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„Näher an die Hochschulen!“
Akademiker*innen frühzeitig an sich binden, rät der Volkswirt Prof. Dr. Axel Plünnecke vom Institut der deutschen Wirtschaft. Chancen der Internationalisierung sieht er vor allem in den Branchen MINT, Handwerk und Pflege.
Axel Plünnecke (51) hat an der Universität Göttingen Volkswirtschaftslehre studiert und an der TU Braunschweig promoviert, er leitet am Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V. das Cluster Bildung, Innovation und Migration. Außerdem ist Plünnecke Professor an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement in Saarbrücken.
Herr Professor Plünnecke, als Impulsgeber sprechen Sie darüber, wie Internationalisierung eine Antwort in der Fachkräftefrage sein kann. Kann sie das denn überhaupt?
Zuwanderung allein kann die Lücke nicht schließen. Dafür sind auch andere Faktoren wichtig, zum Beispiel die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Zuwanderung ist aber ein wichtiger Stellhebel für die Fachkräftesicherung.
Wo funktioniert Zuwanderung bereits heute schon gut?
Vor allem in Regionen mit hoher Innovationskraft und in der Nähe von Technischen Hochschulen. Wo bereits viele ausländische Ingenieure arbeiten, entsteht eine Eigendynamik: Durch Netzwerke in ihrer Heimat ist es dann wesentlich einfacher, weitere Fachkräfte aus diesen Ländern zu gewinnen. Besonders deutlich wird das im Landkreis München. Dort waren im Jahr 2012 noch 4.300 ausländische Personen sozialversicherungspflichtig im Ingenieurberuf beschäftigt, heute sind es 10.500. In ganz Niedersachsen liegt die Anzahl bei 5.800, davon rund 1.300 in Wolfsburg.
Der Aufwand für Unternehmen in unserer Region ist also ungleich höher, wenn sie mit der Personalsuche im Ausland beginnen?
Das ist richtig. Zudem sind Regionen wie Berlin, München, Stuttgart und Frankfurt/Main international stärker präsent. Wichtig sind daher ein gutes Standortmarketing sowie eine enge Kooperation mit Hochschulen. Die Studierenden respektive Absolventen sind ein guter erster Schritt, Milieus und Netzwerke aufzubauen, die das Finden weiterer Fachkräfte aus dem Ausland erleichtern.
Bei Akademiker*innen scheinen die Hürden am niedrigsten zu liegen, auch in der Anerkennung der Abschlüsse. Wie aber lässt sich berufliche Bildung miteinander vergleichen?
Die hohe Qualität beruflicher Bildung in Deutschland gibt es so in Drittstaaten nicht. Wir müssen daher versuchen, über (Teil-)Qualifizierungen Bildungsaufstiege zu organisieren. Wer als Jugendlicher kommt, benötigt bei uns in manchen Fällen alle Bausteine der Bildung: Schule, Sprache, Ausbildung. Ferner sollten bei den Älteren die vorhandenen Berufserfahrungen stärker in den Fokus genommen werden. Es gilt zu sehen, was passt und was fehlt. Das Potenzial an späteren Facharbeitern ist in Drittstaaten auf jeden Fall vorhanden. Hier spielen die Kammern eine wichtige Rolle.
Wie werten Sie die Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt, gibt es hier Erfolge?
Aus Perspektive der MINT-Berufe in jedem Fall. Zwar arbeiten fast die Hälfte der beschäftigten Syrer zum Beispiel nur in Helferberufen. Unter den übrigen haben die MINT-Ausbildungen oder auch das Handwerk aber einen weit höheren Anteil, als etwa Berufe aus dem kaufmännischen Bereich, dem Rechtswesen oder der Verwaltung. In MINT und Handwerk sind die sprachlichen Barrieren nicht ganz so hoch. Ähnliches gilt für die Pflege. Das ist gut für den Fachkräftemangel in diesen Branchen.
Woran hakt es denn am meisten? An den Zuwanderungsregeln oder an der deutschen Bürokratie?
Die Regeln selbst sind gar nicht so schlecht. Aber es fehlt an Digitalisierung, die Prozesse sind zu aufwendig und dauern viel zu lange. Das wiederum liegt auch daran, dass die Behörden personell nicht ausreichend aufgestockt wurden. Man kann niemandem zumuten, mehr als ein halbes Jahr bis zur Arbeitsaufnahme warten zu müssen, weder den Bewerber*innen noch der Firma. Das muss schneller gehen. Es fehlt in den Behörden allerdings auch eine neue Kultur, die Menschen dahingehend zu beraten, dass sie möglichst gut und schnell nach Deutschland können. Zurzeit herrscht eher noch die Kultur der Kontrolle und Prüfung.
Wenn Sie könnten, was würden Sie ändern?
Ich würde die Hochschulen stark ausbauen und dafür sorgen, dass zusätzliche Studierende aus dem Ausland gewonnen werden. Als Unternehmen würde ich Kooperationen mit der Hochschule suchen – und enge Kontakte zu den Studierenden über Praktika aufbauen.
Carolin George
Carolin George
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Christiane Hewner