Auch Laster können grün

Die Mobilitätswende in der Logistik kann mit Infrastruktur und Investitionen in grünen Wasserstoff gelingen. Zwei Unternehmen wollen das in unserer Region beweisen.
Sie sind so bunt, dass sie es förmlich in die Welt hinausrufen: „Wir sind anders.“ Die Show-Trucks der Clean Logistics SE fallen nicht nur äußerlich auf. Auch innen sind die Fahrzeuge mehr als spannend: Sie fahren nicht mit Diesel, sondern mit Wasserstoff. Und sie zählen zu einer ganzen Reihe von Entwicklungen rund um Neue Energien in der Logistikbranche, die auch in unserer Region zeigt: Logistik geht klimaschonender. Anders gesagt: Die Mobilitätswende bei Nutzfahrzeugen ist möglich.
Grüner Wasserstoff gilt als das Erdöl von morgen. Wird er per Elektrolyse mit erneuerbarem Strom erzeugt, liefert er eine Energie, die nicht nur klimaneutral ist, sondern die sich auch speichern und transportieren lässt. Mit ihrer Nationalen Wasserstoffstrategie will die Bundesregierung Deutschland zum internationalen Vorreiter beim grünen Gold machen. Und Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer (Grüne) kündigte im Januar an, gemeinsam mit dem Bund 2,3 Milliarden Euro in die Infrastruktur für grünen Wasserstoff zu investieren, vor allem in der Chemie- und Stahlindustrie.
Welche Rolle grüner Wasserstoff in der Logistik spielen kann, zeigt nicht nur die Planung einer grünen Wasserstofftankstelle in Walsrode. Auch in den Hallen der Clean Logistics SE in Winsen/Luhe, Landkreis Harburg, findet die Zukunft statt.
„So wie bisher darf es nicht weitergehen“, sagt Vorstand Dirk Graszt. „Unser Ziel sind null Emissionen.“ So rollt sein Truck namens Fyuriant mit Brennstoffzellen, Wasserstofftank und Hochleistungsbatterien über die Straßen – nach Angaben von Clean Logistics mit einer einzigen Tankfüllung zwischen Hamburg und Frankfurt/Main. Besonders interessant: Der Betrieb baut nicht nur neue Trucks, sondern rüstet auch bestehende um. „Die Fahrzeuge bekommen bei uns ein zweites Leben“, sagt Graszt. Die Zero-Emission-Trucks sind zudem förderfähig: Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr unterstützt Unternehmen mit 80 Prozent der Investitionsmehrkosten bei der Konversion eines Diesel-Sattelschleppers zur Wasserstoff-Elektro-Version.
Gemeinsam mit dem Institut für mobile Maschinen und Nutzfahrzeuge der TU Braunschweig werden in den kommenden drei Jahren zwei Tochterunternehmen von Clean Logistics an der Entwicklung eines neuen elektrischen Fahrzeugkonzepts für Lkw arbeiten. Das Konsortium soll Prototypen entwickeln und die Kosten für den Antrieb dabei so weit senken, dass das Fahrzeug wirtschaftlich und in Serie produziert werden kann. Das Niedersächsische Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz unterstützt das Projekt mit insgesamt 7,6 Millionen Euro.
Im Januar hat die Gesellschaft neue Aktien ausgegeben, um eine notwendige Kapitalerhöhung zu erzielen. Seither machen Spekulationen die Runde, Clean Logistics sei in finanziellen Schwierigkeiten. Das Unternehmen selbst spricht von einer “Strategieanpassung” und hat nach eigenen Angaben eine Tochtergesellschaft verkauft, um Darlehensverpflichtungen zu reduzieren und die Liquidität zu erhöhen. Zur neuen Strategie gehört auch, dass die Serienfertigung von emissionsfreien Lkw vermehrt über einen Partner im Bereich Lohnfertigung laufen soll. Bestehende Kundenaufträge sollen aber in Winsen realisiert werden. Schon im Frühjahr sollen die ersten Wasserstofftrucks aus dem Hause Clean Logistics im Auftrag von Edeka und Netto über die Straßen rollen.
