„Stabilität, Offenheit und Wettbewerbsfähigkeit sichern“

Ende September tagt der Außenwirtschaftsausschuss der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) in Wolfsburg. Einen Ausblick auf die Weltwirtschaft gibt DIHK-Expertin Melanie Vogelbach. Über transatlantische Unsicherheiten, die Herausforderungen im US-Handel und die Bedeutung von E-Mobilität im globalen Wettbewerb.
Frau Vogelbach, wie bewerten Sie die aktuelle Lage der deutschen Außenwirtschaft?
Die deutsche Wirtschaft steht derzeit in einem Spannungsfeld. Auf der einen Seite sehen wir, dass die Exporte in die USA weiter rückläufig sind. Auf der anderen Seite wächst der Handel innerhalb Europas – und das zeigt, wie unverzichtbar der Binnenmarkt für unsere Unternehmen ist. Gleichzeitig fragen sich viele Betriebe, ob es sich lohnt, in schwierigen Zeiten neue Märkte zu erschließen. Unsere Antwort darauf ist eindeutig: Ja, es lohnt sich. Aber dafür braucht es die richtigen Rahmenbedingungen. Wenn wir international bestehen wollen, müssen Politik und Wirtschaft jetzt gemeinsam dafür sorgen, dass Deutschland wettbewerbsfähig bleibt.
Wo sehen Sie die größten Handlungsfelder?
Wir haben drei zentrale Handlungsfelder im Blick. Erstens brauchen Unternehmen verlässliche Rahmenbedingungen – vor allem bei Energie- und Standortpolitik. Zweitens gilt es, Handelshemmnisse und Bürokratie abzubauen: mehr Transparenz, schnellere Genehmigungen, weniger Hürden. Und drittens ist eine starke, pro-europäische Verhandlungsführung entscheidend, gerade mit Blick auf die Gespräche mit den USA. Nur so schaffen wir Stabilität für die Unternehmen. Gleichzeitig muss die EU ihre handelspolitische Agenda vo­rantreiben und weitere belastbare Abkommen schließen, die auf regelbasiertem Handel beruhen.
Auch die transatlantischen Beziehungen standen im Fokus ihrer Sitzung. Wo liegen die Chancen und Risiken?
Die USA sind unser wichtigster Handelspartner außerhalb Europas. Deswegen stellt der Handelskonflikt und die handelspolitische Unsicherheit eine erhebliche Belastung für unsere Volkswirtschaft dar: Leider bleiben auch nach der jüngsten EU-US-Handelseinigung noch viele Fragen offen. Unternehmen wissen nicht, wie es im US-Geschäft weitergeht. Genau deshalb brauchen wir jetzt eine belastbare Handelseinigung auch in Detailfragen – eine die Investitionen erleichtert, Verfahren vereinfacht und protektionistische Tendenzen zurückdrängt. Das würde nicht nur Planungssicherheit schaffen, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen diesseits und jenseits des Atlantiks stärken.
Wie reagieren Unternehmen auf protektionistische Tendenzen in den USA?
Unsere DIHK-Blitzumfrage zeigt ein klares Bild: Nur fünf Prozent der Unternehmen erwarten positive Effekte aus dem aktuellen Zoll-Deal mit den USA. Dagegen befürchten 58 Prozent zusätzliche Belastungen – bei Unternehmen mit direktem US-Geschäft sind es sogar 74 Prozent. Mehr als die Hälfte der Unternehmen plant, ihr Engagement in den USA zurückzufahren, ein Viertel verschiebt Investitionen oder legt sie ganz auf Eis. Gleichzeitig richten Unternehmen sich neu aus: Fast zwei Drittel suchen aktiv nach alternativen Märkten. Und für 73 Prozent bleibt der EU-Binnenmarkt das stabile Rückgrat ihres Geschäfts.
China ist ein zentraler Handelspartner. Gleichzeitig wachsen Unsicherheiten durch De-Risking, Exportkontrollen und politische Spannungen. Wie geht die deutsche Wirtschaft damit um?
China bleibt für die deutsche Wirtschaft ein zentraler Partner – als Absatzmarkt, Produktionsstandort und Innovationsmotor. Doch die Risiken nehmen zu: politische Spannungen, wachsende Regulierung, neue Exportkontrollen. Viele Unternehmen reagieren mit Diversifizierung und suchen verstärkt Partner in Asien, Nordamerika oder Afrika. Klar ist aber auch: Ein abrupter Rückzug aus China wäre wirtschaftlich kaum machbar. Entscheidend ist deshalb die Balance – Risiken reduzieren, ohne Chancen aufzugeben.
Wolfsburg ist Automobilzentrum – wie blicken Sie auf die Zukunft der E-Mobilität und den Wettbewerb mit China?
Die Transformation zur E-Mobilität schreitet schnell voran – und China ist uns dabei einen Schritt voraus. Staatliche Förderungen, günstige Energie und eng verzahnte Wertschöpfungsketten verschaffen den dortigen Herstellern klare Vorteile. Deutsche Unternehmen investieren massiv, doch damit sie im Wettbewerb bestehen können, braucht es international faire Rahmenbedingungen und innerhalb der EU schnelle Genehmigungen, verlässliche Energiepreise und weniger Bürokratie. Außerdem muss die Bundesregierung sich klar für den Elektromobilitätsstandort Deutschland stark machen. Nur so kann der Standort zukunftsfähig sein.
Das Interview führte Sandra Bengsch