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Applaus für die Besten
Von den 207 berufsbesten Ausbildungsabsolvent*innen 2024 kommen drei aus unserem IHKLW-Bezirk. Ausgezeichnet werden sie bei der Nationalen Bestenehrung der DIHK am 9. Dezember ab 17 Uhr im ECC Estrel Congress Center Berlin. Die Veranstaltung wird live online übertragen unter www.dihk.de/bestenehrung.
Vom Beruf zur Berufung
Christina Kirsch hat ihre Ausbildung zur Fotomedienfachfrau in den Gilbert Studios in Jesteburg mit 97 Punkten abgeschlossen.
© Hauke Gilbert
Der Weg von Christina Kirsch ist nicht ganz geradlinig. Dafür hat sie mit ihren 28 Jahren etwas erreicht, das anderen Menschen mitunter während ihrer gesamten Karriere nicht vergönnt ist. „Vom Beruf zur Berufung“, nennt es die Fotomedienfachfrau. Andere wären damit zufrieden gewesen, nach einer Ausbildung zur Industriekauffrau von einem Arbeitgeber wie Airbus in Finkenwerder übernommen worden zu sein. Doch nach Stationen in der Personal- und der Rechtsabteilung, nach einer nebenberuflichen Weiterbildung zur Wirtschaftsfachwirtin und der Absolvierung der Ausbildereignungsprüfung entschied Christina Kirsch, sich noch einmal komplett umzuorientieren. Den Neuanfang brachte ein Praktikum in den Gilbert Studios in Jesteburg.
„Mit der Fotografie habe ich etwas gefunden, das mich erfüllt“, sagt die Ramelsloherin, die ihren Chef Hauke Gilbert von Anfang an bei dessen Arbeit unterstützen durfte. Assistieren bei Pass- und Bewerbungsfotos, bei Familien- und Baby-Shootings, ihn begleiten zu Kindergärten und Schulen, zu Firmen-Events und Hochzeiten. „Junge Menschen um sich herum zu haben, bringt immer wieder neue Ideen ins Team, und es macht mir Freude, wenn ich den Spaß an unserem Beruf vermitteln kann“, sagt Hauke Gilbert, der in den vergangenen Jahren rund zehn Nachwuchsfotograf*innen ausgebildet hat. Christina Kirsch ist die Erste, die er übernommen hat. „Im Fotobereich herrscht momentan eine gute Marktlage. Und ich bin mir sicher, dass wir beruflich und menschlich gut zusammenpassen.“ In ihrer auf zwei Jahre verkürzten Ausbildungszeit hat die junge Fotografin auch viel Technisches lernen müssen. „Ich habe schon immer gern fotografiert, kannte mich mit Kameras aber nicht annähernd so gut aus, wie die Kolleg*innen in der Berufsschule, zu deren Aufgabe es gehört, die Ausrüstung zu verkaufen.“ Der Wille, Neues zu lernen und auszuprobieren, gehöre jedoch wie Flexibilität zum Beruf dazu.
Und weil Christina Kirsch ihr Wissen unbedingt erweitern möchte, hat sie bereits eine Weiterbildung zur Fotografenmeisterin begonnen – in einem einjährigen Teilzeitlehrgang. „Mir ist bewusst, dass unsere Berufsbezeichnung als Fotograf*in nicht geschützt und ein Meistertitel nicht notwendig ist“, sagt die 28-Jährige. „Trotzdem habe ich den persönlichen Anspruch, noch tiefer in die Materie einzusteigen.“ Ein wichtiges Talent bringt sie definitiv mit: Empathie. „Man muss ein Gespür für Menschen haben und eine Atmosphäre schaffen, in der sich das Gegenüber gern ablichten lässt.“ Wenn es dann gelinge, auf einem Foto echte Emotionen einzufangen, sei dies ein wunderbares Gefühl. „Das Beste aber ist es, in das glückliche Gesicht des Menschen zu blicken, der sich auf einem Foto perfekt getroffen fühlt.“
Alexandra Maschewski
Alexandra Maschewski
Bewusste Karriereplanung
Anton Scherbakov hat mit 97 Punkten sehr erfolgreich seine Ausbildung zum Verfahrensmechaniker für Kunststoff- und Kautschuktechnik bei der Covestro Films GmbH in Walsrode absolviert.
