Mit Mut und polnischer Kochkunst

Man hatte sie gewarnt: Eine Gaststätte auf dem Dorf übernehmen? Noch dazu in einer strukturschwachen Gegend wie dem Wendland? Der Berater im Jobcenter habe ihr dringend abgeraten, sagt Hanna Brillowski: „Aber ich wusste ja, wie es funktionieren kann. Also habe ich mir gesagt: Es wird schon gutgehen.“

Deutscher Name, polnische Küche
25 Jahre später ist die Frau, die alle hier nur Hanna nennen, immer noch da, wo sie am 1. Mai 2000 Eröffnung feierte: im Eichenkrug Nienwalde. Deutscher kann eine Gaststätte nicht heißen. Doch die gebürtige Polin hat dem Haus längst ihren eigenen Stempel aufgedrückt. Ihr Eichenkrug ist Treffpunkt für Nachbarn, Ausflugsziel für Urlauber, beliebte Location für Familienfeiern und auch gastronomisch eine Besonderheit: Mit polnischen Spezialitäten hat sich Hanna Brillowski eine treue Fangemeinde erkocht.
Es ist also gutgegangen. Geholfen hat der Gastwirtin sicher ihr Optimismus, mehr noch Fleiß, Beharrlichkeit und ganz viel Herzblut. Mit Neuanfängen kannte sich Hanna Brillowski, die 1990 aus dem polnischen Kielce nach Lüchow gekommen war, ohnehin aus. „Es war schwierig. Ich konnte die Sprache nicht und mir fehlte das Stadtleben.“ Sie jobbte in einer Hotelküche und später als Bedienung im Restaurant. Deutsch habe sie vor allem im Kontakt mit Kollegen und Gästen gelernt, „sie haben mich nur nicht genug verbessert“, sagt sie lachend.
Keine halben Sachen
Halbe Dinge passen offensichtlich nicht zu ihr. Was sie anpackt, muss auch wirklich gut sein. Das gilt auch für ihr Projekt Selbständigkeit: Mit einem befreundeten Koch wollte sie zuerst den leerstehenden Gasthof im 300-Einwohner-Dorf Nienwalde übernehmen. „Als der absprang, war für mich klar: Dann mache ich es eben allein.“ Mit Ehemann und Tochter zog sie in die Wohnung über der Gaststube und richtete sich unten eine Küche nach ihren Wünschen ein. „Die Nachbarn waren glücklich, dass der Eichenkrug wieder belebt war. Aber die ersten Jahre waren trotzdem nicht leicht.“ Wenn sich die Mitglieder der örtlichen Feuerwehr oder des Sparclubs im Eichenkrug trafen, servierte die Köchin Schnitzel, Currywurst und Pommes, so wie sie es in Deutschland gelernt hatte. Irgendwann habe ein Gast gefragt, warum sie nicht mal polnisches Essen anbiete. „Da fing ich an, zu experimentieren“, sagt sie. „Geärgert hat mich nur, dass ich als Kind selten in der Küche geholfen habe. Also habe ich mir am Telefon Rat bei meiner Mutter geholt, denn es sollte ja so schmecken, wie ich es von früher in Erinnerung hatte.“
Perogi aus dem Eichenkrug
Schnitzel gibt´s überall, aber Hannas Kohlrouladen (in Tomatensauce), ihre Pierogi und ihre Rote-Bete-Suppe, die gibt es eben nur im Eichenkrug. Geradezu legendär auch das polnische Buffet: Dafür wurde der Festsaal in den Nationalfarben rot und weiß geschmückt und Hanna Brillowski kochte tagelang, um all die typischen Gerichte aufzutischen, die die vielen Stammgäste schätzen gelernt hatten. Binnen einer Woche gab es für das Buffet nicht selten 100 Anmeldungen, vor zwei Jahren hat sie das Erfolgskonzept schweren Herzens eingestellt. „Ich finde einfach keine Aushilfskräfte. Und mit der Familie allein ist es nicht zu schaffen.“
Zwischen Optimismus und Zukunftssorgen
Hanna Brillowski kocht frisch und sie macht alles selbst. Das freut die Gäste, zahlt sich aber nicht unbedingt aus. Und dämpft sogar den unerschütterlichen Optimismus. Wegen der gestiegenen Kosten bleibe am Ende immer weniger Gewinn, sagt die Wirtin, die noch eine Servicekraft beschäftigt. „Ich kann aber auch die Preise nicht unendlich erhöhen. Eine Familie soll sich das Essengehen auch noch leisten können.“ Das Dilemma beschäftigt sie. Und an die Zukunft mag sie gar nicht so gern denken. Sie ist jetzt 65, steht bis in der Nacht am Herd, die freien Tage sind gefüllt mit Einkaufen, Saubermachen und Vorbereiten. „Manchmal denke ich: Wenn jetzt jemand käme, der den Eichenkrug übernehmen will, sollte ich ja sagen. Andererseits macht es aber doch noch Freude.“ Was zum Beispiel? „Wenn die Teller leer zurückkommen.“ Oder wenn so etwas passiert wie neulich, als sie aus der Küche geholt wurde. „Ich habe zuerst einen Schreck gekriegt und gedacht: Was habe ich bloß falsch gemacht?“ Was kam, war ein dickes Lob für ihre Kochkünste. „In solchen Momenten hat man doch gleich wieder bessere Laune. Und dann denke ich: Was ich mache, ist wirklich gut.“ Ute Klingberg