Das in Nordfriesland ansässige Unternehmen GP Joule, spezialisiert auf erneuerbare Energien, plant in Walsrode die erste Wasserstofftankstelle der Region, die grünen Wasserstoff anbieten wird. Sie soll im Industrie- und Gewerbegebiet an der Autobahn 27 entstehen, dem sogenannten A27park.
„Die Region rund um das Walsroder Dreieck ist aufgrund ihrer Verkehrs- und Lagegunst geradezu prädestiniert für die Schaffung von neuer Infrastruktur für die Mobilitätswende“, sagt Michael Krohn, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Deltaland GmbH. Das gelte insbesondere mit Blick auf den dort durchlaufenden Schwerlastverkehr. Krohn macht aber auch auf die Henne-Ei-Problematik aufmerksam. „Viele Akteure sind bereit, sich mit der Anschaffung von Wasserstoff-Lkw ernsthaft zu befassen. Dafür müssen aber nicht nur Fahrzeuge marktreif zur Verfügung stehen, sondern auch die begleitende Infrastruktur sichergestellt sein. Die Frage ist: Wer investiert zuerst? Der Spediteur oder der Tankstellenbetreiber?“
Die Wirtschaftsförderer sind daher froh, dass es mit GP Joule bald die erste öffentliche Wasserstofftankstelle im Heidekreis geben wird. Zu tanken sein wird dort ausschließlich grüner Wasserstoff, neben der Druckstufe von 700 bar für Autos wird es ebenfalls die für Schwerlaster notwendigen 350 bar geben. 350 bar sind bisher im norddeutschen Raum nur an sehr wenigen Standorten in Großstädten verfügbar, zum Beispiel in Hannover, Hamburg und Bremen. Noch haben die Bauarbeiten nicht begonnen. GP Joule wird in Walsrode laut einer Sprecherin einen siebenstelligen Betrag investieren, in Betrieb gehen soll die Tankstelle im Laufe des Jahres 2024. An ihrem Stammsitz in Nordfriesland hat GP Joule bereits ein Projekt auf den Weg gebracht, das nach Angaben des Unternehmens das größte seiner Art in Deutschland ist. Mit „eFarm“ lösen die Nordfriesen das Henne-Ei-Problem selbst: GP Joule bedient die gesamte Kette von der Produktion erneuerbarer Energien über Infrastruktur und Verbrauch selbst. Regionale Windparks erzeugen Strom, mit dem wiederum grüner Wasserstoff hergestellt wird. Zwei Wasserstofftankstellen vertreiben ihn, zwei Busse des öffentlichen Nahverkehrs und 60 Autos von Gewerbetreibenden und Privatpersonen nutzen ihn bereits.
Wo Wasserstoff ebenfalls zum Einsatz kommen kann, zeigt die Lüneburger Stadtreinigung: In der Abwasser, Grün und Lüneburger Service GmbH (AGL) sollen ab 2024 zwei Großkehrmaschinen über Asphalt und Kopfsteinpflaster fahren, angetrieben ebenfalls aus einer Kombination aus Batteriebetrieb und H2-Brennstoffzelle. Die Anschaffung der beiden Kehrmaschinen im Wert von rund 1,7 Millionen Euro fördert das Bundesministerium für Digitales und Verkehr mit rund 1,2 Millionen Euro.
„Die Technologie ist für uns insbesondere von großem Interesse, da langfristig absehbar ist, dass Wasserstoff im Betrieb von Kläranlagen erzeugt werden könnte“, sagt AGL-Geschäftsführer Lars Strehse. Anstelle von Trinkwasser würde dort entsprechend aufbereitetes Abwasser verwendet, ein Elektrolyseur könnte neben Wasserstoff auch Wärme produzieren. Dann würde sich ein weiterer Kreis schließen.  
Carolin George

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