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Wie Unternehmen junge Fachkräfte motivieren und halten können: Keynote-Speakerin Susanne Nickel sagt, was Führungskräfte jetzt ändern sollten.
Susanne Nickel zählt zu den Top-100-Speakern und hält am 11. Februar die Keynote beim IHKLW-Netzwerktag. Nickel gilt als Expertin für Arbeit und Wandel. Die Rechtsanwältin, Mediatorin und Management-Beraterin arbeitet als Autorin, Keynote-Speakerin und Coach. Ihr Buch „Verzogen. Verweichlicht. Verletzt. Wie die Gen Z die Arbeitswelt auf den Kopf stellt und uns zum Handeln zwingt“ wurde 2024 zum SPIEGEL-Bestseller.
Frau Nickel, Sie sagen, die Generation Z stellt die Arbeitswelt auf den Kopf. Viele junge Menschen lehnen eine Leistungsorientierung ab, stellen aber gleichzeitig hohe Forderungen an ihren Arbeitsplatz. Was läuft da schief?
Ich würde nicht von schieflaufen sprechen. Die Kinder der Babyboomer und der Generation X haben erlebt, wie ihre Eltern viel leisten und unter Umständen wenig Wertschätzung dafür erhalten, vielleicht ins Burnout geraten. Gleichzeitig ist die wirtschaftliche und geopolitische Lage unklar, die Rente nicht mehr sicher, ein Eigenheim kaum bezahlbar. Da denken sich die Jungen: Warum und wofür soll ich mich denn überhaupt so anstrengen? Auf der anderen Seite können sie, wenn sie gut ausgebildet sind, hohe Forderungen wie beispielsweise keine Überstunden oder hohes Einstiegsgehalt stellen, weil wir Fachkräftemangel haben und sie Mangelware sind. Das wiederum lässt viele Führungskräfte verzweifeln.
Viele Unternehmer klagen über fehlende Verlässlichkeit oder Einsatzbereitschaft der jungen Generation. Ist das wirklich ein Problem oder eher ein Missverständnis? Und wie können Führungskräfte damit umgehen?
Viele Unternehmen bewegen sich zwischen der alten und der neuen Welt, zwischen hierarchischer Führung und neuen Herangehensweisen wie Coaching als Führungsinstrument und agilen Teams. Und einige denken, sie seien dabei weiter als sie es tatsächlich sind. Junge Menschen wollen Führung auf Augenhöhe. Sie wollen Verantwortung für kleine Projekte übernehmen. Und sie wollen keinen Chef, sondern einen Coach. Für Füh­rungs­kräfte heißt das: Sie sollten verstärkt auf die Beziehungsebene setzen und viel mehr Feedback geben. Fördern und fordern, und das wertschätzend, aber klar: Was in der Kindheit teils versäumt wurde, muss jetzt in den Unternehmen passieren. Die jungen Menschen brauchen eine Nach-Beelterung, sie sollen und wollen im Unternehmen ein Zuhause finden. Microcontrolling hilft nicht weiter, ich gehe sogar so weit, dass Füh­rungs­kräfte eine Art „Mini-Psychologe“ werden sollten.
Sie fordern, dass Unternehmen von der Generation Z lernen müssen. Was können die Jungen, was die Älteren verlernt oder übersehen haben? Und wie lässt sich dieses Potenzial ganz praktisch im Betrieb umsetzen?
Ich plädiere für Reverse Mentoring, also Lernen von beiden Seiten. Die Jungen sollten zum Beispiel mit frischem Blick auf das Unternehmen gefragt werden, was ihrer Meinung nach komisch läuft. Wir alle kennen doch Betriebsblindheit. Solche Fragen würden die Jüngeren sehr inspirieren, weil sie sich gesehen und gewertschätzt fühlen. Und im Bereich digitale Skills oder auch Social-Media-Management kann man sie ganz praktisch um Unterstützung bitten. Ältere haben viel Erfahrung und ausgeprägte Soft Skills und können hier unterstützen. So geschieht etwas sehr Verbindendes: Alt und Jung lernen voneinander.
