„Wolfsburg wird auch in Zukunft das Herz des Konzerns sein“

Über Volkswagens Elektro-Offensive, das Trinity-Werk und was dem Konzern in Zusammenarbeit mit Partner*innen wichtig ist: Ein Interview mit Volkswagen-Chef Dr. Oliver Blume.
Herr Dr. Blume, kürzlich sagten Sie bei einem Vortrag, die Automobilindustrie werde sich in den nächsten fünf Jahren mehr verändern als in den vergangenen 50 Jahren insgesamt. Werfen Sie mal einen Blick in die Zukunft: Wie sieht die Mobilität von morgen aus?
Die Mobilität von morgen ist elektrisch, digital und nachhaltig. Die Transformation in diese neue Mobilitätswelt lässt sich vergleichen mit dem Wechsel vom Pferd auf das Auto. Im Kern umfasst sie einen Zeitraum von 15 Jahren – und wir befinden uns mittendrin. Die ersten fünf Jahre haben gezeigt, welche Antriebstechnologie funktioniert. Wir wissen heute: Die elektrische Mobilität ist die Zukunft. Und wir sind bereits gut unterwegs: Im vergangenen Jahr haben wir im Volkswagen-Konzern rund 26 Prozent mehr vollelektrische Autos ausgeliefert als im Vorjahr. Bis 2030 werden wir unseren rein elektrischen Anteil an den Auslieferungen in Europa auf mehr als 70 Prozent steigern. Bei Porsche sollen es im Jahr 2030 weltweit sogar mehr als 80 Prozent sein. Damit treiben wir eine der ambitioniertesten Elektro-Offensiven der Automobilbranche voran. In den nächsten zehn Jahren der Transformation werden wir auch die wesentlichen technologischen Fortschritte in Bezug auf die digitalen Ökosysteme sehen. Wir gehen das genauso entschlossen an.

Als „Meilenstein der Transformation“ bezeichnet Volkswagen auf der Projektwebsite das geplante Trinity-Werk in Wolfsburg-Warmenau. Wie ist der aktuelle Planungsstand?
In Wolfsburg wird auch in Zukunft das Herz des Konzerns sein. Hier entstehen technologisch innovativste Fahrzeuge. Hier wird ein Schwerpunkt der neuen Produktions-Plattform SSP entwickelt. Und hier werden wir unseren Stammsitz so ausrichten, dass die Produktion international wettbewerbsfähig bleibt. Das ist nach wie vor unser oberstes Ziel. Wie der Weg zu diesem Ziel aussieht, diskutieren wir gerade. Die Frage, ob wir eine neue Trinity-Fabrik benötigen oder aber eine Alternativlösung innerhalb des bestehenden Werks finden, können wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abschließend beantworten. Wir halten uns Warmenau als Option offen. Die Entscheidung hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab. Wichtig dabei ist: Wir denken stets in Chancen.

Gerade in der Transformation spielen Partner*innen eine wichtige Rolle. Welche ist dabei für Volkswagen besonders inte­ressant – heute und in Zukunft?
Für eine schnellere Transformation ist besonders der Aufbau von Software-Expertise im Unternehmen nötig. Diesen Plan haben wir konzernweit bei unserer Software-Tochter Cariad zentriert. Bei Cariad beschleunigen wir jetzt unser Tempo – auch indem wir uns weiter für Partnerschaften öffnen. Insbesondere für zügige Fortschritte beim assistierten und autonomen Fahren greifen wir auf Expertise von außen zurück, zum Beispiel mit Horizon Robotics in China oder mit Mobileye für Premium-Assistenzsysteme bei Porsche. Wichtig bei allen Partnerschaften ist das konstruktive Miteinander. Respekt und Vertrauen sind die Basis, um im Team Erfolg zu haben.

Volkswagen will im kanadischen St. Thomas seine bislang größte Batteriezellenfabrik errichten und dafür bis zu 4,8 Milliarden Euro investieren. Als Sie Ende April eine Vereinbarung für den Bau des Werks unterzeichnet haben, betonten Sie die große Unterstützung Kanadas durch Subventionen und eine Energiepreisgarantie und mahnten an, Europa müsse bessere industrielle Rahmenbedingungen schaffen. Was genau wünschen Sie sich für den Industriestandort Europa?
In Nordamerika wird intelligente Wirtschaftspolitik betrieben. Das Risiko wird durch zukunftsgerichtete Steueranreize zwischen Unternehmen und den Bundesstaaten geteilt. Dazu gibt es extrem günstige Energiepreise mit einer garantierten Deckelung. Für Investoren schafft das wichtige Planungssicherheit. Wir haben in Europa die Technologien, das Know-how und die richtigen Menschen. Es braucht jetzt die richtigen industriellen Rahmenbedingungen, sonst wandern Schlüsseltechnologien nach Asien oder Nordamerika. Ein zentrales Beispiel ist die Planungssicherheit bei den Energiekosten: Ein Cent zusätzlich beim Strompreis pro Kilowattstunde bedeutet in unserer Batteriefabrik in Salzgitter 100 Millionen Euro Mehrkosten pro Jahr. Sandra Bengsch
IHKLW-Sommerfest
Über die Transformation der Mobilität spricht Dr. Oliver Blume, Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG, beim Sommerfest unserer IHK Lüneburg-Wolfsburg (IHKLW) am Donnerstag, 29. Juni, im Neuen Rathaus in Celle. Im Fokus der geschlossenen Veranstaltung stehen die Megatrends rund um den Wandel zu softwarezentrierter, nachhaltiger Mobilität sowie politische Rahmenbedingungen, die unter anderem mit Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies diskutiert werden.