Rottorf selbständig gemacht hatte, galt seine Werkstatt bald im Hamburger Raum als gute Adresse für solide, gebrauchte Mercedesmodelle. Als Sommer schließlich eine Handvoll Mitarbeiter hatte, aber mit der Arbeit trotzdem kaum noch hinterherkam, riss er das Steuer herum: „Qualität war mir immer wichtiger als Quantität.“ Auf dem elterlichen Hof im kleinen Dörfchen Seedorf im östlichen Landkreis Lüneburg eröffnete Sommer 1997 seine kleine, feine Werkstatt „Classic Cars“. Als Ein-Mann-Betrieb kann er sich hier auf dem platten Land ganz seiner Geschäftsidee widmen: Restauration von und Handel mit Oldtimern. „Mein Grundgedanke war immer, Mercedes-Oldtimer nach Wunsch zu liefern und den lebe ich auch. Man kann bei mir jedes Modell mit jeder Ausstattung bestellen wie bei einem Autohändler in den 70er Jahren.“ Klar, dass der Weg zum Wunschauto nicht über einen Katalog, sondern über die Expertise des Fachmanns führt. Sommer berät seine Kunden von der Fahrzeugsuche bis zur Schlusspolitur. Das Motto: „Du fährst, ich kümmere mich um den Rest.“ So bietet er über seine Webseite eine telefonische Beratung an mit dem Ziel, brauchbare Fahrzeuginserate auf digitalen Plattformen herauszufiltern. Auf Wunsch begleitet er den kompletten Kaufprozess. Wer wenig Ahnung habe, falle schließlich leicht auf „Blender“ und „Groschengräber“ herein: „Davon gibt es eine Menge auf dem Markt.“
Dem Profi hingegen ist Kostentransparenz genauso wichtig wie Qualität. Schließlich müssen Kunden neben dem Kaufpreis meist noch etliche tausend Euro für die Restauration ihres Traumautos aufbringen. Das kommt bekanntlich nicht vom Fließband, sondern wird in vielen Stunden bis ins Detail runderneuert und aufgearbeitet. Außer den Polster- und Lackierarbeiten führt Sommer alle Arbeitsschritte selbst aus, kann also Kosten realistisch einschätzen und zudem auf ein riesiges Ersatzteillager zurückgreifen, das mittlerweile zwei Scheunen füllt. „Wenn der Kunde beige Velourspolster und den blauen Orginallackton haben will, dann kriegt er das.“
Und wer leistet sich ein Traumauto, das keinen Airbag, dafür aber einen immens hohen Spritverbrauch hat? „Oldtimerfahren ist ein Hobby, das unglaublich viel Spaß bereitet“, sagt Sommer, „da geht es nicht um die Fahrt zur Arbeit.“ Ältere Kunden kennen den Mercedes oft noch aus ihrer Kindheit. Aber es gebe durchaus auch junge Oldtimerfans: „Die finden die Autos einfach gut und wollen bewusst nichts Modernes.“ Auch Sommer selbst kann heutigen Autos wenig abgewinnen: „So ein Computer auf vier Rädern ist nicht meine Welt.“ Muss es auch nicht. Während das Land über Klimawandel und Elektromobilität diskutiert, befreit er weiter alte Fahrzeuggestelle vom Rost, zerlegt Motoren und Getriebe sorgfältig und baut sie wieder zusammen. Das ist schließlich auch eine Form von Nachhaltigkeit. Ute Klingberg