Welche drei konkreten Schritte empfehlen Sie Mittelständlern, um Fachkräfte zu halten?
Erstens: regelmäßig Feedback geben. Zweitens: wirklich interessiert Fragen stellen. Was brauchst du? Wo bist du überlastet? Bist du im Flow, an der richtigen Stelle? Anders gesagt: Coaching und Fragetechniken als Führungsinstrument nutzen, achtsam dafür sein, wie der Mensch tickt. Drittens: Perspektiven bieten. Hinterfragen: Steht die Karriereleiter an der richtigen Wand? Wer sich wahrgenommen fühlt und Perspektiven geboten bekommt, bleibt mit einer viel höheren Wahrscheinlichkeit.
Transformation passiert im täglichen Handeln. Wie gelingt es Führungskräften, den Wandel vorzuleben – gerade auch wenn Zeit, Geld und Nerven knapp sind?
Transformation beginnt mit jedem kleinen Schritt. Führungskräfte sind dabei doppelt belastet: Sie sollen die Transformation vorantreiben und die Menschen auf diesen Weg führen, sind aber selbst durch die Transformation belastet. Führungskräfte sollten sich daher reflektieren: Wie nahe bin ich den Menschen? Rutscht mir etwas durch? Macht jemand zu? Widerstand ist oft eine Strategie, Ängste zu bewältigen. Führungskräfte sollten sich auch dann nicht zurückziehen, sondern immer wieder in Kontakt zu den Mitarbeitenden gehen. Kommunikation ist keine Einbahnstraße. Eine vertrauensvolle Beziehung aufbauen. Das erfordert sehr gute Kommunikationsskills.
Was wünschen Sie sich von den Unternehmen auf der einen und den jungen Menschen auf der anderen Seite?
Arbeit nimmt für viele junge Menschen einen neuen Stellenwert ein. Und wir brauchen sie alle: Jüngere, Mittelalte, Ältere. Ich wünsche mir daher Führungskräfte, die es beherrschen, zu inspirieren und junge Menschen zu überzeugen, ihr Bestes zu geben. Und ich wünsche mir junge Menschen, die Gas geben wollen, etwas verändern wollen. Gleichzeitig wünsche ich mir, dass die Jungen erkennen, dass sie länger in einem Unternehmen bleiben müssen, wenn sie wirklich etwas bewegen wollen.
Carolin George
Netzwerktag 2026 – Transformation der Arbeit
Durch den Einzug von Künstlicher Intelligenz (KI) bekommen Themen wie Fachkräftesicherung und Bürokratieabbau neuen Aufschwung. Unter dem Titel „Transformation der Arbeit“ bietet unsere IHKLW beim Netzwerktag am 11. Februar 2026 ab 12 Uhr im Castanea Forum Adendorf ein abwechslungsreiches Programm mit Keynote-Speakerin Susanne Nickel und Beiträgen aus den IHKLW-Netzwerken. Beim gemeinsamen Mittagessen und in den Themenworkshops haben die Teilnehmenden Möglichkeiten für den fachlichen Austausch und zum Netzwerken.
Hintergrund: Zukunft braucht Arbeit – Arbeit braucht Fachkräfte – unter diesem Titel rückt unsere IHKLW der Initiative der Vollversammlung folgend die Arbeits- und Fachkräftesicherung in der Region im Jahr 2026 in den Fokus. Unsere IHKLW begleitet ihre Mitgliedsunternehmen mit Fachveranstaltungen, Workshops, Projekten und individueller Beratung – von Nachwuchsgewinnung und Ausbildung über Weiterbildung bis zur Integration internationaler Fachkräfte. Ziel ist es, Impulse zu geben, Mitgliedsunternehmen zu vernetzen, den Austausch zu fördern und Angebote zu Qualifizierung, Vereinbarkeit und Standortentwicklung zugänglich zu machen.
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