Auf den Fisch gekommen

Weil Fisch und frisch nur zusammen geht, nimmt Sabine Eschen lange Wege in Kauf. Den vielen Stammkunden schmeckt es.
Wenn Sabine Eschen um neun Uhr am Morgen ihr Geschäft aufschließt, dann liegt schon ein langer Arbeitstag hinter ihr: Aufstehen gegen zwei Uhr, Fahrt mit dem Lieferwagen zum Hamburger Fischmarkt um halb drei, zurück gegen sechs, Fisch für den Verkauf vorbereiten, Salate herstellen. Ab und zu in den vergangenen 25 Jahren hat sie darüber nachgedacht, sich die Ware kommen zu lassen, sich aber dann dagegen entschieden. „Dann würde ich am Abend vorher beliefert“, sagt die 51-Jährige. „Das hätte nicht mehr so den absolut frischen Charakter und das gefällt mir nicht.“  
Und außerdem: Der Trubel in den Fischhallen, der Schnack mit den Kollegen, die Neugier auf das wechselnde Angebot, das gehört für sie einfach dazu: „Es gibt unendlich viele Arten und Zubereitungsmöglichkeiten, da lernt man nie aus“, sagt die Kennerin, „Fisch ist einfach spannend.“ 
Fisch und frisch – das reimt sich nicht nur, das gehört unbedingt zusammen. Dass Sabine Eschen dabei keine Kompromisse eingeht, das schätzen ihre Kunden sehr und nehmen dafür auch längere Wege aus dem gesamten Landkreis Lüchow-Dannenberg und dem Nachbarkreis Uelzen in Kauf. Viele nutzen die Möglichkeit, vorab zu bestellen. So weiß die Händlerin nicht nur genau, was sie ordern muss, auch die Kunden sind sicher, dass sie das Gewünschte bekommen. Und wer irgendwo auf der Strecke wohnt, dem wird die Tüte mit fangfrischem Fisch sogar nachts an die Haustür gehängt.  
Dass die Lüneburgerin auf den Fisch kommen würde, war nicht vorhersehbar. Als Schülerin bewarb sie sich auf einen Aushilfsjob in der „Nordsee“-Filiale ihrer Heimatstadt. „Ich hatte keine Ahnung von Fisch, aber dort Fischbrötchen verkaufen, das hat mir Spaß gemacht. Und mit dem Kennenlernen kam dann auch der Appetit.“ So sehr, dass die junge Frau blieb und eine Ausbildung als Einzelhandelskauffrau absolvierte.  
Der Liebe wegen zog es sie später ins Wendland, wo sie mangels Alternativen eine zweite Ausbildung als Speditionskauffrau anhängte. Es wäre wohl bei einem Berufsleben im Büro geblieben, hätte Sabine Eschen nicht bei einem Bummel mit ihrem Mann durch Dannenberg überrascht festgestellt: „Hier gibt es ja gar kein Fischgeschäft!“  
Als wenig später eines der historischen Gebäude in der Fußgängerzone zum Verkauf stand, schlug das Paar zu. Mit viel Muskelkraft und Herzblut erweckten sie die alte Färberei zu neuem Leben, richteten oben eine Wohnung ein, während sich die junge Frau im Erdgeschoss ihren Traum erfüllte: ein eigenes Fisch- und Feinkostgeschäft.  
„Ich wusste aus Erfahrung, was die Leute gern kaufen und habe das Grundsortiment entsprechend bestückt“, sagt die Inhaberin. Frischer Seefisch und Räucherfisch – das geht immer. Dazu bietet sie selbst gefertigte Feinkost und Marinaden an, zur Auswahl gehört der klassische Heringssalat genauso wie Brathering oder Krabbencocktail.  
Die Vielfalt ist mittlerweile gewachsen: „Meine Kunden sind experimentierfreudig“, sagt Sabine Eschen. „Ich werde oft gefragt: Was haben Sie denn diese Woche Neues?“ Als bewährter Grundsatz gelte: „Ich lasse nur in die Theke, was mir selbst auch schmeckt.“ 
Weil es nicht nur ihr selbst schmeckt, hat das Geschäft mittlerweile viele Stammkunden. Und die lassen ihre Fischhändlerin auch in Coronazeiten nicht hängen. Während die Nachfrage nach Fischplatten und Buffets rapide gesunken ist, hat der Verkauf von Frischfisch angezogen: „Viele Wendländer arbeiten jetzt im Homeoffice, da wird häufiger in der Familie gekocht“, sagt Sabine Eschen. „Und junge Leute schauen gern Kochsendungen und probieren Rezepte aus.“  
Vor zwei Jahren hat das Paar den Laden noch einmal komplett renoviert. Seit einem schweren Unfall im vergangenen Jahr ist die Inhaberin doppelt froh, dass nur an drei Tagen geöffnet ist. Ihr Mann hilft beim Kistenschleppen, die „Versuchsküche“ bleibt ihr eigenes Reich. Dort kreiert sie ihre Fischpralinen oder Kräutercrepes mit Lachs und Käse – der Fundus an Ideen ist unerschöpflich und spornt an: „Wenn jemand sagt, das hat toll geschmeckt, dann bin ich der glücklichste Mensch.“
Ute Klingberg
IHK Lüneburg-Wolfsburg
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