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Neue Motivation durch Freiräume
Am 24. Juni erklärt Arbeitsforscher Dr. Hans Rusinek bei der GedankenGut-Veranstaltung unserer IHKLW in Celle, warum Arbeit ein Motor für Innovation und Krisenbewältigung ist.
Herr Dr. Rusinek, Ökonom oder Philosoph – als was würden Sie sich bezeichnen?
Ich habe beides studiert, würde mich aber als Ökonom bezeichnen, da ich auch meinen Doktortitel an einer Business School erworben habe. Allerdings bin ich der Überzeugung, dass die Philosophie von der Ökonomik profitieren kann, indem sie mehr Bodenhaftung bekommt. Und die Wirtschaftswissenschaft von der Philosophie, da die Wirtschaft sich mit Verteilungsfragen auseinandersetzt – und das sind auch grundphilosophische, ethische Fragen. Am besten gefällt mir der Begriff Arbeitsforscher, denn dazu passen auch Themen wie Care-Arbeit, die mich beschäftigen.
Der Begriff Work-Life-Balance gefällt Ihnen nicht, wie Sie schreiben.
Der Work-Life-Balance-Begriff suggeriert, Leben und Arbeit zu trennen. Dabei wäre mir wichtig, die Arbeitswelt nicht verkümmern zu lassen, denn sie ist ein entscheidender Ort, um gemeinsam als Gesellschaft Zusammenhalt zu erleben. Nur in der Arbeit treffen wir auf Menschen, auf die wir tendenziell auch einmal keine Lust haben. Mit diesen unfreiwilligen Schicksalsgenossen lernen wir, Dinge zu leisten, die um ein Vielfaches das in den Schatten stellen, was uns allein gelingen würde. Und weil all die Reibung stets auch Wärme erzeugt, ist es immer noch die Arbeit, in der die Wahrscheinlichkeit am höchsten ist, uns in jemanden zu verlieben, mit dem wir unser Leben verbringen wollen.
Wie lässt sich der Blick auf Arbeit verändern?
Das Hamsterrad hält uns davon ab, umzudenken. Deshalb sollten Arbeitgeber*innen gucken, dass es mehr Zeitdiversität bei der Arbeit gibt. Ich helfe dabei, Büros zu entwerfen, die Offline-Zonen haben. Oder ich rege an, die Art zu kommunizieren zu überdenken: Kann man sich nicht vielleicht sogar bei einem Spaziergang austauschen? Arbeitgeber*innen sollten sich nicht so sehr den Kopf darüber zerbrechen, was Menschen motiviert, sondern was sie demotiviert. Durch Freiräume kann Innovation und neue Motivation entstehen.
Wie blicken Sie also aufs Homeoffice?
Die Debatte ist Ausdruck eines Machtspiels zwischen der Arbeitgeber- und der Arbeitnehmerseite. Am Ende der Pandemie hatten die Arbeitnehmer*innen viel Macht. In der Rezession wird es weniger. Aber die Wahrheit liegt in der Mitte. Man muss sich überlegen, wofür ist Präsenz wichtig und wofür nicht. Ein Feedback-Gespräch sollte man nicht in einem Call machen, aber für eine Stillarbeitsphase muss man auch nicht kilometerweit reisen. Wenn ich eine Zahl nennen sollte, würde ich 50:50 sagen. Arbeitgeber*innen können schon dadurch einen positiven Unterschied machen, wenn sie soziale Räume schaffen, zu denen man gerne kommt.
Boomer, Millennials, Gen Z – gibt es eine Spaltung der Generationen?
Es gibt nicht eine Generation, die auf einmal anders oder „komisch“ ist. Was uns gerade spaltet, ist zum Beispiel, dass man sich Wohlstand nicht mehr erarbeiten kann. Die jungen Leute sehen, dass wir in eine Erbengesellschaft rutschen. Und dann fragen wir: Warum sind die so unmotiviert? Das Problem ist, dass wir eine Politik haben, die eine Umverteilung von jung zu alt macht. Und natürlich gibt es normale Alterseffekte wie den Umstand, dass jüngere Menschen zeitaufwendige Freizeitbeschäftigungen haben, zum Beispiel die Partnersuche. Das ändert sich, wenn sie eine Familie gründen oder eine Immobilie kaufen. Auf einmal ist Geld total wichtig, und dann arbeitet man auch gerne. Unternehmen müssen verstehen, wie sehr wir uns durch die Zeit verändern.