© Andreas Tamme
Wenn man Bianca zum Berge nach ihrem ehemaligen Auszubildenen Anton Scherbakov fragt, dann ist sie voll des Lobes: „Er ist aufgefallen durch sein schier unerschöpfliches Wissen und seine Begeisterung, immer wieder Neues dazulernen zu wollen.“ Der Verfahrensmechaniker für Kunststoff- und Kautschuktechnik selbst gibt sich bescheiden. In der Schule sei er nicht unbedingt durch die besten Noten aufgefallen: „Wirklichen Ehrgeiz habe ich erst im Rahmen der Ausbildung bei Covestro entwickelt.“ Nach einer sehr guten Zwischenprüfung habe er sich fest vorgenommen, einen ebenso guten Abschluss zu machen – was mit 97 Punkten definitiv geglückt ist. Der 21-Jährige scheint zu den Menschen zu gehören, die schon früh genau wissen, was sie wollen. Weil er bereits in der Schulzeit gern nebenbei gearbeitet hat, habe er den Austausch mit seinem Cousin gesucht, der ebenfalls bei der Covestro Films GmbH in Walsrode arbeitet. „Mir war klar, dass ich in meinem Berufsleben nicht acht Stunden am Computer sitzen möchte. Deshalb habe ich beschlossen, das Gymnasium nach Unterzeichnung eines Arbeitsvertrags mit der Fachhochschulreife zu verlassen.“
Die Arbeit an Maschinen, welche technische Folien etwa für die Fahrzeug- oder Medizinbranche herstellen, Materialauswahl, Qualitätskontrolle und Prozessoptimierung – die Inhalte seiner Ausbildung haben Anton Scherbakov schnell begeistert. „Die Mischung war mir wichtig.“ Das freundschaftliche Verhältnis zu den Kollegen sei verantwortlich dafür gewesen, dass ihn der Schichtdienst nicht abgeschreckt habe. „Man muss sich bewusst sein, was so ein Vier-Schicht-System an 365 Tagen pro Jahr bedeutet. Wenn man sein Privatleben jedoch entsprechend strukturiert, hat man genug Zeit für Freunde und Familie.“
Aufgrund seiner Leistungen durfte der 21-Jährige die Ausbildung verkürzen. „Danach können Kunststoff- und Kautschuktechnolog*innen – so lautet mittlerweile die Berufsbezeichnung – sich weiter spezialisieren oder fortbilden, um ihre Karrierechancen zu verbessern“, erklärt die Ausbildungsbeauftragte Bianca zum Berge. Es überrascht sie nicht, dass Anton Scherbakov längst die nächsten Schritte seines Berufslebens geplant hat: Seit Anfang Oktober arbeitet er in der Entwicklungsabteilung des Unternehmens. Berufsbegleitend bildet er sich drei Jahre lang zum Kunststofftechniker weiter. Da der Unterricht kostenpflichtig ist, freut sich Anton Scherbakov über das Stipendium, das er vom Bundesbildungsministerium erhält. „Von der ,Begabtenförderung berufliche Bildung‘ habe ich dank eines externen Ausbilders erfahren, der auch Prüfer bei der IHK ist.“ Momentan müsse er viel Zeit in den Job investieren: „Aber ich hoffe, so in der Zukunft noch bessere Perspektiven zu haben.“ Alexandra Maschewski
Ehrliche Leidenschaft
Anne Erbs hat ihre Ausbildung zur Tierpflegerin mit der Fachrichtung Tierheim und Tierpension beim Tierheim Lüneburg mit dem drittbesten Abschluss des IHKLW-Bezirks abgeschlossen.
© Tierheim Lüneburg/privat
Wenn es nach ihren Lehrkräften gegangen wäre, hätte Anne Erbs einen ganz anderen Weg eingeschlagen. Wegen ihres guten Abiturs riet man der Gymnasiastin zu einem Studium. Dass sie sich für den Beruf der Tierpflegerin interessierte, konnte damals kaum jemand nachvollziehen. „Über die verschiedenen Ausbildungen wurden wir während der Schulzeit fast gar nicht aufgeklärt“, sagt die heute 22-Jährige, die nach der Schule „sofort etwas bewegen“ wollte. Nachdem sie ihren Bundesfreiwilligendienst in einem Kleintierschutzverein im Lipperland absolviert hatte, verließ sie Nordrhein-Westfalen, um eine Ausbildung im Lüneburger Tierheim zu beginnen. Bei der Betreuung der rund 120 Tiere realisierte sie schnell, dass dies die richtige Entscheidung war: „Ich liebe es, mit Tieren zu arbeiten, immer in Bewegung zu sein und Aufklärungsarbeit zu leisten.“
Man spürt den Idealismus der 22-Jährigen. Gleichzeitig ist sie pragmatisch genug, um Interessierten mit Nachdruck zu raten, sich rechtzeitig ein Bild von diesem körperlich anstrengenden Beruf zu machen, bei dem man regelmäßig mit Tierleid konfrontiert werde. „Es gibt durchaus Jobs bei Tierheimen, -kliniken oder -pensionen. Aber weil diese weit voneinander entfernt liegen, sollte man sich selbst die Frage stellen, ob man flexibel genug für einen Umzug wäre“, sagt Anne Erbs, die mittlerweile auf einem Lebenshof in Mecklenburg-Vorpommern arbeitet.
Dass Erbs einen sehr guten Abschluss gemacht hat, kam für ihren Ausbilder Sven Koschel, seit 2020 Tierheimleiter, nicht überraschend. „Sie ist sehr organisiert und hat jetzt schon ein großes Wissen“, sagt der 35-Jährige. Dazu besitze sie die in seinen Augen entscheidende Kompetenz: „Leidenschaft. Ohne geht es nicht.“ Wenig verwunderlich also, dass sie noch immer Kontakt zu einer Frau hat, die in Lüneburg das kleine Kätzchen Solo adoptiert hat. „Solo war eine von fünf Kitten, die wir von Hand aufziehen mussten, und die einzige, die es geschafft hat.“
Es freut die Tierpflegerin, dass sie für ihren besonders guten Abschluss ausgezeichnet wurde – im Vordergrund steht es nicht für sie. „Ich möchte weiter dazulernen“, sagt sie. Dazu gehöre nicht nur das Wissen um Ernährung und Krankheiten, sondern auch die Anwendung von Gesprächsstrategien. „Das, was wir alltäglich tun, lässt sich nicht nur aus Büchern lernen.“ Die 22-Jährige mag übrigens auch in ihrer Freizeit nicht ohne Tiere sein: Zwei Katzen teilen die Wohnung mit ihr, manchmal noch Hunde oder Tauben zur Pflege. Und so glaubt man ihr sofort, wenn sie ruhig, sachlich und ohne übertriebenen Pathos sagt: „Das Gefühl, sich jeden Tag fürs Tierwohl einzusetzen, ist mit Geld nicht aufzuwiegen.“
Alexandra Maschewski
Alexandra Maschewski
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Sandra Bengsch