Das läuft gut!

Schon Ötzi, der Steinzeitmensch, trug Schuhwerk. Es passt also irgendwie, dass Schuhgeschäfte oft auf eine lange Tradition zurückblicken können. Und auch wenn Schuhe heute Industrieware sind, hat das alte Handwerk vielerorts überlebt – etwa als Orthopädieschuhmacherei. So ist es beim Schuhhaus Dittmer in Amelinghausen, dessen Geschichte stolze 400 Jahre zurückreicht.
Zog der Schuhmacher Backeberg einst mit der Ware übers Land, führt Familie Dittmer, die 1899 übernahm, seit nunmehr vier Generationen ein Schuhgeschäft mit angeschlossener Werkstatt. Und diese Kombination aus Handel und Handwerk ist heute mehr wert als jemals zuvor, ist Orthopädieschuhmachermeister Jörg Dittmer überzeugt: „Ohne unser Handwerk würde es uns als Schuhgeschäft nicht mehr geben.“
Dass es gut läuft bei „Laufgut“ Dittmer im südlichen Landkreis Lüneburg, hat auch damit zu tun, dass Dittmer sich in den letzten 100 Jahren mehrfach neu erfunden hat. „Mein Großvater war noch der klassische Schuhmacher, mein Vater dann mehr der Händler“, sagt der 54-Jährige, der sich selbst irgendwo dazwischen verortet: „Ich bin sehr gern Handwerker. Aber die Beratung der Kunden ist das, was mir am meisten Spaß macht.“
Weil jede Generation dem Unternehmen einen eigenen Stempel aufdrückte, konnten die Fußexperten mit der Entwicklung Schritt halten. So führte Gerd Dittmer seit 1974 das Geschäft als Vollsortimenter mit Schuhen für die ganze Familie: „Davon konnten wir gut leben“, sagt sein Sohn. „Wir hatten alles – von hohen Schaftstiefeln über Fußballschuhe bis zu Arbeitsschuhen und Badelatschen. Und in der Werkstatt wurden höchstens mal ein paar Absätze erneuert.“
Das änderte sich, als Jörg Dittmer nach Ausbildung und beruflichen Stationen in Norddeutschland die Meisterschule abschloss und 1998 in den Betrieb zurückkehrte. Er baute die Orthopädie-Werkstatt neu auf und erhielt eine Zulassung der Krankenkassen. Nach und nach erneuerten Vater und Sohn auch das Ladenkonzept, bauten mehrfach um. Wer mit einem Rezept für Schuheinlagen kam, sollte bei Dittmer nun auch die perfekt passenden Schuhe bekommen. „Das war von Anfang an erfolgreich. Der Umsatz hat sich Jahr für Jahr gesteigert“, sagt der Handwerksmeister. „Dazu war für uns als Händler klar, dass wir uns spezialisieren müssen, wenn wir in Zeiten von E-Commerce noch eine Chance haben wollen.“ Dittmer trennte sich also von Kinderschuhen, Pumps und Gummistiefeln und konzen­trierte sich auf ausgewählte Marken, die für Qualität, Bequemlichkeit und Laufvergnügen stehen.
Seit 2017 hat er vollständig auf das vom Händlerverbund Sabu entwickelte „Laufgut“-Konzept umgestellt. Das Sortiment beweist: Wohlfühlschuhe sind schon lange keine tristen Treter mehr, sondern vereinen Komfort mit Stil und modischem Touch. Nicht nur gut sitzen, sondern auch gut aussehen muss der Schuh, weiß der Händler: „Wir gehen mit der Zeit, machen aber nicht jeden Hype mit.“ Ohne die Familie läuft aber auch hier nichts. Silvia Dittmer ist die Expertin für Kompressionsstrümpfe und kümmert sich um eine attraktive Ladengestaltung: „Sie hat einfach den richtigen Blick dafür, da kriegen wir viele positive Rückmeldungen“, lobt ihr Ehemann. Mutter Christa Dittmer half noch bis vor wenigen Monaten im Verkauf, dazu beraten sechs Angestellte die Kunden. Das Geschäft steuern Menschen mit speziellen Fußproblemen genauso gern an wie Urlauber, die Schuhe für die Heidewanderung brauchen. Gutes Gehen erfordere eben gutes Schuhwerk, gute Beratung und bisweilen orthopädische Hilfsmittel, sagt Dittmer: „Da scheinen wir doch vieles richtig zu machen. Denn die Kunden kommen ja wieder.“ Ob sein Geschäft auch die 500 Jahre schafft, ist Jörg Dittmer gar nicht so wichtig. Hauptsache, seinem Stiefsohn Chavez Haberlandt (25), der kurz vor dem Meistertitel als Orthopädieschuhmacher steht, macht die Arbeit weiterhin Freude. Er wird künftig das zweite Geschäft mit Werkstatt in Walsrode führen. Auch wenn Dittmer sich aktuell mit der Umsetzung des E-Rezeptes und bürokratischen Hürden herumschlagen muss, sieht er für sein Geschäftsmodell in Zukunft gute Chancen: „In einer alternden Gesellschaft mit Übergewicht und Diabetes als Volkskrankheiten ist das Potenzial vorhanden. Wenn wir beim Engagement nicht nachlassen, dann läuft es auch.“ Er wolle schließlich, dass ein alter Spruch seiner Zunft Bestand hat, sagt Dittmer im Scherz. Der lautet wie? „Vieles ändert sich, aber der Absatz bleibt weiter hinten.“ Ute Klingberg
IHK Lüneburg-Wolfsburg
Am Sande 1 | 21335 Lüneburg
Tel. 04131 742-0
Mail: service@ihklw.de