4 min
Lesezeit

„Wir brauchen einen klaren Kurs, der Investitionen fördert“
Herr Kirschenmann, welche wirtschaftlichen Themen sind für die regionale Wirtschaft besonders dringlich und sollten ganz oben auf der Agenda der neuen Bundesregierung stehen?
Die regionalen Unternehmen erwarten von der neuen Bundesregierung, dass sie sich auf zentrale Themen konzentriert: Bürokratieabbau, Senkung der Energiepreise, Fachkräftegewinnung und -bindung sowie eine wettbewerbsfähige Infrastruktur. Wir brauchen eine klare und zukunftsfähige Wirtschaftspolitik, die Investitionen fördert und die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen stärkt, statt die Wirtschaft mit unnötigen bürokratischen Hürden zu bremsen.
Die deutsche Wirtschaft steckt in einer Stagnation. Welche Maßnahmen erwarten Sie von der neuen Bundesregierung, um die wirtschaftliche Dynamik wieder anzukurbeln und das Wachstum zu fördern?
Die Bundesregierung muss einen klaren Kurs vorgeben, der Investitionen unterstützt. Drei Sofortsignale halte ich für besonders wichtig: Erstens, eine Senkung der Strompreise durch eine Ausweitung des Angebots und durch Senkung der Netzentgelte. Zweitens, die beschleunigte Genehmigung von Infrastrukturprojekten durch eine Reduzierung von Planungs- und Genehmigungsstandards. Drittens, eine umfassende Unternehmenssteuerreform mit starken Investitionsanreizen, da die letzte Reform schon 16 Jahre zurückliegt. Auch die Digitalisierung der Verwaltung muss endlich ernsthaft vorangetrieben werden.
Wie kann es gelingen, die Energiepreise langfristig zu senken und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu sichern?
Die Vollversammlung unserer IHKLW hat dazu Ende 2024 eine Resolution verabschiedet, die konkrete Maßnahmen vorschlägt: Kurzfristig müssen die Energiepreise stabilisiert und die Abgaben gesenkt werden. Langfristig brauchen wir eine Energiestrategie, die den Ausbau erneuerbarer Energien vorantreibt und die Versorgungssicherheit gewährleistet. Für Resilienz und Versorgungssicherheit bei Extremwetterlagen braucht es ein leistungsfähigeres europäisches Stromnetz mit neuen Leitungen und zusätzlichen Grenzkuppelkapazitäten. Außerdem sollten Technologien zur Steuerung von Angebot und Nachfrage sowie Speicherlösungen intensiver gefördert und erprobt werden. Eine verbesserte Energieeffizienz und der gezielte Ausbau von Infrastrukturprojekten wie Smart Grids könnten helfen, die Kosten auf Dauer zu senken. Die Energiewende muss insgesamt wirtschaftlicher umgesetzt werden.
Welche bürokratischen Hürden müssen Ihrer Meinung nach dringend abgebaut werden, um Unternehmen zu entlasten?
Es gibt noch immer zahlreiche bürokratische Hemmnisse, die Unternehmen in ihrer Entwicklung behindern. Besonders problematisch sind langwierige Genehmigungsverfahren und komplizierte Steuer- und Förderantragsprozesse. Die Einführung eines einheitlichen digitalen Verwaltungssystems, das eine schnellere Bearbeitung ermöglicht, wäre ein erster Schritt. Außerdem sollten bürokratische Anforderungen an mittelständische Unternehmen stärker hinterfragt und auf das Wesentliche reduziert werden. Ein aktuelles Beispiel ist das Verpackungs- und Einwegkunstofffondsgesetz, das Hersteller bestimmter Einwegkunststoffprodukte verpflichtet, eine Sonderabgabe zu entrichten. Absurd ist, dass die betroffenen Unternehmen auf gleich zwei unterschiedlichen Plattformen Meldepflichten erfüllen müssen.
Der Fachkräftemangel ist ein weiteres großes Thema. Was muss die neue Regierung tun, um die Ausbildung und Zuwanderung von Fachkräften zu fördern und Unternehmen bei der Suche nach qualifiziertem Personal zu unterstützen?
Wir brauchen eine zukunftsorientierte Fachkräftepolitik, die sowohl die Ausbildung von jungen Talenten als auch die Zuwanderung von qualifizierten Fachkräften aus dem Ausland fördert. Die Förderung von Ausbildung in MINT-Berufen und eine stärkere Verzahnung von Wirtschaft und Schulen sind ebenso wichtig wie ein vereinfachtes Zuwanderungsrecht für qualifizierte Arbeitskräfte. Wir müssen außerdem auf eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie setzen, um das Potenzial in Deutschland besser auszuschöpfen.
Wie beurteilen Sie die derzeitige Standortattraktivität Deutschlands für Unternehmen?
Deutschland hat als Wirtschaftsstandort nach wie vor viele Stärken, doch wir müssen mehr tun, um international konkurrenzfähig zu bleiben. Dazu gehört der Ausbau der digitalen und der Verkehrsinfrastruktur, die Förderung von Innovationen und die Investition in eine nachhaltige Energiewende. Die bürokratischen Prozesse müssen gestrafft und die Steuern wettbewerbsfähig bleiben. Nur so können wir die Standortattraktivität langfristig sichern.
Welche langfristigen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen sind Ihrer Meinung nach notwendig, um den Unternehmen eine stabile Planung und nachhaltiges Wachstum zu ermöglichen?
Unternehmen brauchen klare, verlässliche Rahmenbedingungen, um nachhaltig zu planen. Ein wichtiger Punkt ist eine langfristige Steuerpolitik, die Investitionen fördert und nicht durch ständige Änderungen verunsichert. Auch ein stabiler Rechtsrahmen für Unternehmen und mehr Investitionen in Forschung und Entwicklung sind unabdingbar. Die Politik muss dabei nicht nur auf kurzfristige Lösungen setzen, sondern eine langfristige Perspektive entwickeln, die Wirtschaft und Gesellschaft gleichermaßen stärkt und Deutschland wieder auf Augenhöhe mit den führenden Ländern der Welt bringt.
Sandra Bengsch
Kontakt