Strom für sechs Cent?

Chemie, Stahl und Metall, Glas und Papier, aber auch Fotovoltaik, Batteriezellen und Halbleiter: Für energieintensive Branchen soll der Strom günstiger werden. Sowohl das Bundeswirtschaftsministerium in Berlin als auch die Landesregierung in Hannover haben kürzlich Konzepte für besondere, vergünstigte Preise für Industriebetriebe vorgelegt.
Noch ist nichts entschieden. Zurzeit laufen Abstimmungsgespräche zwischen dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, dem Bundesministerium der Finanzen und dem Kanzleramt. Sowohl die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) als auch unsere IHKLW positionieren sich daher schon jetzt zu den bisher bekann­ten Plänen und fordern Nachbes­serungen.
„Wir begrüßen, dass die Politik auf eine Senkung der Strompreise für die Industrie drängt“, sagt IHKLW-Hauptgeschäftsführer Michael Zeinert. „Allerdings kritisieren wir den Weg. Wir fordern stattdessen, die Netzentgelte zu reduzieren und die Unternehmen von Steuern und Umlagen zu entlasten. Unser Ziel ist, dass alle Betriebe profitieren und nicht nur wenige ausgewählte.“ Aktuell bezahlen deutsche Betriebe etwa den vierfachen Strompreis eines französischen Wettbewerbers. „Will der Wirtschaftsstandort Deutschland wettbewerbsfähig bleiben, brauchen wir auch wettbewerbsfähige Strompreise“, so Zeinert weiter. Noch seien die bürokratischen Einschränkungen, Nachweispflichten und Regulierungen in den Entwürfen der Politik zu hoch. „Ein großer Teil der kleinen Betriebe bleibt außen vor“, kritisiert Zeinert. „Die massiv gestiegenen Strompreise betreffen aber die ganze Breite der Wirtschaft. Ein günstigerer Strompreis sollte daher allen Betrieben zur Verfügung stehen.“ Zu berücksichtigen sei außerdem, dass auch bei heute weniger stromintensiven Betrieben der Strombedarf stark steigen wird, wenn sie sich auf den Weg zur Klimaneutralität begeben und zum Beispiel auf fossile Brennstoffe verzichten wollen.
Als eine pragmatische Lösung bezeichnet Zeinert Bestandteile aus dem amerikanischen „Inflation Reduction Act“: Betreiber von Windrädern und Photovoltaik-Parks sollten durch Steuervergünstigungen wie etwa schnellere Abschreibungen oder steuerliche Förderungen belohnt werden, wenn sie einen langfristigen und damit preisstabilen Abnahmevertrag mit einem Industriekunden abschließen. Diese Direktvermarktungsoption sei insbesondere für Wind aus Offshoreanlagen interessant, die relativ verlässlich große Strommengen zur Verfügung stellen. Sowohl die Energieversorger als auch die gewerblichen Stromkunden würden von solchen langfristigem Kontakten profitieren und es müssten keine Steuersubventionen fließen.
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte Anfang Mai einen Vorstoß in Richtung eines Industriestrompreises gemacht. Habecks Arbeitspapier trägt den Namen „Wettbewerbsfähige Strompreise für die energieintensiven Unternehmen in Deutschland und Europa sicherstellen“ und schlägt einen zweistufigen Industriestrompreis vor: Als erste Stufe soll der Preis für eine Übergangszeit auf sechs Cent pro Kilowattstunde gedeckelt werden – allerdings ausschließlich für einen klar definierten Empfängerkreis. Diese Unternehmen sollen die Differenz zum Börsenstrompreis erstattet bekommen, und zwar für 80 Prozent ihres Verbrauchs. Später soll eine Reihe weiterer Maßnahmen folgen, und zwar dann, wenn der Ausbau Erneuerbarer Energien (EE) weit genug vorangeschritten ist. Dann sollen Industrieunternehmen Strom aus EE-Anlagen nahe an den Gestehungskosten erhalten können, also den Kosten der Herstellung. „Wir wollen Dauersubventionen vermeiden“, sagte Habeck bei Veröffentlichung des Papiers, das in eine Zukunft mit niedrigen Strompreisen aus Erneuerbaren Energien ohne Subventionen führe. Zurzeit befinde sich das Ministerium in Absprachen mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) sowie dem Bundesministerium der Finanzen unter Christian Lindner (FDP), sagte eine Sprecherin des Ministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz auf Nachfrage von Unsere Wirtschaft. Wann es neue Veröffentlichungen zu dem Thema geben werde, stand Mitte Mai noch nicht fest.
Bereits Ende April hatte die niedersächsische rot-grüne Landesre­gierung ein eigenes Konzept für einen sogenannten Transformationsstrompreis vorgelegt. „Wir wollen mit unserem Vorschlag dazu beitragen, möglichst schnell neue Perspektiven für die energieintensive Industrie zu eröffnen“, sagte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD). „Branchen wie die Stahlindustrie oder die chemische Industrie stehen im internationalen Wettbewerb, müssen massiv in die Transformation zur Klimaneutralität investieren und das bei gleichzeitig hohen Strompreisen – ohne Unterstützung drohen in etlichen Fällen Verlagerungen in attraktivere Länder und ein erheblicher Verlust von Wertschöpfung und Arbeitsplätzen.“
Niedersachsen hatte vorgeschlagen, mit dem soge­nann­ten Transformationsstrompreis, spätestens zum 1. Januar 2024 einen Preis von sieben Cent pro Kilowattstunde für die nächsten zehn Jahre einzuführen. Gleichzeitig soll es eine Investitionsprämie in Höhe von 25 Prozent geben – für Solarmodule, Wärmepumpen, Windturbinen, Elektrolyseure oder Batterien. Insbesondere die Steuervorteile in den USA stellten eine direkte Konkurrenz für die Standortbe­din­gungen da, heißt es aus der Staatskanzlei. Sandra Bengsch und Gerd Ludwig

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