Sie geben auch Workshops in Unternehmen.
Momentan geht es mir dabei viel um intergeneratives Arbeiten. Es gibt zum Beispiel „Reverse Mentoring“, wo ein Boomer und ein Zoomer zusammen Tandems bilden. In einem Hotel habe ich kürzlich ein Rollenspiel gemacht. Der CEO musste Gen Z spielen und Gen Z musste den Boomer spielen. Dann haben alle ihre Vorurteile rausgelassen und gemerkt: Ah, wir waren oder werden vielleicht auch mal so wie ihr. Wichtig: Manchmal muss man über seinen Schatten springen und der nachfolgenden Generation Dinge gewähren, die einem selbst nicht vergönnt waren.
Soll Arbeit immer Selbstverwirklichung sein?
Arbeit ist der Ort, an dem wir uns auch selbst erkennen durch das, was wir schaffen. Gleichzeitig bekommen wir Anerkennung. Arbeit wohnt also etwas Existenzielles inne, deshalb ist Arbeitslosigkeit nicht bloß eine finanzielle Krise. Dein Chef oder deine Chefin haben mehr Einfluss auf deine psychische Gesundheit als es ein Therapeut jemals haben wird. Auch erleben wir Macht nirgends so direkt wie durch unsere Vorgesetzten. Ich glaube, dass die sogenannten Wissensarbeiter*innen, die ja diese Machtpositionen in Unternehmen einnehmen, eine ganzheitliche Verantwortung für alle Arbeitsbereiche einnehmen sollten. Das heißt, wenn der Manager eines Krankenhauses merkt, dass er bei Stress schlechtere Entscheidungen trifft, dann wird er möglicherweise auf die Idee kommen, dass das für die Intensivpflegekräfte erst recht gilt. Es geht darum, voneinander zu lernen.
Alexandra Maschewski
GedankenGut in Celle
Frührente, Homeoffice und Work-Life-Balance – Debatten um die Zukunft der Arbeit beweisen derzeit vor allem, wie sehr Menschen zwischen Leben und Arbeit unterscheiden. Hans Rusinek, promovierter Ökonom und Arbeitsforscher, will dazu ermutigen, Arbeit wieder als Ort zu begreifen, an dem wir als Gesellschaft Zusammenhalt erleben können. „Frohes Schaffen“ lautet so auch der Titel der zweiten GedankenGut-Veranstaltung 2025, zu der unsere IHKLW am Dienstag, 24. Juni, ab 18 Uhr ins Stadtpalais Celle einlädt. Unternehmen und Mitarbeitende dürfen auf überraschende Studien, Beispiele aus der Praxis und konkrete Tipps gespannt sein. Die Teilnahme ist kostenfrei. Melden Sie sich jetzt an: GedankenGut mit Hans Rusinek in Celle
Frührente, Homeoffice und Work-Life-Balance – Debatten um die Zukunft der Arbeit beweisen derzeit vor allem, wie sehr Menschen zwischen Leben und Arbeit unterscheiden. Hans Rusinek, promovierter Ökonom und Arbeitsforscher, will dazu ermutigen, Arbeit wieder als Ort zu begreifen, an dem wir als Gesellschaft Zusammenhalt erleben können. „Frohes Schaffen“ lautet so auch der Titel der zweiten GedankenGut-Veranstaltung 2025, zu der unsere IHKLW am Dienstag, 24. Juni, ab 18 Uhr ins Stadtpalais Celle einlädt. Unternehmen und Mitarbeitende dürfen auf überraschende Studien, Beispiele aus der Praxis und konkrete Tipps gespannt sein. Die Teilnahme ist kostenfrei. Melden Sie sich jetzt an: GedankenGut mit Hans Rusinek in Celle
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