4 min
Lesezeit

„Politisches Denken in Legislaturperioden nicht gerade hilfreich“
Obwohl es in Niedersachsen gute geologische Bedingungen zur Nutzung von tiefer und mitteltiefer Geothermie gibt, liegt bislang keines der in Deutschland realisierten Tiefengeothermieprojekte in Niedersachsen. Woran liegt das? Und was braucht es für einen Erfolg? Florian Stanko, Leiter Politik beim Bundesverband Geothermie e. V. in Berlin, klärt auf.
Herr Stanko, was sind aktuell die größten Herausforderungen?
Florian Stanko: Zunächst nochmal zur Erklärung: Bis 400 Metern Tiefe sprechen wir von oberflächennaher Geothermie. In Verbindung mit einer Wärmepumpe wird hier die Umgebungswärme zur Wärmegewinnung genutzt. Bei der Tiefengeothermie wird deutlich tiefer gebohrt. Im Unterschied zu der oberflächennahen Geothermie wird dort heißes Thermalwasser gefördert, das in porösen Gesteinsschichten liegt. Im süddeutschen Molassebecken wird beispielsweise bis zu 4.000 Meter und mehr in die Tiefe gebohrt. Dem Wasser wird die Wärme entzogen und danach wieder zurückgepumpt, sodass ein Kreislauf entsteht. Bei der mitteltiefen Geothermie bohrt man weniger tief. Weil das Wasser dort aber nicht so heiß ist, muss noch eine Wärmepumpe dazwischengeschaltet werden, um das Temperaturniveau anzuheben und tatsächlich nutzen zu können. Trotz der geringeren Thermalwassertemperatur ist die mitteltiefe Geothermie trotzdem eine lohnenswerte Option, weil die Bohrkosten nicht linear mit der Tiefe, sondern exponentiell steigen – die ersten 1.500 Meter sind also günstiger als die letzten 1.000 Meter. Die Gesamtkosten für so ein Projekt sind dennoch sehr hoch – je nach geologischer Beschaffenheit des Bodens und der Bohrtiefe liegen allein die Bohrkosten mindestens im hohen einstelligen oder niedrigen zweistelligen Millionenbereich.
Was macht diese Technologie so teuer?
Stanko: Die Bohrungen sind an aufwendige Genehmigungsverfahren geknüpft, man ist angewiesen auf wenige Unternehmen, die diese Bohrungen durchführen können. Das ist ein großes Problem. Die Stadtwerke München machen einen Umsatz von zehn Milliarden Euro im Jahr. Wenn die eine Bohrung für zehn Millionen Euro in den Sand setzen, schreiben die das ab. Wenn aber beispielsweise die Stadtwerke Prenzlau nördlich von Berlin bohren und dabei eventuell zehn Millionen Euro verschwenden, weil sie am Ende gar kein ausreichend heißes Wasser mit passender Fließrate finden, dann findet das Projekt gar nicht erst statt, da so ein Verlust deren Existenz bedroht. Deshalb fordert die Branche schon lange eine sogenannte Risikofündigkeitsversicherung, die solche Projekte für Prämien absichern würde. Die Ampelregierung hatte das mit der KfW und der Münchener Rück angeschoben. Bis 2028 waren dafür Mittel von 48 Millionen Euro vorgesehen, mit denen man wahrscheinlich privatwirtschaftliche Investitionen von bis zu zwei Milliarden Euro hätte auslösen können. Das Programm stand kurz vor dem Start, ist aber schlussendlich daran gescheitert, dass der Bundeshaushalt für 2025 nicht verabschiedet wurde. Mit der neuen Bundesregierung steht es nun erst einmal in den Sternen. Auch viele Energiewende-Expertinnen und -Experten der SPD und vom Bündnis 90/Die Grünen sowie der FDP sind nun aus dem Bundestag ausgeschieden. Wir fangen also jetzt von vorne an. Da aber das Thema Geothermie-Ausbau auch Rückhalt in der Union genießt, bin ich zuversichtlich.
Es gibt auch in Norddeutschland Positivbeispiele: In Schwerin liefert eine mitteltiefe Geothermie-Anlage der Stadtwerke seit Ende 2024 mit einer Leistung von bis zu sieben Megawatt Fernwärme. Laut eigener Aussage werden damit jährlich 7.500 Tonnen CO2 eingespart. Jedoch wurde anfangs aus dem Sandstein mit der Sole mehr Sand als angenommen gefördert, sodass spezielle Filter zur Entsandung nötig waren. Auch mit Bakterien in den Rohren hatten die Betreiber zu kämpfen.
Dort wurde etwa 1.300 Meter tief gebohrt, ähnlich wäre es vermutlich im gesamten norddeutschen Raum möglich. Bundesweit sind aktuell 42 Geothermieanlagen in Betrieb. Die erste wurde 1984 in Waren an der Müritz in der damaligen DDR in Betrieb genommen. Wir haben also 40 Jahre gebraucht, um die nächsten 40 Anlagen zu realisieren. Ein weiteres Problem in Deutschland sind die Fernwärmenetze, die weiter ausgebaut werden müssen. Strom kann in der Nordsee aus Windkraft produziert und bis nach Bayern transportiert werden – bei Wärme funktioniert das nicht, da sie etwa ein Grad Celsius pro Kilometer verliert.
Es gibt auch in Norddeutschland Positivbeispiele: In Schwerin liefert eine mitteltiefe Geothermie-Anlage der Stadtwerke seit Ende 2024 mit einer Leistung von bis zu sieben Megawatt Fernwärme. Laut eigener Aussage werden damit jährlich 7.500 Tonnen CO2 eingespart. Jedoch wurde anfangs aus dem Sandstein mit der Sole mehr Sand als angenommen gefördert, sodass spezielle Filter zur Entsandung nötig waren. Auch mit Bakterien in den Rohren hatten die Betreiber zu kämpfen.
Dort wurde etwa 1.300 Meter tief gebohrt, ähnlich wäre es vermutlich im gesamten norddeutschen Raum möglich. Bundesweit sind aktuell 42 Geothermieanlagen in Betrieb. Die erste wurde 1984 in Waren an der Müritz in der damaligen DDR in Betrieb genommen. Wir haben also 40 Jahre gebraucht, um die nächsten 40 Anlagen zu realisieren. Ein weiteres Problem in Deutschland sind die Fernwärmenetze, die weiter ausgebaut werden müssen. Strom kann in der Nordsee aus Windkraft produziert und bis nach Bayern transportiert werden – bei Wärme funktioniert das nicht, da sie etwa ein Grad Celsius pro Kilometer verliert.
Welcher Realisierungszeitraum für ein solches Tiefengeothermieprojekt ist denn realistisch?
Stanko: Unser Erfahrungsschatz in dem Bereich hält sich in Grenzen. Insgesamt stellt Geothermie derzeit nicht einmal ein Prozent des Wärmebedarfs in Deutschland. Vom ersten Gedanken bis zu dem Punkt, an dem wirklich Wärme über die Liefernetze geht, dauert es derzeit sieben oder acht Jahre. Gründe dafür liegen bei Finanzierungsfragen, Genehmigungen, teils auch bei Akzeptanzproblemen der Anwohnenden. Wie für alle Player in der Branche der Erneuerbaren Energien ist auch für die Geothermie das politische Denken in Legislaturperioden nicht gerade hilfreich. Auch, um Fachkräfte zu halten, ist Planungssicherheit über die nächsten vier Jahre hinaus immer wichtig.
Interview: Anne Klesse
Kontakt

Paul Pozzi

Sandra Bengsch